Lehrwald
Für das Studium der Forstwissenschaften sind die praktische Anschauung und Kenntnis konkreter Waldsituationen unerlässlich. Dies hatte bereits 1811 der Begründer der Tharandter Forstakademie, Heinrich Cotta, erkannt und dringend einen separaten Wald für Lehrzwecke gefordert. 1848 wurden der Hochschule 900 ha Wald als Lehrrevier übergeben. Die Leitung oblag dem Waldbauordinarius. Seit dem hat dieses Areal vielerlei Flächen- und Strukturveränderungen erfahren. Der gegenwärtige Waldaufbau ist das Ergebnis verschiedener Waldbauauffassungen und des Wirkens einzelner Hochschullehrer. Dank seiner Nähe zur Hochschule, seiner natürlichen Ausstattung und der vielseitigen Bestände hat der Lehrwald heute große Bedeutung für Lehre und Forschung. Der Lehrwald beginnt unmittelbar an der Hochschule. Der am Hang gelegene Forstbotanische Garten bildet einen Übergang zwischen der Stadt und dem Wald, der durch intensive Wegesysteme für jeden erschließbar ist.
Der Tharandter Wald liegt im Grenzbereich vom Sächsischen Hügelland zum Erzgebirge. Damit repräsentiert das Gebiet eine Reihe typisch sächsischer Waldstandorte. Mit einer Höhenlage von 250-430 m über NN liegt die Jahresdurchschnittstemperatur bei 7,3°C und die Jahresniederschlagssumme um 830 mm. Die Vielfalt der anstehenden Grundgesteine ist für sächsische Verhältnisse einmalig. Auf engstem Raum finden sich Tonschiefer, Diabase, Phyllite, grauer Gneis, Quarzitporphyr, quarzarmer Porphyr, Rotliegendsedimente, Pläner- und Quadersandstein, Basistone und Basalt. Aus dem Pleistozän ist das Gebiet mit Schleiern von Lößlehm oder Gehängelehm überzogen. Das Spektrum der sich unter diesen Verhältnissen entwickelnden Böden ist weit gefächert. Es reicht von Braunerden mit kräftiger Trophie (Basalt) bis zu Podsolen bei geringer Nährstoffversorgung (Plänersand) sowie von terrestrischen Standorten unterschiedlicher Wasserversorgung bis zu mineralischen Nassstandorten (Pseudogley, Gley) und sogar organischen Nassstandorten mit stellenweiser Moorbildung. Wasserhaushalt und Gründigkeit variieren vor allem sehr stark an den Steilhängen sowie auf den Schluff- und Tonböden.
Klima und Böden ließen in der ursprünglichen Bewaldung die Entwicklung bodensaurer, artenarmer Buchenwälder zu. Innerhalb dieser zonalen Waldgesellschaft sind kleinflächig standortsbedingte Ausprägungen der kollin-submontanen Form des Hainsimsen-Eichen-Buchenwaldes (Luzulo (Querco-) Fagetum) vom Waldmeister-Buchenwald (Galio odorati-Fagetum) bis zum Färberginster-Traubeneichenwald (Genisto tinctoriae-Quercetum) oder vom Eschen-Ahorn-Schluchtwald (Fraxino-Aceretum) bis zum Preiselbeer-Kiefern-Eichenwald (Vaccinio vitis-idaeae-Quercetum) möglich.
Die standorts- und vegetationskundliche Spezifik des Tharandter Waldes bietet günstige Voraussetzungen, um für Lehrzwecke die Beziehungen Naturstandort-Waldwachstum-Waldfunktionen und forstliche Bewirtschaftung darzustellen.
Bis heute werden von den Studenten Waldbau-Übungen mit Belegen und Seminaren zu interessanten Waldbildern absolviert, Exkursionen zu speziellen Themen und Praktika zur Behandlung der Baumarten sowie Auszeichnungsübungen von der Waldbau-Professur im Lehrwald durchgeführt. Seitdem ist eine Reihe von Versuchsflächen und Demonstrationsobjekten für Lehrzwecke entstanden. Viele Diplom-, Master- und Bachelorarbeiten widmen sich waldbaulich relevanten Themen.