16.02.2022
Wie entstehen und vergehen Demokratien? Und wie verändert die Digitalisierung die Politik?
Name: Marianne Kneuer
Position / Professur: Professorin für Politische Systeme und Systemvergleich
Institut: Institut für Politikwissenschaft
Fakultät: Philosophische Fakultät
Prof. Dr. Marianne Kneuer studierte Hispanistik, Politikwissenschaft und Philosophie in Bonn und Madrid. Nach ihrem Studium promovierte sie an der Universität Bonn und war gleichzeitig als politische Journalistin tätig (u.a. bei der FAZ). 1994 wurde Prof. Kneuer in den Planungsstab von Bundespräsident Roman Herzog berufen, wo sie für politische Analyse- und Strategieentwicklung sowie für das Redenschreiben zuständig war. Mit den Erfahrungen aus der politischen Praxis kehrte sie in die Wissenschaft zurück und habilitierte mit einem Forschungsstipendium der DFG über externe Faktoren bei den Demokratisierungen in Süd- und Ostmitteleuropa. Zwischen 2005 und 2011 vertrat Marianne Kneuer Lehrstühle u.a. in Erfurt und Darmstadt, bevor sie 2011 die Professur für Vergleichende Politikwissenschaft und Internationale Beziehungen an der Universität Hildesheim übernahm. Dort war sie von 2012 bis 2019 Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Sozialwissenschaften und Mitgründerin des Zentrums für digitalen Wandel. Seit 2020 fungiert Prof. Kneuer als Research Fellow des Center for Technology, Society and Data an der Arizona State University. Im Oktober 2021 übernahm sie die Professur für Politische Systeme und Systemvergleich an der TU Dresden.
Prof. Dr. Marianne Kneuer engagiert sich seit 2004 in vielen nationalen und internationalen Positionen innerhalb der Disziplin. So war sie von 2018 bis 2021 Präsidentin des Weltverbandes für Politikwissenschaft, der International Political Science Association (IPSA).
Wo liegen Ihre Forschungsschwerpunkte und Forschungsinteressen?
Als Demokratieforscherin interessiert mich, wie Demokratien entstehen, unter welchen Bedingungen sie gut funktionieren, was sie bedroht und warum sie zusammenbrechen. Da Demokratie und Autokratie aufeinander bezogen sind, blicke ich auf die Transformationen beider Herrschaftsformen und untersuche, wer solche Transformationen auf welche Weise antreibt und warum. Meine Schwerpunkte sind dabei Lateinamerika und Ostmitteleuropa.
Mein zweiter Forschungsschwerpunkt ist Digitalisierungsforschung und weist wichtige Querverbindungen zur Demokratie- und Autokratieforschung auf: Inwieweit können digitale Kommunikation und digitale Prozesse demokratische Qualität verbessern oder verschlechtern? Wie verändert Digitalisierung politisches Handeln und in welche Richtung? Wie nutzen Autokratien digitale Tools zum Machterhalt und zur Kontrolle? Das sind nur einige Fragen in diesem extrem dynamischen Forschungsfeld, die ich bearbeite – gerne übrigens mit Kolleg:innen aus anderen Disziplinen, was sich als äußerst fruchtbar erweist.
Was war Ihr interessantestes bzw. spannendstes Forschungsprojekt?
Autoritäre Gravitationszentren - ein Projekt, von der DFG von 2015 bis 2018 finanziert, in dem wir untersucht haben, wie autoritäre Staaten entweder als role models oder als aktive Förderer für Autoritarismus in ihren jeweiligen Regionen wirken; sei es bei Medienkontrolle oder bei dem Umbau der Institutionen. Das Spannende bestand darin, sowohl in die Regionen zu blicken (Lateinamerika, Naher Osten, Zentralasien) als auch die Ausprägungen zwischen den Regionen zu vergleichen.
Die Ergebnisse des Projekts sind in diesem Buch zusammengefasst: https://www.routledge.com/Authoritarian-Gravity-Centers-A-Cross-Regional-Study-of-Authoritarian-Promotion/Kneuer-Demmelhuber/p/book/9780367509750
An welchem Projekt arbeiten Sie aktuell?
Ich bin derzeit an zwei interdisziplinären Forschungsverbünden beteiligt, die sich mit Solidarität in Krisenzeiten beschäftigen. Ein Projekt widmet sich Solidaritätsdiskursen in der Migrationskrise, das andere – sehr aktuell - der Solidarität während der Covid-19-Pandemie. Spannend ist einmal das Thema selbst, aber auch die Methode, weil wir zusammen mit Informationswissenschaftlern und Informatikern große Mengen an Online-und Offline-Diskursen maschinenbasiert analysieren.
Was darf auf Ihrem Schreibtisch auf keinen Fall fehlen?
Wasser
Haben Sie ein Lieblingszitat? Wenn ja, welches und von wem ist es?
Grundsätzlich bin ich keine Anhängerin von Sprüchen. Wenn ich etwas nennen soll, was meine Geisteshaltung am ehesten widerspiegelt, dann dieser Satz von Thomas von Aquin: „Für Wunder muss man beten, für Veränderungen aber arbeiten.“
Welches Buch haben Sie als letztes gelesen?
Meine erste kleine Reise nach der Corona-Isolation führte mich im letzten September nach Danzig. Der Besuch hat mich dazu inspiriert, die Blechtrommel wieder in die Hand zu nehmen und neu zu lesen.
Weitere Infos über Sie gibt es auf:
- Twitter: @MarianneKneuer
- IPSA: iipsa.org
- SOLDISK-Verbund: https://www.uni-hildesheim.de/soldisk/
- SAFE-19: https://www.uni-hildesheim.de/fb1/institute/institut-fuer-sozialwissenschaften/politikwissenschaft/forschung/solidaritaet/safe-19/safe-19/
- Zeitschrift für Vergleichende Politikwissenschaft: https://www.springer.com/journal/12286