02.05.2024
Promotion Marc Koschemann
Am 30.04.2024 verteidigte Herr Dipl.-Ing Marc Koschemann erfolgreich seine wissenschaftliche Arbeit im Rahmen des Promotionsverfahrens mit dem Thema „Lokales Verbundverhalten von Stahlbeton unter Kurzzeit- und Langzeitbelastung“. Neben dem Vorsitzenden der Promotionskommission, Prof. Dr. Peer Haller, (TU Dresden), waren als Gutachter Herr Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Manfred Curbach (TU Dresden) und Prof. Dr. Nguyen Viet Tue (Technische Universität Graz) anwesend. Online zugeschaltet war Prof. Dr. Jan Hofmann (Universität Stuttgart).
Abstract:
Die Verbundwirkung zwischen Stahl und Beton stellt die essentielle Grundlage für die Funktionsweise von Stahlbetonbauteilen dar und beeinflusst unter anderem Rissabstände und Rissbreiten sowie die Mitwirkung des Betons auf Zug zwischen den Rissen. Für die Sicherstellung der Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit von Gebäuden ist es notwendig die Rissbreiten zu begrenzen. Aufgrund des zeitabhängigen Verhaltens von Beton verändert sich die Verbundwirkung während der Nutzungsdauer von Bauwerken, was zu einer Zunahme der Rissbreiten führt. Eine realitätsnahe Zustandsbewertung setzt daher eine genaue Kenntnis des Verbundverhaltens und der Rissbreitenentwicklung unter Kurzzeit- und Langzeitbelastung voraus.
Im Rahmen der Arbeit wurde der Einfluss der Betonfestigkeit, der Verbundlänge und der Probekörperart auf das lokale Verbundverhalten unter Kurzzeit- und Langzeitbelastung untersucht. Dazu wurden insgesamt 132 Verbundversuche an Auszieh- und Balkenendkörpern durchgeführt. Um Informationen über den örtlichen und zeitlichen Verlauf der Verbundkraftübertragung entlang der Einbettungslänge zu erlangen, wurden faseroptische Sensoren auf den Bewehrungsstäben appliziert und damit die Stahldehnungsverteilung erfasst.
Auf Grundlage der Ergebnisse von Versuchen mit einer sehr kurzen Verbundlänge wurden analytische Beschreibungen des lokalen Verbundspannungs-Schlupf-Verhaltens unter Kurzzeitbelastung in Abhängigkeit der Versagensart formuliert. Dabei nimmt der Verbundwiderstand im Falle eines Ausziehversagens nahezu linear mit der Betondruckfestigkeit und bei Auftreten von Spaltrissen in Abhängigkeit der Spaltzugfestigkeit zu. Des Weiteren nimmt die Bruchverschiebung mit zunehmender Betonfestigkeit ab. Die Vergrößerung der Verbundlänge im Versuch hatte eine Abnahme der gemittelten Verbundfestigkeit zur Folge.
Anhand der gemessenen Dehnungen an unterschiedlichen Applikationsorten am Stab konnten Aussagen über die Spannungsverteilung innerhalb des Stabs und über den örtlichen Einfluss der Rippen abgeleitet werden. Die experimentell gewonnen Erkenntnisse wurden durch numerische Simulationen mit diskreter Modellierung der Rippen qualitativ bestätigt. Mithilfe der faseroptischen Sensoren wurde nachgewiesen, dass die Kraftübertragung auch bei sehr kurzen Verbundlängen ungleichmäßig erfolgt und dass das Verbundverhalten eine Ortsabhängigkeit besitzt.
In den Verbundversuchen unter Langzeitbelastung wurden deutliche Verformungszuwächse während der Belastungsdauer aufgezeichnet, welche keine Abhängigkeit von der Verbundlänge und nur einen geringen Einfluss von der Betonfestigkeit aufwiesen. Bestehende Modelle unterschätzen den Effekt des Verbundkriechens. Der vorgeschlagene Berechnungsansatz kann mit der lokalen Verbundspannungs-Schlupf-Beziehung verknüpft und die Schlupfzunahme für eine beliebige Belastungsdauer bestimmt werden.
Zur Untersuchung der Rissbreitenentwicklung unter Dauerlast wurden Dehnkörperversuche mit einem zentrisch einbetonierten Stab und unterschiedlichen Querschnittsabmessungen durchgeführt. Mithilfe faseroptischer Sensoren wurde während einer Langzeitbelastung von 1.000 h eine Rissbreitenzunahme von bis zu 20 % ermittelt. Anhand der Dehnkörperversuche ließ sich ableiten, dass die Auswirkungen des Verbundkriechens auf die Rissbreite mit zunehmendem Bewehrungsgrad und zunehmendem Belastungsniveau abnehmen.
Unter Anwendung der schrittweisen Integration der Differentialgleichung des verschieblichen Verbundes wurden vergleichende Berechnungen auf Basis bestehender Modelle zum Verbund und zum Verbundkriechen sowie den hergeleiteten lokalen Beziehungen durchgeführt. Die berechneten Schlupf- und Verbundspannungsverteilungen weisen im Vergleich mit den versuchstechnisch ermittelten Verläufen ein hohes Maß an Übereinstimmung auf. Größere Abweichungen wurden im Falle eines Spaltbruchversagens erzielt. Die mit den Dehnkörperversuchen ermittelten Rissbreiten konnten anhand der hergeleiteten Beziehungen für kleine Querschnittsabmessungen zutreffend prognostiziert werden. Die Berechnungsergebnisse zur Rissbreitenzunahme infolge Verbundkriechens bestätigen die in den Versuchen gewonnen Erkenntnisse qualitativ.
Wir gratulieren Herrn Marc Koschemann herzlich zum abgeschlossenen Promotionsverfahren und wünschen ihm alles erdenklich Gute und viel Erfolg für seinen weiteren Weg.