Sep 12, 2022
Prof. Dr. Sebastian Schorcht, neuer Professor für Grundschulpädagogik/Mathematik am Institut für Erziehungswissenschaft
Prof. Dr. Sebastian Schorcht studierte an der Universität Siegen und der Technischen Universität Dortmund zwischen 2005 und 2010 Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen für die Fächer Mathematik, Deutsch und Gesellschaftswissenschaften. Von 2010 bis 2015 forschte und lehrte er an der Justus-Liebig-Universität Gießen innerhalb der Schulbuchforschung, der Mathematikgeschichte im Unterricht und der Förderung mathematisch begabter Schülerinnen und Schüler im Bereich mathematischen Problemlösens. Seit 2012 bietet er Kurse für Schülerinnen und Schüler an, die besondere Freude am Lösen mathematischer Probleme haben. Zudem engagierte er sich in der Nachwuchsvertretung der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik und war im wissenschaftlichen Beirat der Online-Enzyklopädie Madipedia tätig. In den Jahren 2015 bis 2017 sammelte er Praxiserfahrungen an der Grundschule Kopernikusstraße in Köln und übernahm dort eine Klassenführung, bevor er als Studienrat im Hochschuldienst an die Justus-Liebig-Universität Gießen zurückkehrte. In den Jahren 2020 und 2021 vertrat Prof. Dr. Schorcht den Lehrstuhl für Mathematik und ihre Didaktik an der Universität des Saarlandes und übernahm 2022 die Professur für Grundschulpädagogik/Mathematik an der Technischen Universität Dresden.
Wo liegen Ihre Forschungsschwerpunkte und Forschungsinteressen?
Innerhalb mathematikdidaktischer Forschung interessieren mich unterschiedliche Themengebiete. Auf der einen Seite brenne ich für die historische Dimension der Mathematik, weil sie den Wandel einer so oft als „starr“ interpretierten Mathematik zeigt. Mathematik besteht eben nicht nur aus Regeln und deren Anwendungen, sondern im Besonderen auch aus kreativem Problemlösen, dem Ringen und Kämpfen um mathematische Begriffe und den Möglichkeitsspielräumen der jeweiligen Zeiten. Besonders die frühen Anfänge der Antike und des frühen Mittelalters sind spannende Impulsgeber für die Entwicklung der Mathematik und zudem auch themengebend im Mathematikunterricht der Grundschule – für mich als Grundschulpädagoge sind diese Themen deshalb von besonderem Interesse. Mathematikhistorische Artefakte zeigen ganz unterschiedliche Verwendungsweisen mathematischer Darstellungen, weswegen sie automatisch zum zweiten Forschungsinteresse führen: Mathematische Darstellungen und deren Verwendungen im Prozess mathematischen Lehrens und Lernens.
Operationen mit mathematischen Darstellungen sind eine genuin mathematische Tätigkeit. Jegliches mathematische Handeln gründet auf mathematischen Operationen mit Darstellungen, sei es das Zählen mit Fingern oder das Lösen eines Gleichungssystems. Es werden Strukturen erkannt, deren Beziehungen mathematisch übersetzt und für Operationen verwendet. Das Spiel mit diesen mathematischen Darstellungen – also die Umformungen in Darstellungen, die die gleiche, äquivalente Aussage treffen – kann Strukturen aufdecken, die vorab nicht sichtbar waren. Dies führt zu neuen mathematischen Erkenntnissen und dem damit meist einhergehenden Aha-Effekt. Ein Ziel meiner Arbeit ist es, diese Erkenntnisprozesse bei Schülerinnen und Schülern zu identifizieren und zu beschreiben, um Lehrerinnen und Lehrer zur Förderung dieser Erkenntnisprozesse zu befähigen und damit die Freude an mathematischen Entdeckungen in den Unterricht zu bringen.
Durch den digitalen Wandel entstehen zudem immer neue Möglichkeiten für mathematische Darstellungen und deren Interpretationen. Welche digitalen Darstellungen Schülerinnen und Schüler im Prozess mathematischen Lernens unterstützen und welche besonderen Herausforderungen sich dabei stellen, ist eines meiner weiteren Forschungsfelder. Hierbei kann auch der Blick auf vergangene Verwendungen von Darstellungen hilfreich sein, um mehrere Möglichkeiten mathematischer Darstellungen auszuloten und für das digitale Klassenzimmer der Zukunft aufzubereiten.
Was war Ihr interessantestes bzw. spannendstes Forschungsprojekt?
Im Projekt „MatheKLIPS“ konnten wir in Kooperation mit der Goethe-Universität Frankfurt Impulsvideos erstellen, die nicht nur mathematische Sachverhalte erklären, sondern vielmehr zum kreativen Umgang mit Mathematik anregen. Dieses Feld war sehr spannend, weil hier neue Designprinzipien zur Entwicklung von Impulsvideos erprobt werden mussten. Es handelt sich dabei um ein faszinierendes Unterfangen, digitale Darstellungen der Mathematik so aufzubereiten, dass sie die Lösung nicht vorgeben, sondern die Lernenden zum Ausprobieren und Entdecken anregen.
An welchem Projekt arbeiten Sie aktuell?
Aktuell arbeitet mein Team an einer Lernumgebung im Bereich Kombinatorik, die unterschiedliche Darstellungsweisen kombinatorischer Probleme in den Blick nimmt. Für das Projekt „Mathe für Cracks Dresden“ entsteht so für begabte Schülerinnen und Schüler der 3. bis 5. Klasse ein Aufgabensetting, welches gleichzeitig als Forschungsumgebung die Darstellungsprozesse der Lernenden fokussiert. Welche Darstellungen sind für welche Lösungsmöglichkeit kombinatorischer Problemlöseaufgaben hilfreich und welche weniger? Welche Vorteile bieten Darstellungen wie Baumdiagramme gegenüber Tabellen, und können diese bei bestimmten Lösungen hilfreich sein oder bereiten sie eher Hindernisse?
Was darf auf Ihrem Schreibtisch auf keinen Fall fehlen?
Mein digitaler Terminkalender. In ihm sind alle Termine und terminierte To-dos gespeichert, um den Überblick zu behalten.
Haben Sie ein Lieblingszitat? Wenn ja, welches und von wem ist es?
„Von der Lösung keine Spur, zeichne eine Planfigur“ – Dieses Zitat stammt aus meiner Studienzeit. Meine damalige Übungsleiterin, Gabriele Wickel, verwendete es bei fast jeder Aufgabe und legte damit schon den Grundstein für mein späteres Forschungsinteresse.
Welchen Film haben Sie als letztes gesehen?
Luca (Disney)
Weitere Infos über Sie gibt es auf: https://tu-dresden.de/gsw/ew/iew/gspm