10.04.2020
Mit der VR-Brille die Widerstandsfähigkeit eines Deiches beurteilen - 43. Wasserbaukolloquium "Interdisziplinärer Wasserbau im digitalen Wandel"
Es ist kaum noch vorstellbar, aber es gab eine Zeit vor Corona. Mittlerweile weiß niemand, wann wieder große Tagungen an der TU Dresden stattfinden können. Bis zuletzt war auch unsicher, ob das „Dresdner Wasserbaukolloquium“, das vom Institut für Wasserbau und Technische Hydromechanik der TU Dresden jährlich veranstaltet wird, trotz der schwierigen Situation durchgeführt werden kann. Aufgrund des frühen Zeitraums (5./6. März 2020) und unter Berücksichtigung der zu dieser Zeit seitens des Robert-Koch-Instituts und des Gesundheitsamts der Landeshauptstadt Dresden geltenden Empfehlungen, entschied man sich nach tiefgründiger Abwägung letztlich für eine Durchführung der Konferenz. Mittlerweile ist klar, dass das Kolloquium in diesem Frühjahr die einzige große Veranstaltung an unserer Fakultät bleiben wird.
Nachdem sich ursprünglich mehr als 400 Teilnehmer angemeldet hatten, waren immerhin noch ca. 300 Teilnehmer und 36 Aussteller zu dieser wichtigen Fachkonferenz nach Dresden gekommen. Dabei ließen die Veranstalter größte Umsicht walten und trafen umfassende Vorkehrungen, um keinen Ort für eine Ausbreitung des Corona-Virus in den Tagungsräumlichkeiten des Maritim International Congress Center zu bieten. Alle Teilnehmer wurden dabei auch auf die eigene Verantwortung hingewiesen, so dass z. B. auf den Namensschildern freundlich auf den Verzicht des Händeschüttelns hingewiesen wurde. Passend zum diesjährigen Tagungsthema „Interdisziplinärer Wasserbau im digitalen Wandel“ wurden von ca. 50 Fachvorträgen einige Vorträge notgedrungen per Videoverbindung, u.a. in die Schweiz, gehalten und fachlich diskutiert – ein kleiner Ausblick in die digitale Zukunft?
Nachdem Prof. Dr.-Ing. Jürgen Stamm die Konferenz eröffnet hatte, wurden Grußworte in diesem Jahr von der Dresdner Umweltbürgermeisterin Frau E. Jähnigen, von Herrn Dr.-Ing. A. Eckhardt vom Bund der Ingenieure für Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Kulturbau e.V. sowie von Herrn Prof. H. Milke von der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. an die Teilnehmer überbracht. Gerade der Austausch zwischen Vertretern verschiedener Fachrichtungen aus Praxis, Forschung und Behörden sei es, der interdisziplinäres Arbeiten ermöglicht, betonten alle Redner in ihren Ansprachen und bezogen sich damit auf das übergeordnete Konferenzthema. In der anschließenden Keynote von Prof. Dr.-Ing. A. Niemann der Universität Duisburg- Essen standen insbesondere die Herausforderungen der Digitalisierung für Wasserbau und Wasserwirtschaft im Mittelpunkt.
Traditionell fand im Rahmen der Konferenzeröffnung auch die Verleihung der Hubert-Engels-Medaillen für herausragende studentische Arbeiten auf dem Gebiet des Wasserbaus statt. In diesem Jahr erhielten Herr Sergio Frederico Spadari für seine Arbeit zum Thema "Experimental investigations of vortex flows" und Herr Márcio Salgueiro Roth für seine Beschäftigung mit der "Implementierung einer geometrischen Rauheit für Wandbrandbedingungen in der 3D-HN-Modellierung“ diese Auszeichnung.
Neu in diesem Jahr: Auch die TU Dresden, genauer gesagt das Institut für Wasserbau und Technische Hydromechanik (IWD), war mit einem Stand auf der konferenzbegleitenden Fachmesse vertreten. Vorrangiges Thema hier: Wie kann die Digitalisierung sinnvoll in die wasserbauliche Forschungsarbeit eingebunden werden und neue Wege für den Erkenntnisgewinn aufzeigen. Einen besonderen Fokus legten die Dresdner Forscher an ihrem Stand auf verbesserte Visualisierungsmethoden für wasserbauliche Fragestellungen. Mit einer VR-Brille konnten sich Besucher z. B. in animierte Strömungen mehrerer Fischaufstiegsanlagen hineindenken sowie ein extremes Hochwasserszenario der Elbe, auf der Augustusbrücke innerhalb eines virtuellen Dresdens stehend, erleben.
Einmal die VR-Brille auf dem Kopf, konnten weiterhin sogenannte Injektionskörper, die z.B. der Deichsanierung dienen, virtuell betrachtet und analysiert werden. Dabei wird in Realität ein Acrylatgeel in den Erdkörper gepresst um mangelhafte Flussdeiche wieder wasserundurchlässiger zu machen. Die Ausbreitung des Gels im Deichkörper bis zur Erhärtung ist von außen allerdings nicht sichtbar, so
dass ein Erfolg der Maßnahme daher schwer einschätzbar wird. Aus
diesem Grund fanden im Wasserbaulabor der TU Dresden entsprechende
Modellversuche statt und erhaltene Injektionskörper wurden
dreidimensional vermessen. Dadurch standen Datensätze für die VR-Visualisierung zur Verfügung. Die Besucher des Messestandes konnten
sich nun mithilfe der Brille durch den Deich bewegen und dadurch die
Qualität der Injektionskörper direkt beurteilen.
Als weitere Möglichkeit, verschiedene Forschungs- und Arbeitsfelder zu
digitalisieren, sahen viele Konferenzteilnehmer die Einbindung des
„Building Information Modeling“ (BIM) in den Wasserbau als wesentliches
Betätigungsfeld der nahen Zukunft an. Dabei sind für Wasserbauvorhaben
spezifische BIM-Strategien zu entwickeln, da sich die Charakteristiken und
Einwirkungen auf die Bauwerke von denen des z. B. klassischen Hochbaus
zum Teil wesentlich unterscheiden. Einige Redner stellten dazu
interessante Ansätze vor.
Alle Konferenzbeiträge wurden in einem Tagungsband („Dresdner Wasserbauliche Mitteilungen – Heft 63“; ISBN-Nummer 978-3-86780-627-5) abgedruckt, der beim Institut für Wasserbau und Technische Hydromechanik (wasserbaukolloquium@tu-dresden), wie auch frühere Bände, bestellt werden kann. Darüber hinaus werden die Beiträge in digitaler Form in der Verkehrswasserbaulichen Zentralbibliothek veröffentlicht. Im nächsten Jahr wird das 44. Dresdner Wasserbaukolloquium am 4. und 5. März 2021, dann unter hoffentlich wieder normalen Bedingungen, zum Thema „Wasserbau zwischen Hochwasser und Wassermangel“ stattfinden.