19.07.2019
Literarische Verarbeitung von Herabwürdigungen im Kontext von Migration - Rückblick auf die Lesung von Melania Mazzucco
Im Juni war die renommierte italienische Autorin Melania Mazzucco im Dresdner Kulturpalast zu Gast. Im Fokus des Abends standen die zwei ihrer Texte, die auf verschiedene Art und Weise das Thema Migration behandeln. Während Vita (2003) von Aus-, aber auch Rückwanderungsbewegungen zwischen Süditalien und den USA zu Beginn des 20. Jahrhunderts erzählt, geht es in Io sono con te (2016) um die aktuelle auf Italien gerichtete Fluchtmigration.
Im Gespräch mit Prof. Elisabeth Tiller (SFB 1285 - TP M) wurden die gesellschaftspolitischen Hintergründe des Schreibens der Autorin ausgeleuchtet, um ihr Schaffen im Rahmen einer sozial engagierten Literatur zu verorten. In diesem Zusammenhang führte Melania Mazzucco aus, dass sie vor allen Dingen eine Innenperspektive auf die jeweiligen Migrationsphänomene zur Anschauung bringen wollte. Das ist eine Perspektive, die anderweitig kaum zu finden ist. Und um ein solches Erzählen vom Innern her verwirklichen zu können, ist es unerlässlich gewesen, die Handlungen der Romane aus einem faktualen Kern heraus zu entwickeln. Dementsprechend beruht Vita auf der eigenen Familiengeschichte. Melania Mazzucco erzählt in diesem Roman wie ihr Großvater nach Nordamerika migrierte. Io sono con te ist wiederum im Austausch mit der Anfang 2013 nach Rom geflüchteten Kongolesin Brigitte Zébé Ku Phakua entstanden.
In beiden Büchern spielen dokumentarische Arbeit und literarische Gestaltung zusammen. Die literarische Gestaltung zeigt sich beispielsweise an den Stellen, wo das innere Erleben der Protagonist*innen von Herabwürdigungserfahrungen dargestellt wird. Durch diese eindrückliche Beschreibung ermöglichen die Texte, dass die Aufmerksamkeit und das Nachdenken der Leser*innen auf Einzelschicksale ausgerichtet werden. Dieser Aspekt bleibt in der gesellschaftlichen Debatte zu Emigration respektive Immigration häufig unbeachtet.
Die Veranstaltung wurde vom Italien-Zentrum der TU Dresden in Kooperation mit der städtischen Zentralbibliothek sowie dem Sonderforschungsbereich 1285 „Invektivität“ (SFB 1285) realisiert. Dr. Torsten König (TP M) dolmetschte das Gespräch und die Lektüre aus Vita las die Berit Weingart (TP M) in deutscher Übersetzung vor.