Modellierung von vibro-akustischen Systemen mit polymorphen Unschärfen am Beispiel der Schallabstrahlung von Reifen
Die akustische Qualität von Produkten erlangt im Alltag einen immer größer werdenden Stellenwert. Bei zunächst vermeintlich identischen Produkten der gleichen Baureihe kommt es gerade im Bereich der Akustik oftmals zu einer hohen Streuung von deren Eigenschaften, die insbesondere auf unterschiedliche Geometriegrößen und Materialparameter zurückzuführen ist. Die Berücksichtigung unscharfer Parameter in numerischen Simulationen zum Entwurf von neuen vibro-akustischen Systemen schafft hier Abhilfe: Anstelle eines einzigen Simulationsergebnisses wird vielmehr ein Vertrauensbereich ermittelt, der eine sehr frühzeitige und dennoch robuste Optimierung der im Entwurf befindlichen Systeme zulässt. Dabei ist zu beachten, dass die Unschärfen unterschiedlichen Ursprungs sein können und z.B. auf Streuungen, Ungenauigkeiten oder unvollständigen Informationen beruhen. Die Verwendung nur einer dieser Unschärfekategorien ist dabei nicht zielführend. Die Realität wird am besten durch eine Kombination mehrerer Eigenschaften, d.h. durch die Betrachtung einer polymorphen Unschärfe, abgebildet. Letztere soll im Rahmen des gegenwärtigen Vorhabens für vibroakustische Fragestellungen formuliert werden. Die neu entwickelten Verfahren zur Unschärfemodellierung sollen exemplarisch am Beispiel von Reifen-Rollgeräuschen angewendet werden, wodurch eine deutliche Verbesserung des Entwurfsprozesses von Reifen erwartet wird. Die bis heute verfügbaren numerischen Modelle basieren in der Regel auf deterministischen Berechnungsgrößen. Auch ein sehr effizientes und genaues Modell zur Vorhersage der Strukturdynamik von Reifen sowie der resultierenden Reifen-Rollgeräusche, welches im Rahmen einer Kooperation des Antragstellers mit der Chalmers Universität, Göteborg, innerhalb des BMWi-geförderten Vorhabens Leiser Straßenverkehr 3 entstanden ist, beruht auf einer rein deterministischen Betrachtung. Im aktuellen Vorhaben gilt es nun, die Formulierungen und die Vorgehensweise derart zu erweitern, dass auch polymorphe Unschärfen erfasst werden können. Dabei sollen unter Berücksichtigung der polymorphen Unschärfe vor allem multiphysikalische Vorgänge in das Modell einbezogen werden. Die geplante Optimierung in Bezug auf die relevanten Ausgangsgrößen, wie der Schallabstrahlung und dem Rollwiderstand, erfordert dabei hocheffiziente Vorgehensweisen sowie Verfahren zur Dimensionsreduktion. Hierfür wird für die Schallabstrahlung eine Fast-Multipole-Boundary-Elemente-Methode und für die Strukturberechnung des Reifens eine Waveguide-Finite- Elemente-Formulierung eingesetzt. Neben diesen bereits sehr effizienten Verfahren soll zudem ein Ersatzmodell zur weiteren Beschleunigung des Simulationsprozesses umgesetzt werden, wodurch die komplexe Aufgabe einer Optimierung mit mehreren Zielgrößen überhaupt erst realisiert werden kann.