Kornelia Nitzsche
Standsicherheit von Tagebau-Randböschungen: Vergleich von Berechnungsverfahren
Einleitung
Stabilitätsuntersuchungen werden durchgeführt, um eine sichere und ökonomische Gestaltung von Böschungen in Baugruben und im Tagebau, bei der Konstruktion von Verkehrs- und Staudämmen aber auch bei der Errichtung von Halden zu gewährleisten. Die Standsicherheit von Tagebaurandböschungen hängt sowohl von geologischen Eigenschaften wie der Bodenschichtung als auch von der geplanten Böschungstopographie wie der Tiefe der Einschnittsböschung und deren Neigung ab.
Die vorliegenden Untersuchungen zur Standsicherheitsbestimmung wurden in Zusammenarbeit mit RWE-Power AG durchgeführt und erfolgten anhand eines Beispiels einer Randböschung des Tagebau Hambach. Für den Nachweis der Standsicherheit können verschiedene Berechnungsverfahren, wie z.B. Lamellenmethoden, Starrkörper-Bruchmechanismen und die Finite-Elemente-Methode, angewendet werden. Im Rahmen dieser Diplomarbeit kamen für die Untersuchungen mit der FE-Methode die ‘φ/c-Reduktion’ und das Naylor-Verfahren zum Einsatz deren Ergebnisse hinsichtlich des Standsicherheitsfaktors mit jenen der Lamellenmethode nach Bishop verglichen wurden. Numerische Untersuchungen wurden mit dem FE-Programm TOCHNOG durchgeführt während für die Berechnungen mit der Lamellenmethode das Sofware-Paket GeoSlope zum Einsatz kam. Zunächst wurden alle Berechnungen an einer einfachen homogenen Böschung durchgeführt und ausgewertet, um die Erkenntnisse dieser Untersuchungen hinsichtlich Bruchfläche, Sicherheitsbeiwert, Zeitaufwand und Anwendbarkeit auch auf die vorgegebene Randböschungsgeometrie des Tagebaus Hambach übertragen zu können.
Berechnungsergebnisse
Die Berechnungsergebnisse werden für ausgewählte Fälle dargestellt.
Homogene Böschung
Für die zu betrachtende homogene Böschung wurden vier unterschiedliche Methoden in Betracht gezogen, um die kritischste Gleitfläche ausfindig zu machen. Während das Berechnungsverfahren für alle vier Vorgehensweisen auf der Lamellenmethode nach Bishop basiert, unterscheiden sie sich in der Festlegung der Suchbereiche für den ungünstigsten Gleitkreis. Für die homogene Böschung wurde für alle vier Vorgehensweisen sowohl ein Standsicherheitsbeiwert η=1,15 als auch ein übereinstimmender Versagensmechanismus ermittelt (Abb. 1). Zudem wurde gezeigt, dass eine Lamellenanzahl von mehr als 20 den Sicherheitsbeiwert nicht mehr signifikant verändert und somit eine weitere Unterteilung, aufgrund der längeren Berechnunsgzeit, überflüssig ist.
Hinsichtlich der numerischen Berechnungen mit TOCHNOG wurden vier FE-Modelle mit unterschiedlicher Elementgröße untersucht. Dabei kamen Dreieckelemente mit einer Elementkantenlänge von 50m, 25m, 10m und 5m zum Einsatz. Zugleich wurden alle Berechnungen für Dreickelemente mit drei sowie sechs Elementknoten durchgeführt.
Für die ‘φ/c-Reduktion’ variieren die Standsicherheitsbeiwerte in Abhängigkeit von der Elementkantenlänge und der Knotenanzahl. Während die Sicherheitsbeiwerte, ermittelt mit der ‘φ/c-Reduktion’, niedriger ausfallen als jene mit der Lamellenmethode lassen sich für den Bruchmechanismus übereinstimmungen feststellen (Abb. 3).
Des Weiteren konnte anhand des Naylor-Verfahrens der Standsicherheitsbeiwert der Lamellenmethode nachgewiesen werden. Mit zunehmender Netzdichte wurde eine Abminderung des Sicherheitsbeiwertes beobachtet, wobei für das feinste Netz mit tria3 und tria6-Elementen keine Ergebnisunterschiede mehr in Erscheinung traten.
Randböschung im Tagebau Hambach
Der Aufschluss des Braunkohletagebaus begann 1978, wobei gegenwärtig auf einer Fläche von 85km² in dem bis zu 400m tiefen Abbaufeld jährlich ca. 40 Mio. Tonnen Braunkohle gefördert werden.
Der mit SLOPE/W ermittelte Standsicherheitsbeiwert für die Randböschung im Tagebau Hambach beträgt näherungsweise η=1,7 für drei von den vier Vorgehensweisen. Die ermittelte Gleitfläche wird sowohl durch die böschungsnahe Verwerfungszone als auch durch Schichtgrenzen zwischen weichen und festeren Bodenschichten beeinflusst (Abb. 4).
Mit Hilfe des Naylor-Verfahrens und einem mittels der Lamellenmethode bestimmten Gleitkreises werden übereinstimmende Ergebnisse für den Sicherheitsbeiwert bezüglich dem Berechnungsverfahren nach Bishop ermittelt. Bei der ‘φ/c-Reduktion’ hingegen treten erneut signifikante Abweichungen hinsichtlich des Sicherheitsbeiwertes, berechnet mit der Lamellenmethode nach Bishop, auf. Anhand von Contourplots der resultierenden Verschiebungen konnten für die lokale und globale ‘φ/c-Reduktion’ aber Bruchmechanismen lokalisiert werden, die dem Aufbau des Bodens entsprechen (Abb. 5).
Zusammenfassung
Der Vorteil der ‘φ/c-Reduktion’ in Verbindung mit der FE-Methode liegt in der Ermittlung eines anfänglichen Spannungszustandes, für den eine Spannungs-Dehnungs-Beziehung im Boden berücksichtigt wird. Die FEM reagiert im Gegensatz zur Gleichgewichtsmethode wesentlich empfindlicher auf Störzonen, Schichtwechsel und hydrologische Veränderungen im Boden. Folglich muss kein Bruchmechanismus a priori festgelegt werden, sondern dieser entsteht automatisch in Störzonen im Boden, wo das Verhältnis zwischen vorhandener und mobilisierter Scherfestigkeit nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Grundsätzlicher Nachteil der ‘φ/c-Reduktion’ ist jedoch, dass ein konstanter Sicherheitsbeiwert über die gesamte Länge der Gleitfläche angenommen wird, obwohl sich dieser entlang der potentiellen Gleitfläche signifikant verändern kann. Daher sollte die ‘φ/c-Reduktion’ nicht für die Bestimmung der Standsicherheit zum Einsatz kommen, sondern vielmehr für die Identifikation von Versagensbereichen. Diese Aussage wird durch die Resultate der Berechnungen für die lokale und globale ‘φ/c-Reduktion’ unterstützt, für die sich bei der homogenen Böschung durch Veränderung der Konvergenzkriterien ein höhere Standsicherheitsbeiwert einstellte. Bezüglich der Tagebaurandböschung wurden Sicherheitsbeiwerte ermittelt, die deutlich unter den Sicherheiten der Lamellenmethode und des Naylor-Verfahrens lagen. Des Verfahren der ‘φ/c-Reduktion’ in Kombination mit der FE-Methode eignet sich aber für den Nachweis der Gebrauchstauglichkeit, wenn Verformungen untersucht werden sollen, die bei bestimmter Scherfestigkeitsreduktion auftreten.
Abschließend ist somit festzustellen, dass der Vergleich zwischen der Lamellenmethode nach Bishop und der Finiten-Elemente-Methode zeigt, dass auch die Lamellenmethoden unter ordnungsgemäßer Anwendung für Böschungen mit inhomogenem Boden zuverlässige Ergebnisse liefern. Werden die ‘φ/c-Reduktion’ in Verbindung mit der FE-Methode und die Lamellenmethoden zusätzlich kombiniert, könnte mit Hilfe des ermittelten Bruchmechanismus die Standsicherheit noch zuverlässiger bestimmt werden.
Bearbeitungszeitraum:
03/2009 - 06/2009
Wissenschaftliche Betreuer:
Leiter des Institutes für Geotechnik
NameUniv.-Prof. Dr.-Ing. habil. Ivo Herle
Leiter Professur für Bodenmechanik und Grundbau
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Besuchsadresse:
Neuffer-Bau (NEU), NEU 111 George-Bähr-Str. 1a
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Sprechzeiten:
nach Vereinbarung
- Dr. T. Meier, Technische Universität Dresden
- Dr.-Ing. C. Karcher, RWE-Power AG