May 12, 2015
Große Fragen – Große Vorträge: Politik und Kultur in Zeiten der Ungewissheit
Unsere Gegenwart ist von tiefgreifenden Verunsicherungen geprägt. Gesichert geglaubte Weltbilder, Wertvorstellungen und tradierte Wissensordnungen wurden erschüttert und die Euphorie der Jahre 1989/90 ist verflogen. Das gilt für den vermeintlichen Siegeszug der Demokratie ebenso wie für die bisherige Selbstwahrnehmung des „Westens“ als Impulsgeber für Fortschritt und Entwicklung. Hinzu kommen geopolitische Krisen, die das Empfinden von unkontrollierbaren Veränderungen verstärken.
Die Ringvorlesung „Politik und Kultur in Zeiten der Ungewissheit“ lädt führende Wissenschaftler und Intellektuelle ein, zu den großen Fragen unserer Zeit Stellung zu beziehen und – wo möglich – neue Wege zum Umgang mit Ungewissheit aufzuzeigen. Sie ist ein gemeinsames Projekt der TU Dresden (Bereich Geistes- und Sozialwissenschaften), des Deutschen Hygiene-Museums Dresden, des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr, der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden und der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden im Rahmen von DRESDEN-concept – Kultur und Wissen. Das Projekt steht dabei für das Bestreben, als Institutionen von Kultur und Wissen in Dresden den Raum für einen weltoffenen, internationalen Diskurs zu schaffen.
Zwischen dem 19. Mai und dem 7. Juli 2015 sind in der Schlosskapelle des Residenzschlosses, in den Räumen des Deutschen Hygiene-Museums und des Militärhistorischen Museums fünf Vortragsabende geplant:
19.05.2015, 19.00 Uhr
Stefan Weidner: „Der Westen und seine Feinde – gibt es doch einen Kampf der Kulturen?“
Der Islam dient einerseits als Projektionsfläche für westliche Ängste, andererseits gibt es viele Muslime, die den Westen als Feind und kulturellen Widersacher sehen. Stefan Weidner geht in seinem Vortrag der Frage nach, wie die sich spiegelnden Feindbilder zustandekommen und wie man ihnen entgegentreten kann, ohne weltanschauliche und kulturelle Differenzen zu leugnen.
Staatliche Kunstsammlungen Dresden; Residenzschloss, Schlosskapelle; Taschenberg 2, 01067 Dresden
09.06.2015, 19.00 Uhr
Bernhard Pörksen: „Die Empörungsgesellschaft. Die neue Macht der vernetzten Vielen.“
Im digitalen Zeitalter sind die vernetzten Vielen zur publizistischen Macht geworden. Sie verändern die Agenda und das Tempo des klassischen Journalismus, veröffentlichen auf Blogs, Wikis, in sozialen Netzwerken, werden als Medienkritiker und Meinungskorrektiv aktiv, bilden Protestgemeinschaften, stürzen Politiker, bringen Unternehmen in Bedrängnis und erschaffen kluge Gegenöffentlichkeiten. Und sie finden sich zum grausamen Mobbingspektakel zusammen. Unter den neuen Kommunikationsbedingungen ist alles sichtbar – die kleingeistige Attacke, aber auch die großartige Enthüllung, das berührende Engagement, der verschwörungstheoretische Wahn. Und doch bleibt die Frage: Wie können sich die vernetzten Vielen – ohne institutionelle Anbindung – gleichsam selbst zivilisieren? Auf welche Weise verhindert man, dass ideologische Parallelrealitäten entstehen, die einer offenen Gesellschaft gefährlich werden können? Und wie bleibt, in einer Zeit radikal individualisierter Nischenöffentlichkeiten, die Agenda der Allgemeinheit als Fixpunkt öffentlicher Debatten gewahrt?
Staatliche Kunstsammlungen Dresden; Residenzschloss, Schlosskapelle; Taschenberg 2, 01067 Dresden
15.06.2015, 19.30 Uhr
Pankaj Mishra: „Europa und der Zusammenbruch von Gewissheiten – eine kritische Perspektive aus dem Osten“ (Vortrag in englischer Sprache mit Simultanübersetzung)
Wer ist in einer globalisierten Welt Impulsgeber für Fortschritt und Entwicklung? Wurde der „Westen“ auch über lange Zeit als treibende Kraft einer internationalen Modernisierung gesehen – heute ist diese Rolle fragwürdig geworden. Mit seinem international vielbeachteten Buch „Aus den Ruinen des Empires“ hat Pankaj Mishra der europäischen Sicht auf die Entwicklung der Moderne eine starke asiatische Perspektive entgegengestellt. Was kann Europa heute daraus lernen? Der in Nordindien geborene Pankaj Mishra gehört zu den großen Intellektuellen des modernen Asien. Für „Aus den Ruinen des Empires. Die Revolte gegen den Westen und der Wiederaufstieg Asiens“ wurde er 2014 mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung ausgezeichnet.
Militärhistorisches Museum, Erdgeschoss Libeskindkeil; Olbrichtplatz 2, 01099 Dresden
30.06.2015, 19.00 Uhr
Carlo Strenger: „Das Eigentor der westlichen Kultur – Rede zur Verteidigung unserer Freiheit“
Die politische Euphorie von 1989 ist verklungen, das Ende der Geschichte nicht eingetreten. Doch nicht allein der Mauerfall wirft lange Schatten: 26 Jahre nach der Fatwa gegen Salman Rushdie stellt uns der Anschlag auf das Satiremagazin Charlie Hebdo einmal mehr vor die Frage, wie der Westen selbstbewusst für seine Werte eintreten kann – ob nun gegen Fundamentalisten, Populisten oder die antiwestliche Rhetorik eines Wladimir Putin. Während viele Linke und Liberale durch die Logik der politischen Korrektheit gleichsam gelähmt erscheinen, schwingen sich Figuren wie Marine le Pen und Bewegungen wie Pegida zu Verteidigern des Abendlandes auf. In dieser Situation appelliert Carlo Strenger an die gemäßigten politischen Kräfte, die Verteidigung der Freiheit nicht der politischen Rechten zu überlassen und schlägt statt politischer Korrektheit eine Haltung der zivilisierten Verachtung vor. Damit stellt er das aufklärerische Prinzip der Toleranz wieder vom Kopf auf die Füße.
Deutsches Hygiene-Museum Dresden, Marta-Fraenkel-Saal; Lingnerplatz 1, 01069 Dresden
07.07.2015, 19.00 Uhr
Volker Perthes: „Globalisierung und Geopolitik: Die neue (Un-)Ordnung der Welt“
In der heutigen, globalisierten Welt sind alle Akteure stärker miteinander vernetzt als noch im 20. Jahrhundert. Die Kräfteverhältnisse zwischen den großen Staaten verschieben sich, aber die Staaten sind nicht mehr die einzigen relevanten Akteure in der internationalen Politik. All dies findet vor dem Hintergrund geopolitischer Ungewissheit statt: Durch den russisch-ukrainischen Konflikt sind Grundfesten der europäischen Friedensordnung ins Wanken geraten. Im Nahen und Mittleren Osten scheint die bestehende Staatenordnung sich aufzulösen. In Asien verbindet sich der parallele Aufstieg von zwei potentiell konkurrierenden Mächten, China und Indien, mit der Frage, wie sich eine zukünftige Machtbalance zwischen China und den USA gestalten wird.
Staatliche Kunstsammlungen Dresden; Residenzschloss, Schlosskapelle; Taschenberg 2, 01067 Dresden
Der Eintritt zu den Veranstaltungen ist kostenfrei.
#WOD – Initiative Weltoffenes Dresden
Die Ringvorlesung wird durch den Bereich Sozial- und Geisteswissenschaften aus Mitteln des Zukunftskonzepts der TU Dresden gefördert.
Weitere Informationen und das gesamte Programm gibt es unter www.ringvorlesungdresden.wordpress.com und im Flyer.