11.08.2023
Zwischen den unendlichen Weiten der DDR und den Utopien von morgen: Fantasy- und Science Fiction-Expert:innen treffen sich an der TU Dresden
Ob „Der Herr der Ringe“, „Terminator,“ „Dune“ oder immer neue Serien aus den Universen von Star Trek und Star Wars: Die Genres rund um Fantasy und Science Fiction begeistern seit Jahrzehnten nicht nur passionierte Leser:innen und Filmfreunde, sondern auch Wissenschaftler:innen weltweit. Denn Fantastik und Science Fiction sind immer auch eine kritische Aushandlung mit bestehenden Weltentwürfen. Vom 15. bis 19. August 2023 kommen diese Forscher:innen an der TU Dresden zusammen und werden auch interessierten Fans der Genres einen Einblick in den aktuellen Stand der Science-Fiction- und Fantastikforschung geben.
Die beiden Wissenschaftler:innen Julia Gatermann und Moritz Ingwersen, Doktorandin und Professor an der Juniorprofessur für Literatur Nordamerikas mit dem passenden Schwerpunkt Future Studies an der TU Dresden, richten die gemeinsame Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für Fantastikforschung (GFF) und der amerikanischen Science Fiction Research Association (SFRA) an der TU Dresden aus – ein wissenschaftliches Zusammenkommen, das in diesem Ausmaß in Deutschland erstmalig und einmalig ist.
„Das Spannende an Genres wie Science-Fiction, Fantasy und Horror ist, dass sie unsere gewohnte Realität verfremden und spekulative Weltentwürfe durchspielen, die unseren vertrauten Denk- und Handlungsmustern einen Spiegel vorhalten,“ erklären Julia Gatermann und Moritz Ingwersen. „Ob es nun um die Beziehungen zwischen Mensch und Maschine, veränderte Umwelten, utopische Gesellschaftsmodelle oder fantastische Fähigkeiten geht, erlauben Science Fiction und Fantasy eine kritische Reflektion über gesellschaftliche Ängste, Wünsche und Machtstrukturen, die in den Vorstellungen anderer Welten kulturspezifisch eingeschrieben sind. Die Science-Fiction und Fantastikforschung leistet vor diesem Hintergrund einen wichtigen Beitrag, um zu verstehen durch welche Werte, Diskurse und kulturellen Narrative unsere Vorstellungen von Zukünften und gesellschaftlicher Transformation geprägt sind und wie diese auch verändert werden können, um diversere, inklusivere und nachhaltigere Welten denkbar zu machen.“
Unter dem Titel „Disruptive Imaginations“ widmet sich die Konferenz dem breiten Feld gesellschaftlicher Disruptionen, also Störungen und Brüchen, die zu sozialer Veränderung und einer Wahrnehmungsverschiebung führen können. Der Fokus liegt dabei auf den disruptiven Imaginationen, also der Art und Weise wie kulturelle Bilder und fiktionale Weltvorstellungen auf Krisenmomente reagieren, diese begleiten und neue Perspektiven aufzeigen. Welchen Einfluss haben bspw. Klimawandel, Pandemie und Krieg oder gesellschaftliche Strukturen wie Rassismus und Sexismus auf die spekulative Literatur und wie geht diese damit um? Wie sind gesellschaftliche Verunsicherungen im Spiegel von sogenannter künstlicher Intelligenz, Digitalisierung und Energiewende selbst geprägt von den Bildwelten von Science-Fiction Literatur und Film? Wie tragen Perspektiven von marginalisierten Science Fiction- und Fantasy-Autor:innen zu einem Bruch mit gängigen Hollywood Klischees und einer Kritik bestehender Weltordnungen bei? Wo sind die Gesellschafts- und Zukunftsentwürfe der Autor:innen selbst störungsanfällig und können vielleicht sogar Umbrüche ‚in der echten Welt‘ auslösen?
Zu diesen und vielen andere Fragen werden fünf Tage lang über 300 Wissenschaftler:innen aus über 36 Ländern an der TU Dresden zusammenkommen. Hochkarätige Keynotes von internationalen Expert:innen wie der Indigenen Science-Fiction-Forscher:in Lou Cornum, der führenden Wissenschaftlerin zu afro-deutschem Afrofuturismus Priscilla Layne, und dem Literaturwissenschaftler David M. Higgins, dessen Buch Reverse Colonization: Science Fiction, Imperial Fantasy, and Alt-Victimhood (2021) die Zusammenhänge zwischen Science-Fiction und der Rhetorik der sog. Neuen Rechten beleuchtet, bereichern das wissenschaftliche Programm.
„Wir freuen uns sehr über das so rege Interesse von Forscher:innen und Künstler:innen aus der ganzen Welt und hoffen, dass diese Veranstaltung ein Zeichen setzt für den wichtigen Beitrag von literatur- und kulturwissenschaftlicher Forschung zu Fragen des Umgangs mit gesellschaftlichem Wandel und technologischer Innovation an der TU Dresden und darüber hinaus,“ so die beiden Organisator:innen.
Die öffentlichen Begleitveranstaltungen im Deutschen Hygiene Museum Dresden und den Technischen Sammlungen Dresden ermöglichen daneben auch interessierten Laien einen Blick in die Science-Fiction- und Fantastikforschung: Am 16. August öffnen die Technischen Sammlungen Dresden ihre Türen und laden unter dem Titel „Contactics“ ein zu Performances und Gesprächen rund um Science Fiction mit den internationalen Künstler:innen Irina Gheorghe, Emma Waltraud Howes und Justin F. Kennedy.
Im Hygiene Museum diskutieren am 17. August Wissenschaftler:innen, Autor:innen und Verleger:innen über „Das Erbe der Science Fiction in der DDR“ und dessen bis heute bestehenden Einfluss auf die gesamte deutschsprachige Szene. Im Anschluss wird der DEFA-Klassiker „Eolomea“ gezeigt.
Unter dem Titel „Progressive Fantastik. Neue Impulse für das Genre“ kommen am 18. August ebenfalls im Hygiene Museum junge Autor:innen zu Wort, die sich mit ihren Werken und auf Social Media unter #ProgressivePhantastik für eine Modernisierung des in Deutschland sehr konservativ besetzten Genres einsetzen. Sie treten ein für mehr Vielfalt und Offenheit und diskutieren im Panel ihre Forderungen. Zum Abschluss der Veranstaltung lesen die Autor:innen im Innenhof des Museums aus ihren Werken.
Kontakt und weitere Informationen:
Organisation:
JProf. Dr. Moritz Ingwersen
Juniorprofessur für Literatur Nordamerikas mit dem Schwerpunkt Future Studies
Institut für Anglistik
Tel.: +49 351 463-34918
Julia Gatermann
Juniorprofessur für Literatur Nordamerikas mit dem Schwerpunkt Future Studies
Institut für Anglistik
Tel.: +49 351 463-33025
Tagungshomepage: https://disruptiveimaginations.com/
GFF: https://fantastikforschung.de/
SFRA: https://sfra.org/