Nov 12, 2019
Neue Blickwinkel als Dozentin der Straßenschule
Die Straßenschule der Treberhilfe Dresden e.V. wurde 2014 ins Leben gerufen und richtet sich in der Regel an 18- bis 27-Jährige in schwierigen Lebenssituationen, die auf dem ersten Bildungsweg keinen Schulabschluss erlangen konnten. Zehn Honorardozenten und sieben ehrenamtliche Lernbegleiter unterstützen zurzeit die Straßenschule. Eine dieser Honorardozenten ist seit Oktober 2018 Klara Kothe. Sie studiert Internationale Beziehungen an der Technischen Universität Dresden im 3. Semester. "Ich habe mich schon in meiner Heimatstadt Hamburg ehrenamtlich bei der Hausaufgabenbetreuung engagiert. Hier in Dresden habe ich Beate Rohde, die didaktische Koordinatorin der Straßenschule kennengelernt. Sie hat mir von diesem Projekt erzählt und mich gefragt, ob ich Lust hätte, als Honorardozentin dabei zu sein", erzählt die 20-Jährige. Einmal in der Woche unterrichtete sie im vergangenen Schuljahr zwei Stunden an der Straßenschule (Königsbrücker Straße 4) Biologie. Im Hinblick auf ihr Studienfach ist das vielleicht etwas überraschend. "Ich hatte Biologie-Leistungskurs am Gymnasium. Meine Schulzeit ist ja noch nicht so lange her. Da waren die Unterrichtsinhalte noch recht präsent", erklärt sie. Nach einer Hospitationsstunde wurde sie ins kalte Wasser geworfen. Teilweise konnte sie auf Unterlagen anderer Dozenten zurückgreifen, sie schaute sich aber auch intensiv die Prüfungsschwerpunkte vergangener Jahre an.
"Anfangs hatte ich ziemlichen Respekt vor dieser Aufgabe. Ich war unsicher, wie die Schüler auf mich reagieren würden", erzählt sie. Auch gewisse Vorurteile gegenüber diesen Menschen mit ihren Lebensläufen räumt sie ein. Doch schnell stellte sie fest: "Es hat sich vieles auf Augenhöhe abgespielt. Vielleicht spielte dabei auch eine Rolle, dass wir in einem ähnlichen Alter sind. Für mich hat es sich eher wie ein Tutorium angefühlt, dass ich gebe. Ich habe nicht nur Lerninhalte vermittelt, sondern konnte auch Lernstrategien aus eigener Erfahrung weitergeben. Gleichzeitig habe ich auch viel von den Schülern gelernt." Aufgrund der Begegnungen mit diesen jungen Erwachsenen ist ihr nochmal bewusstgeworden, was für ein privilegiertes Leben sie eigentlich führt und dabei auf die volle Unterstützung ihrer Eltern zählen kann. "Das weckt in mir erst recht den Wunsch, etwas zu bewegen und andere Menschen dabei zu unterstützen, sich wieder eine Lebensgrundlage zu schaffen." Die Schüler der Straßenschule hat sie als sehr motiviert wahrgenommen, auch wenn der eine oder andere ab und zu auf den Unterricht verzichtet hat oder eher gegangen ist. "Die Schüler waren sehr dankbar für den Unterricht und haben das oft am Ende der Stunde direkt geäußert", so Klara Kothe. Aus dem vergangenen Schuljahr an der Straßenschule hat sie viele wertvolle Erfahrungen mitgenommen und sieht diese jungen Menschen nun mit anderen Augen. "Es hat großen Spaß gemacht", so ihr Fazit. Wenn es ihr Studienplan im Wintersemester zulässt, ist sie gern wieder mit dabei. Welches Fach sie dann unterrichtet ist ihr fast egal. "Biologie ist ok. Aber auch Gesellschaftswissenschaften wären nicht schlecht. Das hätte dann etwas mehr mit meinem Studienfach zu tun", sagt sie. Seit Mitte August reiste sie für sechs Wochen durch Russland, um Land und Leute kennenzulernen, aber auch um einen Russischsprachkurs in Sankt Petersburg zu belegen. Beruflich kann sie sich mit ihrem Studienfach vieles vorstellen, unter anderem auch für einen gewissen Lebensabschnitt bei Nichtregierungsorganisationen im Ausland zu arbeiten.
In den letzten fünf Jahren haben rund 50 Teilnehmer der Straßenschule ihren Schulabschluss durch eine Schulfremdenprüfung nachgeholt, sowohl den Hauptschulabschluss, den qualifizierten Hauptschulabschluss und der Realschulabschluss. Die Straßenschule wurde in den Anfangsjahren durch die Aktion Mensch und durch eine Aktion der Wirtschaftsjunioren gefördert sowie im vergangenen Schuljahr durch eine innovative Förderung des Sozialamtes der Landeshauptstadt Dresden ermöglicht. Inzwischen ist die Finanzierung der Straßenschule bis 2020 gesichert. Die Straßenschule wird als "arbeitsweltbezogene Jugendsozialarbeit" vom Jugendamt der Stadt Dresden gefördert.
Wer sich in diesem Projekt engagieren möchte, wendet sich an die Straßenschule (Tel.: 321 494-40). Auch Spenden aller Art, wie Schulbücher, Tische, Stühle oder Technik sind willkommen. Weitere Informationen: https://www.treberhilfe-dresden.de/strassenschule-dresden/
Dieser Artikel wurde von Claudia Trache verfasst und ist im Dresdner Universitätsjournal 16/2019 vom 15. Oktober 2019 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei doreen.liesch@tu-dresden.de bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.