Mar 10, 2016
Louise Otto-Peters – Selbst ist die Frau
Im zweiten Vortragstandem der Reihe „GENDERPARTNERSCHAFFT BRÜCKEN reloaded“ sprach Prof. Susanne Schötz über Frauenemanzipation, Gemeinsinn, Gesellschaftsreform – Louise Otto-Peters und die Anfänge der deutschen Frauenbewegung vor 150 Jahren. Susanne Schötz ist Professorin für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der TU Dresden. Wir sprachen mit ihr über Frauen- und Geschlechterforschung und ihr Interesse an Louise Otto-Peters.
In Ihrem Vortrag haben Sie kurz das Leben und Wirken von Louise Otto Peters (1819-1895) vorgestellt. Warum war Louise Otto Peters so wichtig für die Frauenbewegung?
Das ergibt sich allein schon daraus, dass sie sich mehr als 50 Jahre lang mit der Frauenfrage beschäftigte und die diesbezüglichen Diskurse von ihren Anfängen bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu prägen versuchte. Als junge Frau, sie war gerade 24, trat sie 1843/44 mit einer Artikelserie in den „Sächsischen Vaterlandsblättern“ hervor, in der sie dafür plädierte, dass Frauen das Recht und die Pflicht zukommen, an den Angelegenheiten des Staates teilzuhaben. Diese Artikelserie gilt als publizistischer Beginn der Frauenemanzipationsbewegung in Deutschland. Denn bis dahin sind diese Themen nie grundsätzlich, d.h. nicht bloß mit dem Blick auf einzelne, sich aus Rollenzuschreibungen emanzipierende Frauen, sondern mit dem Blick auf Frauen als diskriminiertes, von politischer Partizipation ausgeschlossenes Geschlecht besprochen und diskutiert worden. Sie hat von da an die sog. Frauenfrage, d.h. die ungleichen, wesentlich schlechteren Rechte und die den Männern nach- und untergeoordnete gesellschaftliche Stellung von Frauen in nahezu jede Debatte eingebracht und ist diesem Thema bis zu ihrem Tod treu geblieben. So trat sie in der Revolution von 1848/49 mit verschiedenen Aktivitäten für Frauen hervor und initiierte 1865 den Allgemeinen Deutschen Frauenverein (ADF). Mit ihm startete die erste gesamt national ausgerichtete feministische Initiative für Deutschland – die bürgerliche Frauenbewegung Deutschlands nahm ihren Anfang.
Sie arbeiten gerade an einem DFG-Projekt zu Louise Otto-Peters. Was untersuchen Sie?
Das Projekt, dessen Durchführung mir die DFG in einem Forschungsfreisemester ermöglichte, hatte den Titel „Louise Ottos frauenemanzipatorische Visionen. Studien zu den Genius-Büchern“. Sein Hauptziel bestand in intensiven, konzentrierten Quellenstudien als grundlegender Vorarbeit für eine Spezialstudie, d.h. eine Monografie, zum Emanzipationsverständnis von Louise Otto-Peters. Die Relevanz dieses Projektes ergibt sich aus der Relevanz des Untersuchungsgegenstandes: Obwohl Louise Otto-Peters die wohl bedeutendste deutsche Feministin des 19. Jahrhunderts war, liegt bis zum heutigen Tag keine Spezialstudie zu ihrem Emanzipationsverständnis bzw. zu ihren frauenemanzipatorischen Visionen vor. Bislang sind weder die Inhalte ihres Emanzipationsprogramms und die Strategien seiner Legitimierung umfassend erforscht worden, noch die von ihr vorgelegten Schriften zur Frauenfrage überhaupt ausreichend zur Kenntnis genommen worden.
Das trifft insbesondere auf die auf sog. Genius-Bücher „Der Genius des Hauses“ (1868), „Der Genius der Menschheit im Dienste der Humanität“ (1870) und „Der Genius der Natur. Harmonien der Natur zu dem Frauenleben der Gegenwart“ (1871) zu. Louise Otto-Peters verfasste sie als Vorsitzende des ADF im ersten Jahrzehnt nach dessen Gründung auf dem Höhepunkt ihres Wirkens in der deutschen Frauenbewegung. Nach einer gegen Ende ihres Lebens vorgenommenen Selbstbewertung stellen sie ihr Essentiellstes zur Frauenfrage dar – ihnen kommt aus ihrer Sicht demnach eine Schlüsselrolle in ihrem frauenemanzipatorischen Werk zu. Diese Bücher standen nun als Gesamtwerk zum ersten Mal im Zentrum einer wissenschaftlichen Analyse.
Einzelziele bestanden u.a. darin, den konkreten Entstehungskontext der Bücher, ihren Zusammenhang, aber auch das jeweils spezifische Anliegen zu untersuchen. Es galt zu klären, womit sich Louise Otto-Peters auseinander setzen wollte und wer ihre Zielgruppe war. Damit sollten zugleich diesbezügliche Unterschiede zur früheren Schrift „Das Recht der Frauen auf Erwerb“ (1866) und zur späteren „Frauenleben im Deutschen Reich“ (1876) ermittelt werden, um den spezifischen Stellenwert der Genius-Bücher im Kontext der wichtigen größeren Schriften von Louise Otto-Peters zur Frauenfrage zu bestimmen. Zu erforschen waren die wesentlichen Inhalte des in den Genius-Büchern dargestellten Emanzipationskonzeptes von Louise Otto-Peters: Was stellte sie als Kern der sog. Frauenfrage in den Genius-Büchern dar? Welches Konzept von Weiblichkeit entfaltete sie hier? Wie stellte sie das anzustrebende neue Verhältnis der Geschlechter dar und auf welche Weise sollte es erreicht werden? Dabei galt es, die emanzipatorischen Vorstellungen Louise Ottos vor dem Hintergrund der existierenden Geschlechterordnung und des dominierenden Geschlechterdenkens zu bewerten. Wo knüpfte sie zur Legitimierung bzw. Transzendierung frauenemanzipatorischer Forderungen an, wo verwarf oder modifizierte sie? Was macht ihre spezifische Rezeptions- und Konstruktionsleistung aus? Besonderes Interesse galt dabei der Frage, worauf sie fokussierte, wenn sie die Idee der Gleichwertigkeit trotz Andersartigkeit von Mann und Frau entwickelt – eine Idee, die keinesfalls im herrschenden Geschlechterdiskurs gegeben war. Schließlich sollten neben den emanzipatorischen Inhalten auch die Formen der medialen Präsentation analysiert und interpretiert und die zeitgenössische Rezeption untersucht werden.
Insgesamt zielten meine Quellenstudien zu den Genius-Büchern auf Grundlagenforschung ab. Mit der noch folgenden Monografie werde ich einen wissenschaftlichen Beitrag zur Geschichte des feministischen Denkens in Deutschland, zur Geschichte der ersten deutschen Frauenbewegung und zur Louise-Otto-Peters-Forschung zu leisten. Erst die präzise Kenntnis des Emanzipationsprogramms von Louise Otto-Peters kann es darüber hinaus ermöglichen, ihre Position innerhalb der Geschichte des Feminismus, der ein weltweites Phänomen ist, näher zu bestimmen, sie demnach international einzuordnen.
Gibt es schon erste Ergebnisse?
Ja, die ersten Ergebnisse habe ich im Oktober 2015 in Leipzig auf der Internationalen Wissenschaftlichen Tagung „Frauen in der Geschichte Leipzigs – 150 Jahre allgemeiner Deutscher Frauenverein“ vorgestellt. Es handelte sich um Überlegungen zum spezifischen Anliegen und Charakter sowie zum Stellenwert der Genius-Bücher im Kontext der größeren Schriften Louise Ottos zur Frauenfrage. Dabei bin ich auch auf ihr Emanzipationsprogramm und die von ihr gewählten Formen seiner Repräsentation, die stark an der Zielgruppe orientiert waren, eingegangen. Das wird demnächst im Tagungsband nachlesbar sein.
An dieser Stelle nur soviel: Die Schriften „Das Recht der Frauen auf Erwerb“ (1866), die Genius-Bücher (1868, 1870, 1871) und „Frauenleben im Deutschen Reich“ (1876) stehen in engem Zusammenhang. Auch wenn sich einzelne Inhalte wiederholen, verfolgen sie spezifische, aber stark auf einander zugeschriebene, sich ergänzende, Anliegen. Während die Schrift „Das Recht der Frauen auf Erwerb“ kurz nach der Gründung des ADF geschrieben worden war und dessen Ziele einer größeren Öffentlichkeit bekannt machen sollte, um dem Verein neue Mitglieder zu gewinnen, reagierten die Genius-Bücher bereits auf Kritik der Gegner des ADF. Es ging Louise Otto-Peters in ihnen um eine ausführlichere, argumentativ noch stärker unterlegte Behauptung der eigenen Positionen in der Frauenfrage. Vor allem ihre Position, dass die menschliche Bestimmung der Frau, in freier Selbstbestimmung die eigenen Kräfte im Dienste der Menschheit zu entfalten, über ihrer natürlichen Bestimmung zur Mutterschaft stehe, wird auf vielfältigste Weise legitimiert. Die Reihe „Deutsche Frauenwelt. Bibliothek ausgewählter Originalwerke zur Bildung, Belehrung und Unterhaltung“ beim renommierten Verlag von Adolf Hartleben in Pest/Wien/Leipzig, in der die Genius-Bücher erschienen, bot ihr dazu im wahrsten Sinne des Wortes Gelegenheit zur Popularisierung ihres Emanzipationsprogramms.
Das Buch „Frauenleben im Deutschen Reich“ von 1876 behandelt dann schwerpunktmäßig den enormen Wandel in der Stellung und Situation von Frauen mit der Auflösung der Produktionsfamilie infolge des technischen Fortschritts während der Industrialisierung. Es bietet zusätzlich im Abschnitt „Zukunftshoffnungen“ eine komplexe Darstellung ihrer frauenemanzipatorischen und gesellschaftspolitischen Vision. Es handelt sich dabei um eine sehr prägnante und aktualisierte Zusammenfassung von grundsätzlichen Auffassungen, die sie schrittweise und z. T. sehr ausführlich bereits im „Recht der Frauen auf Erwerb“ und in den Genius-Büchern dargelegt und legitimiert hatte. Was neu hinzutritt, ist eine schonungslose Auseinandersetzung mit dem Staat der Gegenwart und eine Vision von den politischen Partizipationsrechten von Frauen und vom friedlichen Zusammenleben der Völker in der Zukunft.
Und würden Sie ihr jetzt zustimmen, dass die Genius-Bücher, das Beste ist was Louise Otto Peters geschrieben hat?
Ich würde im Moment sagen, es ist das Ausführlichste, was sie geschrieben hat, hier entfaltete sie ihre Geschlechteranthropologie am breitesten. Sie befasste sich mit den unterschiedlichsten Themen im Hinblick auf die herrschenden Geschlechtervorstellungen. Die Bücher sind dabei Genremischungen. Jedes Kapitel wird z. B. mit einem Gedicht eingeleitet, was für uns heute eher ungewöhnlich ist, dann aber folgen Darstellungen brillanter Sozialrecherche und mutiger Sozialkritik. Die Bücher geben so recht detailliert ihren feministischen Blick auf die Geschlechterverhältnisse um 1870 wider. Persönlich finde ich allerdings ihr Kapitel „Zukunftshoffnungen“ im Buch „Frauenleben im Deutschen Reich“ am großartigsten. Sie fasst hier kurz und prägnant ihre Emanzipationsvisionen zusammen. Dieser Text stellt aus meiner Sicht das politische Testament von Louise Otto-Peters dar – erstaunlicherweise hat er bislang so gut wie keine Beachtung gefunden.
Was können wir von den Frauen, wie Louise Otto Peters, aus der damaligen Zeit lernen?
Die Frauen zur damaligen Zeit lebten in einer ganz anderen Welt, in einer Welt, in der sie kaum Rechte besaßen. Für sie war es erst einmal wichtig, diese Rechte zu erringen. Als Louise Otto 1895 starb, war davon fast noch nichts erreicht – sie hatte sich aber mehr als 50 Jahre lang dafür eingesetzt! Überall erlebte sie nur die Anfänge: Frauen begannen, sich in Vereinen gemeinsam und solidarisch miteinander für ihre Rechte einzusetzen. Sie richteten auf kommunaler Ebene Sonntags- und Abendschulen ein, um unbemittelten Mädchen und Frauen Bildung zu ermöglichen und traten als Vorsteherinnen der sog. Höheren Töchterschulen für bürgerliche Mädchen hervor. Sie gründeten Kindergärten und bildeten Kindergärtnerinnen aus, sie schufen Haushaltsschulen, eröffneten Speiseanstalten für Frauen mit Kochinstituten, initiierten Mädchenhorte und vieles andere mehr. Dennoch war bis zum Tod von Louise Otto-Peters für Mädchen weder ein reguläres Abitur, noch die reguläre Aufnahme eines Universitätsstudiums möglich. Damit blieben Frauen akademische Berufe grundsätzlich versperrt. Und auch wenn sich für sie eine Vielzahl von Tätigkeitsbereichen und Berufen im letzten Drittel des 19. Jh. öffnete, erzielten sie doch nahezu nirgendwo die gleichen Löhne und Einkommen wie die Männer. Frauen besaßen zudem bis 1918 kein Wahlrecht. Sie blieben auch nach Einführung des BGB im Jahre 1900 als verheiratete Frauen weiterhin dem Ehemann als Familienoberhaupt unterstellt. Und auch als Mütter waren sie noch jahrzehntelang nicht gleichberechtigt.
Von Louise Otto-Peters kann man insofern lernen, einen langen Atem zu haben, zäh zu sein, nicht nachzulassen, auch wenn sich scheinbar nichts oder nur sehr wenig ändert. Und man kann von ihr lernen, dass sich nur etwas ändert, wenn man es selbst beginnt. Selbsthilfe und Selbständigkeit, individuell und kollektiv, das waren die sie leitenden, und, wie ich finde, noch immer aktuellen Prinzipien für ein sinnvolles und gutes Leben.
Wie ist eigentlich Ihr Interesse an Louise Otto-Peters entstanden?
Es ist ein Thema, das ich ursprünglich nicht im Blick hatte, das mir zugewachsen ist. Ich komme ja von der Wirtschafts- und Sozialgeschichte und habe mich für sozialen Wandel, die Organisation von Wirtschaft und die Geschichte der Arbeit interessiert. 1994 bin ich eher zufällig Mitglied in der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft e. V. in Leipzig geworden. Über die Jahre wuchs ich dann sozusagen „nebenbei“ in die spannenden Themen der Gesellschaft hinein – auch weil meine Expertise als Historikerin willkommen und gefragt war. So haben mich Johanna Ludwig, die Initiatorin und langjährige Vorsitzende der Gesellschaft, und Dr. Irina Hundt, zwei enthusiastische Biografinnen von Louise Otto-Peters, gleichsam „gekapert“ und zu eigenen Forschungen inspiriert. Schließlich war ich Stellvertretende Vorsitzende, dann einige Jahre lang Vorsitzende der Gesellschaft. Dabei wurde mir bewusst, wieviel es noch zum Leben und Werk von Louise Otto-Peters wie überhaupt zu den Pionierinnen der ersten deutschen Frauenbewegung zu erforschen gibt. Diese Untersuchungen nicht nur ehrenamtlich zu betreiben, sondern zum stärkeren Bestandteil universitärer Forschung zu machen, ist mein Anliegen. Nicht zuletzt aus gesellschaftspolitischen Gründen: Hier lässt sich exemplarisch studieren, wie, gegen welche Vorurteile, Ausgrenzungen und Behinderungen, und auf welch wechselvollen Wegen Menschenrechte auch für Frauen in den letzten 150 Jahren in Deutschland durchgesetzt wurden. Es geht – und da sind wir bei einem ganz aktuellen Thema – um die historische Erforschung von Praktiken und Politiken von Exklusion und Integration.
Wie sind Sie zur Frauen- und Geschlechterforschung gekommen?
Nun – eine Antwort habe ich gerade schon gegeben. Eine andere Antwort liegt in meinem Fach, der Wirtschafts- und Sozialgeschichte begründet. Schon in meiner Dissertation, die sich mit der Konstituierung städtischer Mittelschichten während der Industrialisierung befasste und eine sozialgeschichtliche Studie zur Klassenbildung im 19. Jh. war, fiel mir die unterschiedliche Teilhabe von Frauen an diesen Prozessen auf. Ich habe das damals, in der ersten Hälfte der 1980-er Jahre, festgestellt, weil ich sorgfältig recherchierte – aber ich habe es kaum einzuordnen und diskutieren gewusst.
Die Frauen- und Geschlechtergeschichte war insgesamt noch in ihren Anfängen und in der DDR, wo ich meine wissenschaftliche Ausbildung erhielt, ohnehin der marxistischen Klassenanalyse nachgeordnet. Und hier hatte gerade Hartmut Zwahr, mein Doktorvater, mit seinen empirischen Studien zur Klassengenese Innovatives, auch in der Bundesrepublik z. T. stark Beachtetes, in die Forschung eingebracht. So war eine Forschungssituation entstanden, wo endlich die Sozialgeschichte stärkere Aufmerksamkeit fand und ein gewisses Interesse an einer neuen Art von Klassenanalyse und Klassentheorie herrschte. Gleichzeitig erreichten uns, ich meine mit uns den Leipziger Sozialgeschichtlichen Arbeitskreis, die ersten Kenntnisse über größere Studien zur Frauen- und Geschlechtergeschichte in Westdeutschland. Es war nämlich so, dass auf den Arbeitskreistagungen immer auch neue, und falls erreichbar, auch westliche Publikationen vorgestellt wurden. So z. B. durch Sigrid Jacobeit das Buch von Carola Lipp „Schimpfende Weiber und patriotische Jungfrauen“ über Frauen in der Revolution von 1848/49 vor. Ich habe mir dieses Buch dann von einer alten Freundin meiner Mutter, die in der Bundesrepublik lebte und uns manchmal besuchte, gewünscht. Nun, insgesamt öffnete und bewegte sich die sozialgeschichtlich orientierte Forschung in der DDR in den 1980-er Jahren. Ich selbst begann noch als wissenschaftliche Assistentin an der Universität Leipzig Diplomarbeiten zu werktätigen Frauengruppen in Leipzig zu betreuen, so den Strickerinnen und Näherinnen im 19. Jh. Freilich fehlten mir damals noch vertiefte geschichtswissenschaftliche Kenntnisse und vor allem das theoretische Instrumentarium.
Nach der deutschen Wiedervereinigung änderte sich dann die gesamte Ausrichtung der Geschichtswissenschaft in den neuen Bundesländern stark. Was die Frauen- und Geschlechtergeschichte betrifft, so wurde es nun problemlos möglich, die entsprechende Literatur zu rezipieren. Schon bald wurde ich Mitglied im Arbeitskreis für Historische Frauen- und Geschlechterforschung der Bundesrepublik. Ich hatte das Glück auf seinen und auf anderen Tagungen sehr renommierte Historikerinnen mit dem Schwerpunkt in der Frauen- und Geschlechtergeschichte kennenzulernen, die so etwas wie Vorbilder für mich wurden. Über die Beteiligung an einem Publikationsprojekt von Ute Gerhard zu Frauen in der Geschichte des Rechts bin ich dann zu meinem Habilitationsthema gekommen, der Geschichte von Arbeit und Geschlecht am Beispiel von Leipziger Handelsfrauen zw. ca. 1500 und 1900. Und dieses grundsätzliche Thema, das Wirtschaften mit der Geschlechterordnung bzw. die Geschlechterhierarchie der Arbeitsteilung in der Geschichte (das sind Begrifflichkeiten bzw. Konzepte von Karin Hausen) beschäftigt mich bis heute stark, wenngleich es neben der Geschlechterdimension weitere Dimensionen sozialer Ungleichheit gibt, die Arbeitsverhältnisse zu Herrschaftsverhältnissen machen. Es gilt deshalb in der aktuellen wissenschaftlichen Forschung, sich noch stärker der Intersektionalität, d.h. den Verschränkungen von Ungleichheiten, zuzuwenden.