30.08.2019
Topographie der Shoa in Breslau 1933-1949
Breslau war und ist ein Schmelztiegel unterschiedlichster Einflüsse. Im Laufe der Jahrhunderte wuchs die Stadt unter dem Einfluss polnischer, habsburgischer, böhmischer, preußischer und deutscher Herrschaften zu einem bedeutenden politischen und kulturellen Zentrum des Deutschen Reiches. Daneben haben auch die seit dem 13. Jahrhundert ansässigen Juden das Stadtbild und die Kultur der ehemalige Hauptstadt Schlesiens geprägt.
Bis 1943 hatte Breslau – nach Berlin und Frankfurt - die drittgrößte jüdische Gemeinde des Deutschen Reiches. Auch aufgrund ihrer Lage an der östlichen Peripherie des Reiches und damit als Schnittstelle zwischen Ost- und Westjudentum kam der Stadt in religiöser Hinsicht eine enorme Bedeutung in der Entwicklung jüdischen Lebens und der Gelehrsamkeit zu.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde Breslau Polen zugesprochen und hieß nun Wrocław. Nicht nur der Name der Stadt änderte sich, auch wurde fast die gesamte Bevölkerung ausgetauscht – die deutschen Bewohner*innen wurden vertrieben und polnische Bürger*innen aus dem Osten des Landes wurden angesiedelt. Aus der jüdischen deutschen Gemeinde wurde eine polnische jüdische Gemeinde. Durch den Holocaust, durch Vertreibung und durch die Zerstörung der Stadt gerieten Zeugnisse jüdischen Lebens in Vergessenheit.
Ein Publikationsprojekt unter Leitung von Tim Buchen (Juniorprofessur Soziale und ökonomische Netzwerke der Deutschen im östlichen Europa im 19. und 20. Jahrhundert) an der Technischen Universität Dresden möchte nun dazu beitragen, diese Lücke in den Geschichtsbüchern zu schließen.
Mehr als 20 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz Europa arbeiten bis 2020 daran, die Topographie der Shoah in Breslau aus verschiedenen Blickwinkeln zu untersuchen. Mit dem Verschwinden der letzten Zeitzeugen sind es die unterschiedlichsten Orte und Räume jüdischen Lebens und ihrer Beziehung untereinander in der Stadt, die Aufschluss über die sozialen, kulturellen und symbolischen Entwicklungen geben.
In den Blick geraten sehr unterschiedliche Gegenstände, von konkreten Häusern, Lokalen, Museen oder Ateliers über Sammlungen, Beschwerdebriefen, architektonischen Entwürfen über Radiosendungen und Klangräume über Orte im Stadtraum als notwendige Voraussetzung für die Konstruktion von Erinnerung an Leben und Ausgrenzung in Breslau.
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