14.12.2021
Promotion Oliver Steinbock
Am 14.12.2021 verteidigte Herr Oliver Steinbock erfolgreich seine wissenschaftliche Arbeit im Rahmen des Promotionsverfahrens mit dem Thema „Verstärkung von Stahl- und Spannbetonbrücken mit Carbonbeton“.
Im Bereich des Brücken- und Ingenieurbaus finden sich bisher nur vereinzelte Anwendungen von Textilbetonverstärkungen wohingegen im Hochbau bereits einige Verstärkungsmaßnahmen umgesetzt werden konnten. Die Einschränkung auf den Hochbau war einerseits auf die Materialeigenschaften der am Markt verfügbaren Bewehrungsmaterialien und anderseits auf offene Fragestellen zum Tragverhalten
zurückzuführen. Aufgrund der Lage im Außenbereich ergeben sich bei Brücken gegenüber einer Anwendung in Innenräumen höhere Anforderungen an die Komponenten der Verstärkungsmaßnahme. In Verbindung mit Forschungsvorhaben aus der jüngeren Vergangenheit wurden neue textile Bewehrungen entwickelt (u. a. Carbonbewehrungen im Forschungsprojekt C³ - Carbon Concrete Composite), die durch ihre Temperaturbeständigkeit auch eine Anwendung im Brückenbau ermöglichen. Im Gegensatz zum üblichen Hochbau unterliegen Brücken nicht vorwiegend ruhenden Lasten und sind somit einer hohen Ermüdungsbeanspruchung ausgesetzt. Die vorliegende Arbeit greift die speziellen Aspekte des Brückenbestandes in Deutschland auf um die Anwendungsmöglichkeiten von Verstärkungsmaßnahmen mit Textil- bzw. Carbonbeton darzustellen. Im Mittelpunkt der Arbeit stand zunächst Defizite bestehender Massivbrücken herauszuarbeiten. Aufgrund erhöhter Nutzungsanforderungen ergibt sich bei einem alternden Brückenbestand häufig die Notwendigkeit einer Biegeverstärkung. In Zusammenhang mit steigenden Verkehrslasten bzw. -aufkommen ist auch eine
mögliche Ermüdung der Tragwerke zu nennen, die sowohl Stahl- als auch Spannbetonbrücken betreffen.
Gerissene Koppelfugen, aber insbesondere die Problematik der Spannungsrisskorrosion bei historischen Spannstählen, sind dagegen eine Besonderheit des Spannbetonbaus. Vor diesem Hintergrund wurde ein Vergleich zwischen etablierten Verstärkungsmethoden für Massivbrücken und einer Verstärkung mit Carbonbeton diskutiert. Um die Anwendbarkeit von Carbonbeton als Verstärkungsmaßnahme bewerten zu können, wurden zunächst Aspekte zur Materialbeschaffenheit auf Grundlage laufender Forschungsvorhaben
zusammengetragen und gezielt durch eigene Versuchsserien ergänzt. Der Schwerpunkt der Arbeit lag bei der Untersuchung des Tragverhaltens von verstärkten Stahl- und Spannbetontragwerken. Während zu Beginn der Arbeit bereits Erkenntnisse zum Tragverhalten für textilbetonverstärkte Stahlbetontragwerke im Bruchzustand
vorlagen, gab es nur wenige Informationen über das Tragverhalten unter Gebrauchslastniveau. Bei nachträglich verstärkten Bauteilen handelt es sich um gemischt bewehrte Bauteile. Während die Verbundunterschiede zwischen Bewehrungsmaterial im Altbetonbauteil und der nachträglich angebrachten Verstärkungsschicht im Bruchzustand von untergeordneter Bedeutung sind, bestimmen diese im Gebrauchszustand das Tragverhalten maßgeblich. Im Spannbetonbau werden die Unterschiede im
Verbundverhalten mit dem Umlagerungsfaktor η berücksichtigt, wodurch eine Korrektur der Zugkraftanteile in den Bewehrungselementen bei unterschiedlichen Verbundeigenschaften erfolgt. Erste Ansätze zur Umlagerung der Zugkraftanteile an textilbetonverstärkten Stahlbetontragwerken formulierte [Weiland 2009], die im Rahmen der vorliegenden Arbeit erneut aufgegriffen und experimentell untersucht wurden. Im Konkreten wurden verschiedene 4-Punkt-Biegeversuche an carbonbetonverstärkten Stahl- und Spannbetonplattenstreifen durchgeführt. Bei den Stahlbetonplatten kamen sowohl gerippte als auch glatte Betonstähle zum Einsatz wohingegen die vorgespannten Bauteile mit Litzen im sofortigen Verbund bewehrt waren. Ziel der Untersuchung war die Größenordnung der Zugkraftanteile in den metallischen Bewehrungselementen über die Bauteillänge zu ermitteln und mit Hilfe faseroptischer Messsysteme zu
erfassen um die entlastende Wirkung für das Altbetonbauteil infolge der nachträglichen Verstärkungsschicht zu validieren. Ergänzend hierzu gelang es einen Bemessungsansatz für den Grenzzustand der Tragfähigkeit von nachträglich mit Textilbeton verstärkten Spannbetonkonstruktionen abzuleiten. Auch die weit verbreitete Problematik in Deutschland zur Verstärkung von Tragwerken mit spannungsrisskorrosionsgefährdetem Spannstahl wurde im Rahmen der Arbeit behandelt. Die Gefahr eines plötzlichen Versagens infolge eines unbemerkten Spannstahlausfalls, kann durch die Applikation einer Verstärkungsmaßnahme verhindert werden. An Brückenträgern aus einem Brückenrückbau ergab sich die Möglichkeit experimentelle Untersuchungen durchzuführen. Die Träger wurden zunächst gezielt geschädigt, anschließend mit Carbonbeton verstärkt und das Tragverhalten in Hinblick auf die Kriterien Rissbildung unter Gebrauchslasten (Ankündigungsverhalten) sowie die erzielbare Restsicherheit (Tragsicherheit) bewertet.
Die Ergebnisse und Berechnungsansätze wurden für die praktische Anwendung in einem Bemessungsbeispiel zusammengetragen. Mit der vorliegenden Arbeit wurden somit die Grundlagen geschaffen Verstärkungsmaßnahmen mit Carbonbeton im Brückenbau bemessen zu können.
Neben dem Vorsitzenden der Promotionskommission, Prof. Dr.-Ing. habil. Ivo Herle (TU Dresden), waren als Gutachter Herr Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Manfred Curbach (TU Dresden und Prof. Dr. Thomas Bösche (Hochschule für Technik und Wirtschaft
Dresden (HTW)) anwesend. Als weiteres Mitglied der Promotionskommission war Prof. Holger Svensson (TU Dresden) anwesend.
Per Videokonferenz war als weiterer Gutachter MR Prof. Dr. Gero Marzahn (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur Referatsleiter Brücken- und Ingenieurbau) zugeschaltet.
Wir gratulieren Herrn Oliver Steinbock herzlich zum abgeschlossenen Promotionsverfahren und wünschen ihm alles erdenklich Gute und viel Erfolg für seinen weiteren Weg.