Projekt MOOR
Verbundprojekt „Organische Böden“ – Ermittlung und Bereitstellung von Methoden, Aktivitätsdaten und Emissionsfaktoren für die Klimaberichterstattung LULUCF/AFOLU
Zeitraum: Januar 2009 – Juli 2012
Projektziele
1.1 Ziel des Gesamtvorhabens
Ziel des Begleitforschungsprojektes ist es, die fehlenden Grundlagen zu schaffen für die Klimaberichterstattung „organische Böden“ in den Berichtskategorien Landwirtschaft (Sektor 4), sowie Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (Sektor 5). Hierzu zählen vor allem die Ermittlung von Aktivitätsdaten bezüglich der Moorverteilung, Mooreigenschaften, Landnutzung, Management und Hydrologie und Emissionsfaktoren, aber auch die Modifikation, Parametrisierung und Validierung mathematischer Modelle, die Entwicklung und Anwendung neuer Methoden zur Regionalisierung der Ergebnisse und die Quantifizierung von Unsicherheiten in den nationalen Emissionen. Die gewonnenen Daten, entwickelten Methoden und Ergebnisse sollen zuvorderst die regelkonforme Inventarerstellung bezüglich „organischer Böden“ ermöglichen, auf Wunsch des Ministeriums aber auch als Entscheidungshilfe im Hinblick auf Handlungsoptionen und die deutsche Verhandlungsposition im weiteren Klimaschutzprozess dienen.
1.2 Bezug zur Klimaberichterstattung
1.2.1 Ziele und Inhalte der Klimaberichterstattung
Als Unterzeichnerstaat mehrerer internationaler Vereinbarungen zum Klimaschutz hat sich Deutschland verpflichtet, jährlich nationale Emissionsinventare zu Treibhausgasen auf den neuesten Stand zu bringen, zu veröffentlichen und der Vertragsstaatenkonferenz verfügbar zu machen (Klimaberichterstattung). Von der Bundesrepublik Deutschland ratifizierte Rechtsgrundlagen hierfür sind
• das Klimarahmenabkommen (United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC 1992))
• das Kyotoprotokoll (1997), spezifiziert durch die Bonn Agreements (2001) und Marrakesh Accords (2001)
• diverse EU-Entscheidungen (94/69/EG; 93/389/EWG; 1999/296/EG; 1999/468/EG; 2002/358/EG; 1882/2003/EG; 280/2004 EG).
Die Inventarerstellung und Klimaberichterstattung hat nach strikten Vorgaben hinsichtlich ihrer Form, Inhalte und Methoden zu erfolgen (IPCC 1996, 2003, 2006). Eine Berichterstattung, die nicht dem Reglement entspricht, gilt als nicht vollzogen und wird im Falle des Kyotoprotokolls sanktioniert (bis hin zum Ausschluss von der Teilnahme an den Kyotomechanismen). Die Berichterstattung erfolgt für 6 Sektoren (Energie (Sektor 1), Industrielle Prozesse (Sektor 2), Nutzung von Lösungsmitteln und anderen Produkten (Sektor 3), Landwirtschaft (Sektor 4), Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (Sektor 5) (in den Guidelines 2006 wurden Sektor 4 u. 5 zusammengefasst zu Landwirtschaft, Forstwirtschaft und andere Landnutzung: AFOLU), Abfall (Sektor 6). Die durchzuführende Vorstudie „Organische Böden“ ist im Sektor Landwirtschaft (N2O) und LULUCF/AFOLU (CO2 und z.T. N2O und CH4) und Kyotoprotokoll Art. 3.3/3.4) angesiedelt.
Per Staatssekretärsbeschluss vom 05.06.2007 wurde im Grundsatzpapier „Nationales System“ zur Emissionsberichterstattung die Zuständigkeit für die Klimaberichterstattung für die Quell- und Senkengruppen „Landwirtschaft“ und „Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) “ dem BMELV übertragen, welches wiederum das vTI mit der Durchführung der Daueraufgabe „Klimaberichterstattung“ beauftragte. Da Deutschland aufgrund fehlender Aktivitätsdaten und Emissionsfaktoren und Verfahren zur Regionalisierung und zur Bestimmung des anthropogenen Anteils an den Emissionen derzeit nicht in der Lage ist, für diese Sektoren regelgerecht zu berichten, wurden dem vTI Sondermittel zur Durchführung von Vorstudien und Begleitprojekten zur Verfügung gestellt, zur Ermittlung dieser für die Berichterstattung grundlegenden Daten und Entwicklung von detaillierten Methoden zur Quantifizierung der Emissionen. Die Ergebnisse der Vorstudien und Projekte dienen somit primär der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben der Bundesrepublik Deutschland, durch Schaffung der Grundlagen für eine regelgerechte Klimaberichterstattung.
Zugleich sollen die Berechnungen eine Grundlage für die Politikberatung liefern, indem das Klimaschutzpotenzial durch Änderungen in der Moornutzung regional differenziert ausgewiesen wird. Änderungen in der Moornutzung müssen erfasst werden können. Denn nur wenn die Effekte von möglichen Klimaschutzmaßnahmen im nationalen Treibhausgasinventar quantifiziert werden, können die Klimaschutzmaßnahmen international anerkannt werden.
1.2.2 Forschungs- und Entwicklungsbedarf
Nach gegenwärtiger Schätzung emittieren organische Böden ca. 98 % an den CO2-Nettoemissionen aus Böden, obwohl Moore nur ca. 5 % der Fläche Deutschlands bedecken. Das entspricht ca. 2 bis 5 % der nationalen Treibhausgasemissionen. Organische Böden sind damit nicht nur die größte THG-Quelle im Bereich Landwirtschaft, Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (AFOLU), sondern auch die größte außerhalb des Energiesektors. Daher wurden die Emissionen aus den Mooren durch die vom IPCC vorgeschriebenen Verfahren als Hauptquellgruppe (key category) identifiziert (NIR 2007). Emissionen aus Hauptquellgruppen müssen mit national spezifischen Daten und detaillierten Verfahren berechnet werden. Organische Böden stellen derzeit außerdem die größte Unsicherheit im nationalen Treibhausgasinventar dar. Prinzipiell werden bei der Klimaberichterstattung nur anthropogene Emissionen berichtet, d.h. nur der durch Landnutzung, Landnutzungsänderung und Management bedingte Teil der Treibhausgasemissionen, nicht aber Treibhausgasemissionen aus natürlichen Mooren. Derzeit fehlen sowohl belastbare Zahlen für die Emissionen aus genutzten Mooren in Deutschland, als auch Zahlen für die Referenzemissionen aus natürlichen Mooren.
Die Berichterstattung für Hauptquellgruppen gemäß UNFCCC, insbesondere aber auch gemäß Kyotoprotokoll Art. 3.3/3.4, muss laut Reglement erhöhten Anforderungen genügen (IPCC 2003, 2006); d.h. der deutschen Klimaberichterstattung „organische Böden“ müssen mindestens zugrunde liegen:
• Landesspezifische Emissionsfaktoren, ermittelt in Abhängigkeit von Klimaregion, Landnutzung und Management
• Ein vollständiger Satz an Aktivitätsdaten (Bodenfläche, Nutzung, Management und Klimaregion (IPCC 2003, 2006)
Diese Anforderungen kann die deutsche Berichterstattung derzeit nicht annähernd erfüllen, da
• aufgrund der unterschiedlichen Definitionen von organischen Böden bisher nur ein Teil der organischen Böden in die deutsche Emissionsabschätzung einbezogen wurde. In Deutschland werden unter organischen Böden im wesentlichen Moore verstanden (insgesamt 18.098 km2, 13.034 km2 unter landwirtschaftlicher, 2.587 km2 unter forstlicher Nutzung). Im IPCC - Reglement (IPCC 2003, 2006) werden organische Böden in Anlehnung an die Definition der World Reference Base for Soil Resources (WRB (FAO 1998, 2006)) für Histosole bestimmt. Bodengesellschaften, welche Histosole nach WRB, die nach der deutschen Klassifikation aber keine Moore sind (Anmoore, Humusgleye…), in größerem Umfang enthalten können, bedecken in Deutschland eine Fläche von ca. 67.000 km2. Folglich wird bei der deutschen Berichterstattung derzeit ein erheblicher Teil der organischen Böden regelwidrig nicht berücksichtigt. Für diese Böden fehlen sowohl die Typisierung und Flächenausweisung (nach WRB) als auch Emissionsfaktoren.
• die THG - Emissionen aus Mooren unter Wald (ca. 2.600 km2) aufgrund nicht existenter Daten nicht berücksichtigt wurden.
• landesspezifische Emissionsfaktoren in Abhängigkeit von Klimaregion, Typ des organischen Bodens, Hydrologie und Nutzung flächendeckend erst erhoben werden müssen. Werte für CO2 und N2O existieren nur vereinzelt, für CH4 praktisch nicht. Die wenigen vorliegenden Werte wurden auf unterschiedlichen Standorten, auf unterschiedlichste Art, erhoben. Sie sind daher kaum vergleichbar und streuen extrem (z.B. Moor unter Ackernutzung 4 – 16,5 t CO2 – C * ha-1 * a-1; Moor unter Grünland ca. 2 – 8 t CO2 – C * ha-1 * a-1 (z.B. HÖPER 2007, DRÖSLER 2005, BYRNE et al. 2004, HÖPER 2002, AUGUSTIN 2001, MEYER 1999, GENSIOR & ZEITZ 1999, MUNDEL 1976)).
Die vorliegenden Werte wurden nicht in Abhängigkeit von Nutzung und Klima erhoben; vergleichende Untersuchungen sind unvollständig. Werte für „Nicht-Moor-Histosole“ und organische Böden in Wäldern existieren für Deutschland bisher genau so wenig, wie Werte für die THG - Emissionen aus „Flooded Lands “ und aus dem Torfabbau. Diese Daten müssen wissenschaftlich begründet und dokumentiert und in international referierten Zeitschriften publiziert sein.
- flächenbezogene Daten zum Management landwirtschaftlicher Flächen in Deutschland generell nicht erhoben werden. Im Falle von organischen Böden wären Daten zum Wassermanagement, der Intensität der Grünlandnutzung, zur Moorrestaurierung und Düngung von besonderer Bedeutung.
- gut parametrisierte, mathematische Modelle, denen die wesentlichen Prozessparameter und Steuergrößen der THG-Freisetzung zugrunde liegen, fehlen. Für eine transparente und genaue Berichterstattung aus organischen Böden sind solche Modelle unabdingbar. Insbesondere müssen bestehende Modelle für die organischen Böden, die nicht unter die deutsche Definition „Moor“ fallen, in diesem Sinne entwickelt werden. Nur mittels dieser Modelle ist eine regelgerechte, die tatsächlichen Verhältnisse wiedergebende Berichterstattung über Jahre hinaus möglich. Diese Modelle müssen wissenschaftlich begründet und dokumentiert und in international referierten Zeitschriften publiziert sein.
- für die Berichterstattung standortspezifische Emissionsfaktoren, bzw. mithilfe von mathematischen Modellen berechnete jährliche standortspezifische Nettoemissionen, zur Abschätzung der Gesamtemissionen vom Punkt in die Fläche hochskaliert werden müssen. Hierzu bedarf es eines Regionalisierungsverfahrens, bei dem sich aus der Kombination vorhandener Informationen (z.B. Klima, Boden, Nutzung) geeignete Indikatoren für die Extrapolation der Spurengasflüsse in die Fläche ergeben. Ein solches Verfahren existiert bisher nicht, ist aber Voraussetzung für eine vollständige und konsistente Berichterstattung „organische Böden“. Für ein derartiges Vorgehen fehlt bisher die wissenschaftliche Basis. Entsprechende Verfahren müssen entwickelt, wissenschaftlich begründet und dokumentiert und in international referierten Zeitschriften publiziert sein.
Da die Emissionen und die Aktivitätsdaten zu Management und Hydrologie (v.a. typische Wasserstandganglinien) eine hohe zeitliche Dynamik aufweisen, sollten die Regionalisierungsverfahren und Emissionsmodelle eine zeitliche Auflösung haben, die diese Dynamik erfasst (täglich bis monatlich).
Änderung in der Nutzung, Nutzungsintensität und im Management sollten auf nationaler und regionaler Ebene quantifiziert werden.
1.3 Wissenschaftliche Ziele
- Ermittlung und Generierung aller Aktivitätsdaten, Emissionsfaktoren und Verfahren, die für eine vollständige und konsistente Klimaberichterstattung „organische Böden“ gemäß den IPCC-Guidelines 2006 AFOLU/LULUCF bzw. der Art. 3.3 und 3.4 des Kyotoprotokolls erforderlich sind:
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- Georeferenzierte Erfassung von organischen Böden gemäß der Definition in der IPCC Good Practice Guidance, differenziert nach Bodentypen, Bodeneigenschaften, Hydrologie und Nutzung, zur Erstellung eines dynamischen Katasters „organische Böden“ mittels eines GIS, zur Ermittlung von Aktivitätsdaten (Qualifizierung und Quantifizierung) für die Klimaberichterstattung AFOLU/LULUCF.
- Ermittlung landesspezifischer Emissionsfaktoren für CO2-, N2O- und CH4 - Emissionen aus den organischen Böden Deutschlands (gemäß der Definition in der IPCC Good Practice Guidance), in Abhängigkeit von Bodentyp, Klima, Nutzung und Nutzungsintensität.
- Entwicklung bzw. Anpassung, Parametrisierung und Validierung von mathematischen Modellen zur Berechnung der CO2-, N2O- und CH4-Emissionen aus „organischen Böden“ auf Punkt-, Regionen- und nationaler Ebene
- Methodenentwicklung und Ermittlung von Verfahren und Parametern zur flächendeckenden Regionalisierung der Punktdaten zu Aktivitäten: Bodeneigenschaften, Nutzung, Nutzungsintensität und Hydrologie.
- Quantifizierung von Unsicherheiten in den Aktivitätsdaten und Emissionsberechnungsverfahren und der Unsicherheit in den nationalen THG-Emissionen aus organischen Böden
- Entwicklung von Entscheidungshilfen im Hinblick auf Handlungsoptionen und die deutsche Verhandlungsposition im weiteren Klimaschutzprozess, als auch im Hinblick auf Politikberatung zum zukünftigen Umgang mit diesen Flächen (Stichwort: Mitigation).