23.06.2020
Frische Ideen für den »neuen« Fritz-Foerster-Platz gesucht
TUD-Architekten ermöglichen mit dem Projekt »U_CODE« eine Beteiligung aller Dresdner und TUD-Angehörigen
Das Dresdner Stadtplanungsamt will eine städtebauliche Studie für den Fritz-Foerster-Platz durchführen. Sie soll aufzeigen, wie sich der Platz in der Südvorstadt als Eingangsbereich zum Universitätscampus, als Verkehrsknotenpunkt und als Teil der zukünftigen Stadtbahntrasse 2020 ergänzend zu vorhandenen Gebäuden aufwerten lässt. Im Mittelpunkt steht der Bereich zwischen Zelleschem Weg, Einsteinstraße und Hochschulstraße. Dafür hat sich das Stadtplanungsamt Experten der TU Dresden ins Boot geholt, denn es geht um einen innovativen Ansatz, Bürger zu beteiligen: Im EU-Projekt »U_CODE« wurde vom WISSENSARCHITEKTUR Laboratory of Knowledge Architecture an der TUD-Fakultät Architektur ein neues Verfahren entwickelt. UJ hat mit Prof. Jörg Rainer Noennig von der TUD-Fakultät Architektur gesprochen.
UJ: Bürger an der Stadtplanung zu beteiligen, ist auch in Dresden nicht neu. Was ist das Innovative an jenem Teil des U_CODE-Verfahrens, das in Ihrem Wissensarchitektur-Labor der TUD entwickelt wurde?
Prof. Noennig: Wir setzen mit U_CODE früher an als konventionelle Partizipationsverfahren – und zwar noch bevor die konkreten Projekte definiert sind. Als Wissensarchitekten sind wir überzeugt, dass gute gestalterische und nachhaltige Lösungen nur auf einer umfangreichen Wissensbasis entstehen können. Deshalb fragen wir so früh wie möglich Ideen aber auch Stimmungen zu den anvisierten Projekten ab. Diese dienen dann als Entscheidungshilfen für den weiteren Projektentwicklungsprozess.
Darüber hinaus wollen wir Bürger nicht nur in Form von Befragungen und Feedback-Runden beteiligen, sondern sie tatsächlich zu Mit-Gestaltern ihrer Stadtumgebung machen. Deshalb sprechen wir von Co-Design – oder, wie der Langtitel von U_CODE lautet, von einem »Urban Collective Design Environment« . Mit einfachen Designwerkzeugen kann jeder in U_CODE seine eigenen gestalterischen Ideen entwickeln und zur Diskussion stellen – was unserer Erfahrung nach ein sehr fesselnder Prozess ist und auf jeden Fall Spaß macht.
Und schließlich zielen wir mit U_CODE auf eine weit umfassendere Beteiligung ab, als sie die üblichen Workshop-Verfahren erreichen können – diese haben eine natürliche Grenze bei vielleicht 200, 300 Personen. Unser System ist hingegen als digitale Plattform konzipiert, so dass jede Person online jederzeit teilnehmen kann – so lassen sich ganz andere Größenordnungen der Beteiligung erreichen. Schon in den ersten drei Tagen der Dresdner Kampagne konnten wir zirka 1000 Rückläufe einsammeln.
Wie und in welchen Schritten läuft das digitale Planungsverfahren konkret ab?
U_CODE verbindet nahtlos die inhaltliche Grundlagenermittlung mit der Konzeptionsphase für räumlich-gestalterische Ideen. Das U_CODE Verfahren und seine einzelnen Werkzeuge sind dabei flexibel anpassbar an die konkreten Anlässe und Situationen. So konnten wir U_ CODE bereits für die Planung eines Förderschulkomplexes in Sachsen-Anhalt wie auch für das Upgrading von Nachbarschaften einer indischen Großstadt einsetzen – für diese Anwendungsfalle haben wir ganz verschiedene Choreografien eingesetzt.
Grundsätzlich durchläuft das Verfahren drei Schritte. Im ersten Schritt »Online Wissenskampagne« , die beim Fritz-Foerster-Platz zirka einen Monat dauern wird, sammeln wir mit einem Internet-Fragebogen möglichst viele Hintergrundinformationen ein – etwa zur Standortgeschichte, zur aktuellen Platznutzung, zu den konkreten räumlichen Bedarfen. Diese Eingaben werden in einer Weise strukturiert und analysiert, dass sie eine fundierte Grundlage für die Phase »Online Co-Design« bieten. In diesem zweiten Schritt können Bürger dann mit unseren interaktiven Design-Werkzeugen im Internet selbstständig Gestaltungsvorschläge erarbeiten – und so die Aufgabe auch einmal durch die Augen der Planer und Architekten wahrnehmen. Diese Ergebnisse werden ebenfalls auf der U_CODE Plattform ausgewertet – damit dann mit den vielversprechendsten Lösungen in die dritte Phase »Local Co-Design« eingestiegen werden kann. Hier werden wir zu einer Planungswerkstatt vor Ort einladen, um mit Bürgern an digitalen Werkzeugen wie interaktiven Touchtischen oder 3D-Druckern die Vorschläge weiter auszufeilen.
Welche Chancen haben Vorschläge von »Planungslaien«, verwirklicht zu werden? Oder geht es eher um eine Sammlung von Ideen für die eigentlichen Stadtplaner?
Ein Stadtentwicklungsprojekt ist ein komplexes Gefüge von vielen Einzelbelangen und -konzepten. Für sinnvolle und gut begründete Ideen sollte in einem solchen Projekt aber immer Platz sein. Viele Aspekte, die für die Konzeption und langfristige Nutzung eine wichtige Rolle spielen, können die Planer und Verantwortlichen in der Stadt nicht ohne Weiteres selber eruieren – hier ist die »Weisheit der Menge« eine immense kreative Ressource! Aus einer solchen Wissens- und Ideensammlung können – da sind wir uns sicher – wertvolle Ansätze und Impulse für die künftige Planung abgeleitet werden, die dann in der vertiefenden Planung integriert sind. Aber alle Planungsprojekte durchlaufen in ihrer Entwicklung vielfältige Veränderungen, Überarbeitungen und Verfeinerungen. Mit ko-kreativen Werkzeugen, wie wir sie zum Beispiel in den Workshop-Verfahren anbieten, können die Bürger sich auch bei diesen Weiterentwicklungen der Gestaltungskonzepte einbringen.
Mit welchem Ziel und bis wann soll der Fritz-Foerster-Platz überhaupt umgestaltet werden?
Letztlich geht es darum, aus der momentan unbefriedigenden Situation am Fritz-Foerster-Platz einen lebendigen und stimmigen urbanen Ort zu schaffen, an dem sich alle Anwohner und Nutzer wohlfühlen. Für die TU Dresden als einem Hauptanrainer ist zum Beispiel die adäquate Gestaltung des Platzes als »Tor zum Campus« wichtig. Das Stadtplanungsamt hat allerdings noch nicht entschieden, in welcher Form nach dem Beteiligungsverfahren die weitere Planung weitergeführt wird. Das ist gut so, denn das sollte auch von den Ergebnissen des Beteiligungsverfahrens abhängen. Im Vordergrund steht deshalb im laufenden Verfahren die genaue Untersuchung der Nutzerbedarfe und -erwartungen. Die Neugestaltung selbst ist dann ein nicht endgültig abschließbarer Prozess, denn städtische Räume entwickeln sich ständig weiter. Gesellschaftliche Bedarfe, ökonomische und ökologische Randbedingungen, Mobilitätsformen und Bautechnologien verändern sich. Auch aus diesem Grund ist es wichtig, Verfahren wie U_CODE zu haben, die in der Lage sind, solche dynamischen Entwicklungen zu erfassen und im Zusammenspiel von Bürgern und Planern in spannende räumliche Lösungen zu übersetzen.
Die Fragen an Prof. Noennig stellte Karsten Eckold.
Dresdner Bürger, TUD-Beschäftigte und -Studenten können sich (zunächst bis 5. Juli 2020) an der Planung des Fritz-Foerster-Platzes beteiligen unter: www.dresden.de/fritz-foerster-platz.
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 12/2020 vom 23. Juni 2020 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.