02.09.2019
Wie ticken die Wähler in Ostdeutschland? Prof. Hans Vorländer im Gespräch mit ausländischen Journalisten
Der Verein der Ausländischen Presse in Deutschland e. V. lud Hans Vorländer, Professor für politische Theorie und Ideengeschichte und Direktor des Forum MIDEM an der TU Dresden, wenige Tage vor den Landtagswahlen zum dritten Mal zu einem Hintergrundgespräch ins Haus der Bundespressekonferenz nach Berlin, um dort Einschätzungen und Analysen zur politischen Situation in Sachsen und Brandenburg vorzustellen. Seine Ausführungen stießen auf reges Interesse. 50 Journalisten, u. a. von der New York Times, Le Monde, Les Echos, dem Schweizer Tagesanzeiger, Ukrainisches und Japanisches Fernsehen waren gekommen. Sie stellten Fragen zum Machtgefüge innerhalb der CDU, zu möglichen Auswirkungen der Wahlergebnisse auf die Bundes-SPD, zum Erstarken der Grünen und zu Koalitionsoptionen. Und natürlich wollten sie eine Erklärung für den hohen Zuspruch der AfD.
Prof. Vorländer nahm Stellung zum speziellen Verhältnis der Sachsen zu Russland und erläuterte die besondere Rolle Polens als Nachbarland von Sachsen und Brandenburg im Wahlkampf. Er begründete die hohe Zahl an Nichtwählern und versuchte, den ausländischen Journalisten die gefühlte Situation und besondere Stimmungslage im Osten Deutschlands 30 Jahre nach der Wende zu erklären.
So sagte Prof. Vorländer u.a.: „Man kann die Wahl in Sachsen nicht als reine Protestwahl, als Reaktion auf die Ereignisse im Sommer 2015 begreifen. Schließlich sitzt die AfD bereits seit 2014 im Sächsischen Landtag. Seither hat sie ihren Einfluss in den Kommunen stetig verfestigen können.“
„In Grenzregionen ist die AfD besonders stark, nicht nur in den Grenzregionen Sachsens und Brandenburgs, sondern zum Beispiel auch im Bayrischen Wald. In diesen Gebieten gibt es ein diffuses Gefühl der Unsicherheit und Bedrohung, obwohl die Kriminalität deutlich zurückgegangen ist“, sagte Prof. Vorländer.
„Wir haben es mit einer grundlegenden Befindlichkeit zu tun, dass Teile der Bevölkerung entfremdet sind von der Politik. Die vor allem im Osten Deutschlands mit der Politik Unzufriedenen sind nicht zu anderen, also den Oppositionsparteien gegangen, sondern wurden zu Nichtwählern. 2014 gab es mehr Nichtwähler als Wähler. Das vergleichsweise absehbare Verhalten bestimmter Milieus im Westen gibt es im Osten Deutschlands nicht. Jetzt ist die Wahlbeteiligung da größer, wo die AfD antritt. Insofern wird es spannend, wer außerdem noch Nichtwähler mobilisieren kann.“
„Es geht viel um Verlustängste, nicht nur um zu verlierende Güter, sondern um kulturelle Formen des Lebens. Ostdeutschland ist wie ein Brennglas für diese Entwicklung“, erläutert Prof. Vorländer.
Das zweistündige Hintergrundgespräch ermöglichte einen intensiven Austausch zwischen dem Wissenschaftler und den Medienvertretern. Erste Medienbeiträge sind bereits erschienen.
Informationen für Journalisten:
Prof. Hans Vorländer
Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte
Direktor "Mercator Forum Migration und Demokratie - MIDEM"
Tel.: 0351 463-35811