Zum Profil einer Epoche
Die Epochenbezeichnung "Neuzeit" gibt es bereits seit dem 15./16. Jahrhundert, als die Humanisten ihre neue Zeit vom mittleren, "dunklen" Zeitalter absetzten. Die "Frühe" Neuzeit ist historiographisch dagegen eine neue Erscheinung. Diese Begriffsprägung aus der Zeit nach 1950 reagierte auf die Tatsache, dass 'die' Neuzeit immer länger und damit heterogener geworden war und keine sinnvolle Epochengliederung mehr darstellte. Als 'Frühe Neuzeit' wird heute jene breite Übergangsepoche vom Ende des Mittelalters – markiert durch die Medienrevolution Gutenbergs in den 1450er Jahren, von der Erschließung der Neuen Welt (Kolumbus 1492) und durch den Beginn der Reformation 1517 – bis zu jener Umbruchsphase der "Sattelzeit" 1750 bis 1850 (Koselleck) verstanden, als deren Zäsuren man die atlantische Doppelrevolution in Amerika und Frankreich, aber auch die industrielle Revolution ansehen kann.
Die Epoche der Frühen Neuzeit wurde zum einen von Entwicklungen geprägt, die das Gesicht der modernen Welt bestimmen sollten: Entstehung des Staates, Herausbildung einer auf Druckmedien gestützten Öffentlichkeit, Entwicklung eines konfessionell-religiösen Pluralismus und einer modernen Wissenskultur sowie Beginn der Globalisierung. Auf der anderen Seite erscheint uns das Zeitalter mit seiner ländlichen Prägung, mit seinem ständischen und ehrfixierten Denken und mit Phänomenen wie Magie und Hexenverfolgung vielfach sehr fremd. Das Studium der Frühen Neuzeit fasziniert deshalb, weil es die Möglichkeit ethnologischer Ausflüge in eine unbekannte Kultur bietet wie gleichermaßen dadurch, dass es die Fundamente der Moderne verständlich macht.
Ausführlich dazu: Gerd Schwerhoff: Frühe Neuzeit - Zum Profil einer Epoche (2011)