18.06.2019; Kolloquium
Colloquium: "Steuern als Instrumente der Judenverfolgung und -enteignung im Nationalsozialismus"
Abstract:
Die Finanzverwaltung war neben der Gestapo und SS Hauptakteur bei der Verfolgung und Enteignung der jüdischen Deutschen. Diese bürokratischen Verbrechen und ihre Mechanismen im "Dritten Reich" wurden aber erst in jüngerer Zeit wissenschaftlich untersucht, da die Akten des Reichsfinanzministeriums ebenso wie die regionaler Finanzämter erst kurz vor der Jahr-tausendwende der Forschung zugänglich gemacht wurden. Eine umfassende Analyse der Recht-sprechung des Reichsfinanzhofs, in dessen Tradition sich der heutige Bundesfinanzhof als oberstes Steuergericht lange unkritisch sah, zu jüdischen Steuerpflichtigen erfolgte erst im Jahr 2018.
Aus dem historischen Rückblick ist für die Zukunft zu lernen, dass auch vermeintlich neutrale ökonomische Größen und rechtstechnische Begriffe wie Einkommen, Gewinn, Wohnsitz und Vermögen stets einer ideologischen Interpretation zugänglich sein werden. Es bedurfte nur minimaler Änderungen der weitgehend auch heute noch gültigen Steuergesetze, um die jüdischen Deutschen sukzessive in den sog. „Finanztod“ zu treiben. Ab Herbst 1941 organisierten Finanzämter die vollständige Enteignung der Geflüchteten und Deportierten zugunsten des Deutschen Reichs.