29.11.2016
Vom europäischen Mönchtum gelernt?
Die Pflege und Weitergabe von Wissen war ein zentrales Merkmal des mittelalterlichen Mönchtums in Europa. Damals wie heute bedarf es einer organisatorischen und intellektuellen Anstrengung, verschiedenste Kenntnisse und Perspektiven auszutauschen und zu bündeln. Auf dem internationalen Kongress „Wohin geht die Ordensgeschichte? Themen, Wege und Methoden einer vergleichenden Ordensforschung“, der vom 27. bis 29. Oktober 2016 in Kooperation mit der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen stattfand, trugen aus aller Welt über 40 Historiker, Theologen und andere Spezialisten aus angrenzenden Disziplinen ihr Knowhow nach Dresden. Veranstaltet wurde die Tagung von der „Forschungsstelle für Vergleichende Ordensgeschichte“ (FOVOG) der TU Dresden, deren wissenschaftliche Koordinatorin, Cristina Andenna zusammen mit dem Direktor der Forschungsstelle, Gert Melville, die Organisation übernahm. Die FOVOG ist ein an der TU Dresden angesiedeltes weltweit führendes Institut für die Erforschung der mittelalterlichen Klöster und Orden. Sie analysiert Formen klösterlichen Lebens und ihre Wechselwirkung mit der Gesellschaft im Mittelalter.
Seit ihrer Gründung ist die Forschungsstelle in Dresden auf eine internationale Zusammenarbeit und Kooperation ausgerichtet, um die Geschichte der mittelalterlichen Orden und Klöster zu erhellen sowie einen interreligiösen Vergleich vorzunehmen. Um derartige Vernetzungen weiterzuführen und auszubauen, war es nun an der Zeit, den aktuellen Wissensstand je nach Tradition und Land zur Welt der mittelalterlichen Klöster und Orden zu rekapitulieren. Der von Prof. Melville entwickelte ‚Dresdner Ansatz‘, der eine „innovative und moderne kultursoziologische Erforschung der Ordensgeschichte“ verfolgt, verwies auf das erklärte Ziel der Tagung, neue Themen, Perspektiven und methodische Ansätze ausfindig zu machen, um die Forschung weiter voranzubringen.
Zu diesem Zweck gaben ausgewiesene Experten Überblicke über unterschiedlichen Herangehensweisen und aktuelle Ergebnisse. Den Auftakt bot der renommierte amerikanische Mediävist Giles Constable in einem Abendvortrag zum Wandel des religiösen Lebens und den Institutionen im 12. Jahrhundert. Darüber hinaus wurden auf der Basis gemeinsamer Diskussionen konstruktive Vorschläge zukünftiger Projekte und Zusammenarbeit entwickelt. In regem Austausch wurden traditionelle und moderne Arbeitsweisen auf ihre jeweiligen Vorzüge hin erörtert. Vor allem müsse, so die Spezialisten, die Komplexität der religiösen Institutionen in den Blick genommen werden. Klöster und Orden seien durch komplizierte und individuelle Beziehungen zur Kirche sowie durch politische und gesellschaftliche Bedingungen gekennzeichnet. Daher seien neue Einzelfallstudien genauso von Relevanz wie generelle Erklärungsmuster. Im Ergebnis wurde deutlich, dass die Strukturen und Wandlungsprozesse innerhalb der Vielzahl religiöser Lebensformen noch immer ein beachtliches Forschungspotential aufweisen. Die Teilnehmer waren sich darüber einig, dass der angefangene Weg einer interdisziplinären Wissenschaftspraktik weiter fortgeführt werden sollte. In der Diskussion zeigte sich insbesondere auf den Gebieten der religiösen Anthropologie, der rechtlich-normativen Organisation, der Interaktion mit der Gesellschaft und der Interregionalität, dass es noch neue, nicht erschlossene Bereiche gibt, die sich für eine weiterführende interdisziplinäre und internationale Untersuchung lohnen. Mit künftigen Forschungsprogrammen und Konferenzen könnten wichtige Fortsetzungen zu den in Dresden erarbeiteten Themen erfolgen. Auch die Möglichkeiten und Ressourcen moderner Technik der Zusammenführung und Bereitstellung von Wissen – wie beispielsweise in Form von Online-Datenbanken – sollten erweitert und intensiver genutzt werden.
Die Veranstaltung wurde unterstützt aus Mitteln des Zukunftskonzepts der TU Dresden, finanziert aus der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder.
Autor: Marcus Handke (FOVOG Dresden)