11.10.2021
Promotionsverfahren von M.Sc. Hauke Hirsch
Entwicklung eines Modellierungstools zur Berechnung kalter Nahwärmenetze in Kombination mit großflächigen Erdwärmekollektoren
Hintergrund
Aufgrund der klimapolitischen Ziele Deutschlands sowie zahlreicher weiterer Staaten weltweit, gewinnen alternative Systeme zur Wärmeerzeugung zunehmend an Bedeutung. Dabei kommt Wärmepumpen eine Schlüsselrolle zu. Abgesehen von der Solarthermie, welche in der Regel nur einen geringen Anteil abdecken kann, gibt es kaum eine andere Möglichkeit Gebäude klimaneutral mit Wärme zu versorgen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Marktanteil von Wärmepumpen, wie schon in der Vergangenheit, auch in Zukunft deutlich steigen wird. Als Wärmequelle, stehen der Wärmepumpe verschiedene Medien zur Verfügung, welche sich deutlich hinsichtlich ihrer Effizienz unterscheiden. Während die einfach und günstig umzusetzende Luft-Wasser-Wärmepumpe einen vergleichsweise geringen Wirkungsgrad besitzt, sind erdreichgekoppelte Wärmequellen deutlich effizienter, da das Erdreich als Wärmequelle, vor allem während der Heizperiode, eine höhere Temperatur als die Außenluft besitzt. Der Nachteil dieser Systeme sind der höhere Investitionsaufwand und Flächenverbrauch sowie umweltrechtliche Beschränkungen beim Bau der Anlagen.
Unter dem Gesichtspunkt, dass Energiekonzepte zunehmend für ganze Quartiere entworfen werden, sind kalte Nahwärmenetze in Kombination mit oberflächennahen Erdwärmekollektoren ein vielversprechendes Konzept. Die systematische Erschließung ganzer Baugebiete mit Erdwärme verringert den Investitionsaufwand und nutzt Flächen außerhalb der bebauten Grundstücke als Wärmequelle. Nicht zu vernachlässigen ist dabei das kalte Nahwärmenetz als zusätzliche Wärmequelle. Die Leitungen werden ohne thermische Isolierung verlegt und bilden so einen integralen Teil des Erdwärmekollektors. Um die für den Erdwärmekollektor benötigte Fläche gering zu halten, wird dieser kompakt und in mehreren Schichten verlegt. Im Gegensatz zu Tiefenbohrungen bietet dies den Vorteil, das keine Genehmigungen notwendig sind und zum Teil auch umweltrechtlich geschützte Gebiete zur Verfügung stehen.
Weiterhin bieten kalte Nahwärmenetze die Möglichkeit verschiedene Abwärmequellen, etwa Serverzentren oder große Kälteerzeuger in Supermärkten einzubinden. Damit werden Synergien erzeugt. Der benötigte Kältebedarf kann mit geringem Aufwand zur Verfügung gestellt werden und die Wärmequellentemperatur wird gleichzeitig angehoben, was die Effizienz der Wärmepumpen verbessert. Auch der im Zuge des Klimawandels steigende Bedarf an Raumkühlung lässt sich so effizient decken. Da das Erdreich am Ende der Heizperiode vergleichsweise kalt ist, können Gebäude direkt, also ohne Einsatz von Kältemaschinen, gekühlt werden.
Problemstellung
Großflächige Erdwärmekollektoren werden derzeit in mehreren Pilotprojekten in Verbindung mit kalten Nahwärmenetzen umgesetzt. Während numerische Verfahren zur Berechnung von Erdwärmekollektoren bereits zur Verfügung stehen, erfolgt die Auslegung der Netze nach einfachen leistungs- oder wärmemengenbasierten Rechenwerten. Dabei werden weder die spezifischen Bodeneigenschaften und das lokale Klima des Standorts, noch die Wirkung der Wärmeeinspeisung durch Kühlung, industrielle Abwärme oder Solarthermie hinreichend genau berücksichtigt. Die gesamte thermische Wirkung des Netzes bleibt somit weitestgehend unbekannt und Optimierungspotentiale bleiben unerschlossen.
Für eine auf optimalen Betrieb abzielende Auslegung der Gesamtanlage ist die gekoppelte Modellierung des Erdwärmekollektors, des Nahwärmenetzes und gegebenenfalls weiterer Wärmesenken und –quellen, wie z.B. der Gebäude und Wärmepumpen notwendig. Diese Anforderung ergibt sich aus den Wechselwirkungen der verschiedenen Komponenten, die aufgrund ihrer Komplexität in der Praxis bisher nicht berücksichtigt werden.
So können beispielsweise Gebäude nur gekühlt werden, wenn eine entsprechend niedrige Temperatur im Netz vorliegt. Da sich die Wärmezufuhr durch Kühlung wiederum auf die Netztemperatur auswirkt, führt dies zu einer vollständigen Kopplung zwischen Netztemperatur und Kühlleistung. Ähnlich verhält es sich mit den Wärmepumpen. Die Leistungszahl und die Entzugsleistung der Wärmepumpen steigen mit der Verdampfertemperatur. Hat das Nahwärmenetz eine höhere Temperatur, wird diesem deshalb auch eine höhere Leistung entzogen. Das Netz wird also umso stärker belastet, je höher dessen Temperatur ist. Auch die durch solarthermische Kollektoren bereitgestellte Wärme hängt maßgeblich von der Netztemperatur ab. Die Leistung solarthermischer Kollektoren wird durch die Wärmeverlust zur Umgebung beschränkt. Insbesondere bei unabgedeckten (nicht-verglasten) solarthermischen Kollektoren, welche für die Kopplung mit dem Erdreich besonders interessant sind, nehmen diese Wärmeverluste stark mit der Fluidtemperatur zu.
Die dem Erdreich entzogene Wärmemenge hängt außerdem maßgeblich von dessen thermischen Eigenschaften ab. Der Wärmestrom im Erdreich bzw. vom Erdreich zum Fluid in der Rohrleitung ist proportional zur Wärmeleitfähigkeit des Erdreichs. Besitzt das Erdreich eine höhere Wärmeleitfähigkeit, kann diesem bei gleicher Temperaturdifferenz ein höherer Wärmestrom entzogen werden. Bei einer höheren Wärmeleitfähigkeit des Erdreichs lassen sich die Erdwärmekollektoren deshalb kleiner dimensionieren.
Da die Wärmeleitfähigkeit je nach Bodenart, Lagerungsdichte und Wassergehalt etwa in einem Bereich zwischen 1…2 W/mK variiert, ist dessen genaue Bestimmung unerlässlich. Dies setzt wiederum die Bestimmung des Wassergehalts voraus, welcher sich außerdem auch auf das Gefrierverhalten des Bodens auswirkt. Es ist deshalb erforderlich, sowohl das thermische als auch das hygrische Verhalten des Bodens sehr detailliert abzubilden. Dafür müssen für die verschiedenen Bodenarten jeweils verlässliche thermische und hygrische Parameter bestimmt werden.
Ziele der Arbeit
Zur Lösung der beschriebenen Probleme soll mit der Entwicklung und Kalibrierung einer Modellierungssoftware beigetragen werden, welche die gekoppelte Simulation aus Erdwärmekollektor, Nahwärmenetz und beliebigen anderen Wärmequellen und –senken ermöglicht. Dabei liegt der Fokus auf einer detaillierten thermischen Abbildung der technischen Komponenten, sowie auf einer hygrothermischen Abbildung des Bodens.
Die Software soll es ermöglichen, die Gesamtanlage einschließlich des Bodenkörpers in verschiedenen Detaillierungsstufen abzubilden und so den Einfluss der verschiedenen Komponenten, insbesondere des Nahwärmenetzes zu bewerten. Ein Schwerpunkt liegt deshalb auf der Verbesserung der Bodenparametrisierung. Auf Grundlage von Literatur und experimentellen Untersuchungen soll ein Verfahren entwickelt werden, welches die korrekte Auswahl der notwendigen Parameter erlaubt.
Durch die Berücksichtigung der zusätzlichen Wärmegewinne des Netzes kann der Erdwärmekollektor als Wärmequelle genauer dimensioniert werden. Außerdem lässt sich so der Einfluss weiterer Quellen wie solarthermischer Kollektoren oder industrieller Abwärme quantifizieren, was ebenfalls die Dimensionierung beeinflusst.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
NameHauke Hirsch M.Sc.
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