Der Welt von heute folgt eine Welt von morgen
Promotionsvorhaben von Ines Röhrborn:
Zukunftsvorstellungen 9-12jährigen Schüler:innen der Grundschule (Arbeitstitel)
Unsere Welt ist heute vernetzter, erforschter und technisierter als je zuvor. Alltagserleichterungen und Wohlstand wären grundsätzlich gegeben, wenn nicht die Themen Klimawandel, Klimakatastrophen, Krieg, Inflation, Energiekrise, Flucht, Artensterben u.v.a.m. so omnipräsent wären, Abhängigkeiten und Ohnmacht sichtbar machen und Zukunft generell in Frage stellen würden.
Alle - Kinder, Jugendliche und Erwachsene - sind den gleichen Bedingungen ausgesetzt im Erleben der Welt von heute, die volatil, unsicher, komplex und mehrdeutig ist. Im Unterschied zu den Erwachsenen erleben Kinder und Jugendliche diese sensibler in ihren jeweiligen Entwicklungs- und Wachstumsphasen.
In diesem Forschungsprojekt soll den Kindern, insbesondere 9-12jährigen Schüler:innen der Grundschule in Sachsen eine Stimme gegeben werden (Vogl 2015), Wünsche, Visionen und Ängste mit Blick auf ihre Zukunft in 20 Jahren zu formulieren; da nur die aktive Auseinandersetzung mit Zukunft diese nachwachsende Generation befähigt, vorgefundene Bedingungen zu hinterfragen und zu verändern (Dröschel, 1995; Meyer-Abich, 1984).
Um Veränderungsprozesse zu initiieren kommen der Grundschule, als Ort grundlegender Bildung, und dem mehrperspektivischen Sachunterricht die besonderen Rollen zu, bei den Schüler:innen ein Bewusstsein für die „epochaltypischen Schlüsselprobleme“ (Klafki, 2007) der Gegenwart und der vermeintlichen Zukunft zu fördern sowie bei der Gestaltung von Zukunft zu unterstützen.
Zukunftsvorstellungen erscheinen daher als geeigneter Anknüpfungspunkt, um die Bedeutung von Natur, Umwelt, Gesellschaft und Technik für Kinder zu eruieren, denn was gegenwärtig Bedeutung hat, wird sich höchstwahrscheinlich auch in Überlegungen zur Zukunft: in Wünschen, Hoffnungen und Ängsten hinsichtlich kommender Entwicklungen wiederfinden. Zukunftsvorstellungen extrapolieren demnach das Gegenwärtige. (Unterbruner, 1991)
Dieses Forschungsvorhaben setzt sich zur Aufgabe mittels projektiven Verfahrens und Survey, die Vorstellungen und Perspektiven der Grundschüler:innen zu deren Zukunft zu erheben. Damit referiert die Studie im Mixed-Methods-Design auf zwei Vorgängerstudien, die Unterbruner 1988/89 und 2009 in Deutschland und Österreich mit 13-bis 17jährigen Jugendlichen durchführte.
Obwohl es im Bundesgebiet eine Vielzahl von Studien zur Befragung von Schüler:innen gibt, die sich u.a. auch mit Zukunftserwartungen und der Erhebung des Gegenwärtigen beschäftigen, wie die Shell-Jugendstudie, das LBS-Kinderbarometer NRW oder „Der zweite Kinderrechtereport“ stellt keine auf die Altersgruppe der 9-12jährigen Schüler:innen der Grundschule und die Erhebung qualitativer Daten ab. So bleibt der Fokus auf die kindliche Perspektive mit qualitativem Ansatz ein Desiderat der Forschung.
Die gewonnenen Erkenntnisse können sowohl in die Planung und Umsetzung künftigen (Sach-)Unterrichts inkludiert als auch als Implementierungshilfen, Qualitätskriterien und Indikatoren gesehen werden, wie sie der Nationale Aktionsplan (Nationale Plattform Bildung für nachhaltige Entwicklung, 2017)[1] fordert, damit Lernende notwendige Kenntnisse und Kompetenzen für die zukunftsentscheidenden Fragen zur Erhaltung des Planeten erhalten.
Um letztlich Schüler:innen zu ermöglichen, nachhaltig denkende und handelnde Individuen zu werden, bedarf es des detaillierten Blickes auf die Adressaten des Nationalen Aktionsplans und des Orientierungsrahmens selbst: Wie denken Kinder und wie sehen kindliche Zukunftsvorstellungen aus? Wie kann dieses Wissen dabei helfen auch andere (nachhaltige) Themenbereiche des Sachunterrichts kindgemäß erschließbar zu machen?
Die zentralen Fragen „Welche Zukunftsvorstellungen: Wünsche, Hoffnungen, Visionen und Ängste haben 9 bis 12jährige Schüler:innen der Grundschule?“ und „Wie sehen Unterrichtskonzepte für einen zukunftsfähigen und nachhaltigen (Sach-)Unterricht aus, damit Schüler:innen sich ihrer Mitverantwortung bewusst werden und den Balanceakt zwischen Verantwortungszumutung und Überwältigung aktiv gestalten können?“ bilden den Kern dieser Dissertation und versuchen Einblicke in die kindliche Denkstruktur zu geben.
Betreuerin:
Prof. Dr. Martina Knörzer
Weitere Informationen erteilt:
Ines Röhrborn
Literatur:
- Dröschel, Alexander (Hg.) (1995): Kinder - Umwelt - Zukunft. Eine Veröffentlichung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung e.V. Bundeskonferenz für Erziehungsberatung. Münster: Votum-Verl. (Eine Veröffentlichung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung e.V).
- Dröschel, Alexander (1995): Kinder-Umwelt-Zukunft: Eine Einführung. In: Alexander Dröschel (Hg.): Kinder - Umwelt - Zukunft. Eine Veröffentlichung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung e.V. Münster: Votum-Verl. (Eine Veröffentlichung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung e.V), S. 8–37.
- Haan, Gerhard de (2002): Die Kernthemen der Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. ZEP: Zeitschrift für internationale Bildungsforschung und Entwicklungspädagogik 25 (2002) 1, S. 13-20.
- Haan, Gerhard et. al. de (2004-2009): Transfer-21: Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. Wir machen Zukunft - nachhaltig. Unter Mitarbeit von Prof. Dr. Gerhard de Haan, Freie Universität Berlin. Bundesministerium für Bildung und Forschung.
- Hauenschild, Katrin; Bolscho, Dietmar (2022): Bildung für nachhaltige Entwicklung. In: Joachim Kahlert, Maria Fölling-Albers, Margarete Götz, Andreas Hartinger, Susanne Miller und Steffen Wittkowske (Hg.): Handbuch Didaktik des Sachunterrichts. 3., überarbeitete Auflage. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt, S. 212–215.
- Heinzel, Friederike (2012): Gruppendiskussion und Kreisgespräch. In: Friederike Heinzel (Hg.): Methoden der Kindheitsforschung. Ein Überblick über Forschungszugänge zur kindlichen Perspektive. 2., überarb. Aufl. Weinheim, Basel: Beltz-Juventa, S. 104–115.
- Heinzel, Friederike (Hg.) (2012): Methoden der Kindheitsforschung. Ein Überblick über Forschungszugänge zur kindlichen Perspektive. 2., überarb. Aufl. Weinheim, Basel: Beltz-Juventa.
- Klafki, Wolfgang (1992): Allgemeinbildung in der Grundschule als Bildungsauftrag des Sachunterrichts. In: Roland Lauterbach; Walter Köhnlein; Kay Spreckelsen; Elard Klewitz (Hg.): Brennpunkte des Sachunterrichts, Bd. 3, S. 11–31.
- Klafki, Wolfgang (2007): Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Zeitgemäße Allgemeinbildung und kritisch-konstruktive Didaktik. 6., neu ausgestattete Aufl. Weinheim: Beltz.
- Meyer-Abich, Klaus Michael (1979): Zum Begriff einer Praktischen Philosophie der Natur. In: Klaus Michael Meyer-Abich, Günter Altner, Hans Christoph Binswanger, Dieter Birnbacher und Sigurd Martin Daecke (Hg.): Frieden mit der Natur. Freiburg i. Br.: Herder, S. 237–261.
- Meyer-Abich, Klaus Michael (1990): Aufstand für die Natur. Von der Umwelt zur Mitwelt. München: Hanser.
- Meyer-Abich, Klaus Michael; Altner, Günter; Binswanger, Hans Christoph; Birnbacher, Dieter; Daecke, Sigurd Martin (Hg.) (1979): Frieden mit der Natur. Freiburg i. Br.: Herder.
- Otten, Michael (2022a): Vergangenheit und Gegenwart reflektieren, um Zukunft zu gestalten. Epochaltypische Schlüsselprobleme im Sachunterricht. In: Grundschule Sachunterricht (96), Artikel 1, S. 2–3.
- Otten, Michael (2022b): Epochaltypische Schlüsselprobleme. Didaktische Grundlagen für den Sachunterricht. In: Grundschule Sachunterricht (96), Artikel 2, S. 4–7.
- Unterbruner, Ulrike (1991): Umweltangst-Umwelterziehung. Vorschläge zur Bewältigung der Ängste Jugendlicher vor Umweltzerstörung. 1. Auflage. Linz: Veritas.
- Unterbruner, Ulrike (2011): Geschichten aus der Zukunft. Wie Jugendliche sich Natur, Technik und Menschen in 20 Jahren vorstellen. München: oekom.
- Vogl, Susanne (2015): Interviews mit Kindern führen. Eine praxisorientierte Einführung. Weinheim, Basel: Beltz Juventa (Grundlagentexte Methoden).
- Wulfmeyer, Meike (Hg.) (2023): Bildung für nachhaltige Entwicklung im Sachunterricht. Grundlagen und Praxisbeispiele. 3. unveränderte Auflage. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren GmbH.
- u.v.a.m.
[1] Verankerung im Nationalen Aktionsplan der Deutschen Bundesrepublik sowie in der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung