28.01.2022
Die Variabilität der Wellenform von Chlamydomonas Geißeln lässt sich durch Veränderungen der Krümmungssensitivität der Dyneinmotoren erklären
Ein internationales Team von Wissenschaftlern des Instituto Gulbenkian Ciência in Lissabon, der Yale University in New Haven und des B CUBE - Center for Molecular Bioengineering an der Technischen Universität Dresden hat jetzt in der Fachzeitschrift Nature Physics gezeigt, dass die Schlagmuster des Geißelschlages für eine Reihe verschiedener Störungen erheblich variieren, aber alle diese Unterschiede durch Änderungen von nur wenigen Parametern in einem einzigen Modell der Motor Regulation durch lokale Krümmung erklärt werden können.
Bewegliche Geißeln sind ein Verkaufsschlager der Natur. Diese mikroskopisch kleinen, haarähnlichen Zellanhängsel bewegen nicht nur Samenzellen am Anfang des Lebens, sie sind auch an der Festlegung der Körperachse während der Embryonalentwicklung beteiligt oder befreien unsere Atemwege von Schleim und Krankheitserregern, was im Falle einer Fehlfunktion schwerwiegende Folgen für die Gesundheit hat. Die Grünalge Chlamydomonas schwimmt mit zwei Geißeln wie ein Brustschwimmer um günstige Lichtverhältnisse für Ihr Wachstum zu finden. Sie dient als vielseitiges Modell zur Untersuchung des Geißelschlags.
Bewegliche Geißeln schlagen Peitschen-ähnlich mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerkes. Der Schlag ist auf die konzertierte Aktion von Zehntausend Dynein-Motoren zurückzuführen, die über die gesamte Länge der Geißel verteilt sind. Wie diese molekularen Motoren zusammenarbeiten, um komplexe Biegewellenformen zu erzeugen, ist noch unklar. Ein Hindernis für die Forschung auf diesem Gebiet ist, dass Schlagmuster durch verschiedene Modelle des Geißelschlags gleich gut beschrieben werden können. Nur die Auswertung von Störungen des Geißelschlags ermöglicht eine Unterscheidung zwischen alternativen Modellen.
In dieser Studie nutzten die Autoren umweltbedingte und genetische Störungen des Geißelschlags, und untersuchen die Variabilität der Wellenformen in einem In-situ-System, in dem die Geißeln ohne Zellkörper in Gegenwart einer Energiequelle reaktiviert werden. Die Geißeln schlagen unter einer Vielzahl von Störungen weiter, darunter fehlende Motorproteine, erhöhte Temperatur und Verringerung der Energiezufuhr, jedoch mit veränderten Wellenformen. Die Autoren nutzten Dimensionalitätsreduktion, um zwei Schlüsselparameter zu identifizieren, die für 80 % der beobachteten Wellenformvariabilität verantwortlich sind. Anhand eines einfachen mechanochemischen Modells zeigen die Autoren, wie die Formparameter der Wellenform direkt mit den Parametern der Motorkontrolle verknüpft sind, d. h. wie die Aktivität dieser Motoren geometrisch durch die lokale Krümmung der Geißel reguliert wird.
Der Artikel stellt die verschiedenen Ausprägungen der Wellenformen von schlagenden Chlamydomonas Geißeln von und zeigt, dass diese durch die Anpassung der Krümmungssensitivität der Dyneine erzielt werden können. Damit rückt die Untersuchung des Mechanismus der Regulation der Krümmungssensitivität in den Focus der Forschung, von dessen Aufklärung neue Erkenntnisse über die Interaktion von Geißeln mit ihrer komplexen Umgebung erwartet werden.
Originalpublikation:
Geyer, V. F., Howard, J., & Sartori, P.: Ciliary beating patterns map onto a low-dimensional behavioural space. Nature Physics. (Januar 2022)
Link: https://doi.org/10.1038/S41567-021-01446-2