Lehrveranstaltungen von Uwe Fraunholz (frühere Semester)
Inhaltsverzeichnis
- WS 2015/16 Übung/Lektürekurs: Der Krieg als Vater aller (Technik)Dinge?
- WS 2015/16 Einführendes Proseminar: Geschichte der Ernährung in der Moderne
- SoSe 2015 Übung: Nationalsozialismus im Spielfilm – Ein deutsch-deutscher Vergleich
- WS 2014/15 Übung / Praxisseminar: Weltkrieg digital - Science & Technology in World War One
- SoSe 2014 Übung / Praxisseminar: Wahnhaftes Erfinden. Die technischen Visionen des Karl Hans Janke - Ausstellungskonzeption
- WS 2013/14 Übung / Praxisseminar: Technik und Wissenschaft im Film - Technik und Wissenschaft des Films
- SoSe 2012 Praxisseminar: Ingenieure und Naturwissenschaftler der Technischen Hochschule Dresden im Nationalsozialismus
- WS 2011/12 Proseminar: Geschichte des Wohnens in der Moderne
- SoSe 2011 Proseminar: Das Medium ist die Massage - Kommunikationstechniken im 19. und 20. Jahrhundert
- WS 2010/11 Proseminar: Geschichte der Bekleidung in der Moderne
- SoSe 2010 Praxisseminar: Ausstellungskonzeption - Technische Utopien
- SoSe 2010 Seminar: Infrastrukturgeschichte
- WS 2009/10 Proseminar: Technisierung der Sexualität - Sexualisierung der Technik
- SoSe 2009 Aufbauseminar: Technikgeschichte als Produktgeschichte: Genussmittel in der Moderne
- WS 2008/09 Proseminar: Technische Katastrophen im 19. und 20. Jahrhundert
- SoSe 2008 Proseminar: Rasender Stillstand? Geschichte der Mobilität im 19. und 20. Jahrhundert
- WS 2007/08 Proseminar: Weisse Elefanten - Technische Großprojekte und Hochtechnologien in Diktaturen des 20. Jahrhunderts
- SoSe 2007 Proseminar: Von der Biersuppe zum Fastfood: Zur Industrialisierung der menschlichen Ernährung im 19. und 20. Jahrhundert
- WS 2006/07 Proseminar: Luxus und Technik in der Frühen Neuzeit
- SoSe 2006 Proseminar: Technik und Konsum im Nationalsozialismus
- WS 2004/05 Proseminar: Surrogate - Zur politischen Ökonomie der Ersatzstoffe
- SoSe 2004 Übung: Innovations-, Industrialisierungs- und Modernisierungstheorien
- WS 2003/04 Proseminar: "Brot, Wohlstand, Schönheit" Das Chemieprogramm der DDR
- SoSe 2003 Übung: Maschinensturm
WS 2015/16
Übung/Lektürekurs: Der Krieg als Vater aller (Technik)Dinge?
„Der Krieg ist der Vater aller Dinge und der König aller. Die einen macht er zu Göttern, die andern zu Menschen, die einen zu Sklaven, die andern zu Freien.“ Heraklits zum geflügelten Wort gewordenes Fragment ist zwar lange Zeit als eine grundsätzlich positive Bewertung des Krieges missdeutet worden, blickt man aber insbesondere auf das „Zeitalter der Weltkriege“, und den sich anschließenden „Kalten Krieg“, dann scheint die Annahme, dass militärische Auseinandersetzungen technische Entwicklungen entscheidend beeinflusst haben, nicht ganz von der Hand zu weisen sein: Schließlich haben beispielsweise Radaranlagen, Satelliten, Kunststoffe, Atomenergie, NC- und Internettechnologie, der zivile Luftverkehr und nicht zu vergessen die berühmte Teflonpfanne ihre Ursprünge in militärischen Zusammenhängen.
Die temporäre Ausschaltung von Marktkräften kann offensichtlich die Durchsetzung unter hohem Forschungseinsatz entwickelter Technologien beschleunigen. Offensichtlich übt die standardisierte Massennachfrage des Militärs Selektionsdruck auf technische Alternativen aus und bringt über Normungsprozesse Produkte hervor, die auch auf zivilen Märkten reüssieren können. Andererseits führt der industrialisierte Krieg zu millionenfachem Massensterben und vernichtet neben Menschenleben auch ökonomische Werte. Der wahnwitzige Rüstungswettlauf im „Kalten Krieg“ verschlang schließlich Ressourcen, die ohne viel Fantasie sinnvoller einsetzbar gewesen wären. Ist der Krieg also nicht eher eine „Fortschrittsbremse“ oder tatsächlich ein notwendiger „Innovationsmotor“, wie in letzter Zeit auch wieder von wissenschaftlicher Seite behauptet wird?
In der Veranstaltung werden wir das Lesen, Exzerpieren und Interpretieren wissenschaftlicher Texte zur Interdependenz von Krieg und Technik üben. Teilnahmevoraussetzungen sind Interesse und Bereitschaft zur wöchentlichen Lektüre der bereitgestellten – zuweilen auch englischsprachigen – Literatur.
WS 2015/16
Einführendes Proseminar: Geschichte der Ernährung in der Moderne
Ob Mikrowellen-Fertiggericht oder Power-Riegel für den kleinen Hunger zwischendurch: Viele unserer Lebensmittel sind hoch technisierte Produkte, in denen viel Wissenschaft steckt. In der Massenkonsumgesellschaft sind diese zudem im Überfluss vorhanden, sodass der durchschnittliche Mitteleuropäer, nachdem Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion seit dem 19. Jahrhundert industrialisiert worden sind, heute einem Überangebot an Kalorien widerstehen muss, will er seine Gesundheit erhalten. Während daher in den Wohlstandsgesellschaften Light-Produkte und „Steinzeitdiäten“ boomen, bleiben aber zugleich auch am Beginn des 21. Jahrhunderts weite Teile der Welt mit existenzbedrohendem Hunger konfrontiert. Moderne Ernährung erweist sich damit nicht nur als ein Feld kultureller, sozialer und geschlechtsspezifischer Differenz, sondern als Ausdruck und Ursache globaler Ungleichheit.
Das als Überblick angelegte einführende Proseminar will Studienanfängern am Beispiel von Verwissenschaftlichung und Technisierung eines zentralen Bereiches menschlicher Bedürfnisbefriedigung das notwendige propädeutische Rüstzeug für das weitere Geschichtsstudium an die Hand geben. Dazu soll ein weiter, facettenreicher Bogen von den Subsistenzkrisen des ausgehenden 18. Jahrhunderts bis zu den Diskussionen über genveränderte Lebensmittel heutiger Tage geschlagen werden.
SoSe 2015
Übung: Nationalsozialismus im Spielfilm – Ein deutsch-deutscher Vergleich
Als historische Quellen erfahren (Spiel)filme seit geraumer Zeit verstärkte Aufmerksamkeit der Zeitgeschichtsschreibung. Insbesondere in Forschungen zur Erinnerungskultur hat das populäre Medium Film als Untersuchungsobjekt an Bedeutung gewonnen. Dabei wurde gezeigt, dass mediale Inszenierungen eine nicht unwesentliche Rolle bei der Prägung kollektiver Geschichtsbilder spielen, indem sie generative Macht entfalten und Wahrnehmungen sowie Deutungen konfigurieren. Dies gilt insbesondere für die vielfach filmisch bearbeitete Zeit des Nationalsozialismus, die einen Fixpunkt des kollektiven Gedächtnisses bildet.
In der Übung sollen an ausgewählten Filmbeispielen beider deutscher Staaten sich wandelnde Interpretationen nationalsozialistischer Herrschaft herausgearbeitet werden. Wie veränderten sich seit den 1940er Jahren die filmischen Repräsentationen von Opfern, Tätern, Mitläufern und Widerständlern? Die Analyse der medialen Nachgeschichte des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik und der DDR wird die wechselseitige Durchdringung von Politik, Film und Gesellschaft erhellen und dadurch den Konstruktionscharakter von Geschichte verdeutlichen. Neben dem Wandel kollektiver Mentalitäten und den Konjunkturen von Geschichtspolitiken wird die grundsätzlichere Frage nach den Spezifika filmischer Vermittlung von Vergangenem auf der Tagesordnung stehen: Wie schreiben Filme Geschichte?
WS 2014/15
Übung / Praxisseminar: Weltkrieg digital - Science & Technology in World War One
Um die „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts als globales Ereignis in angemessener Form zu untersuchen, muss der Erste Weltkrieg multiperspektivisch in den Blick genommen werden. Große Bedeutung kommt dabei Entwicklungen in Wissenschaft, Medizin und Technik seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert zu: Ihre Mobilisierung war eine Voraussetzung dafür, dass neue Dimensionen der Technisierung des Schlachtfelds und eine entgrenzte Industrialisierung des Tötens realisiert werden konnten. Das Seminar ist Teil eines internationalen Lehr- und Publikationsprojekts zur Technik-, Wissenschafts-, Medizin- und Unternehmensgeschichte des Ersten Weltkrieges, an dem u.a. Projektgruppen aus Stuttgart, Karlsruhe, Hamburg und Oxford beteiligt sind. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung einer interaktiven Internet-Lehrplattform, die sich an Studierende, Lehrer, Dozenten sowie die allgemeine Öffentlichkeit richten soll. Um die Möglichkeiten der „digital humanities“ auszuloten, werden die Studierenden am Beispiel von Technisierung und Verwissenschaftlichung im Ersten Weltkrieg zunächst überschaubare Fragestellungen für eine digitale Präsentation bearbeiten. Besonderes Gewicht wird dabei auf die didaktische Aufbereitung vorhandener Materialien gelegt. Im Frühjahr 2015 werden die Ergebnisse der lokalen Seminargruppen schließlich auf einer allgemeinzugänglichen Plattform zusammengeführt und der Öffentlichkeit präsentiert.
Weißbluten: Der Erste Weltkrieg und die Technikgeschichte
Bleed White: The First World War an the History of Technology
SoSe 2014
Übung / Praxisseminar: Wahnhaftes Erfinden. Die technischen Visionen des Karl Hans Janke - Ausstellungskonzeption
Die Erschütterung der für die Technokratische Hochmoderne sinnstiftenden technischen Fortschrittsgewissheit durch den Zweiten Weltkrieg währte nur kurze Zeit – rasch gewann die Überzeugung erneut an Boden, gesellschaftliche Probleme mit technischen Mitteln lösen zu können: Die 1950er Jahre waren die Zeit hochfliegender Raumfahrt-, Atom- und Automatisierungsvisionen. Selbst die Psychiatrische Landesanstalt Hubertusburg blieb davon nicht unberührt: Karl Hans Janke (1909–1988) entwarf in den vier Jahrzehnten, die er wegen „chronisch paranoider Schizophrenie“ in Wermsdorf verbrachte, tausende Fahr- und Flugzeuge, Raumschiffe und Triebwerke, Energiekonzepte und elektrische Geräte. Der begabte Zeichner und Konstrukteur, der seit 1943 zwei Patente aus dem Luftfahrtbereich hielt, skizzierte und bastelte Modelle, hielt Vorträge und korrespondierte mit Betrieben und staatlichen Stellen. Nach seinem Tod gerieten Jankes zeichnerische Visionen in Vergessenheit, ehe sie 2000 bei einem Dachbodenfund wiederentdeckt und seit 2001 in verschiedenen Ausstellungen präsentiert wurden. Die Deutsche Fotothek verfügt über etwa 3500 Digitalisate der Janke-Zeichnungen.
Ziel des Seminars ist die Konzeption und Gestaltung einer Ausstellung für die Sächsische Staats-, Landes- und Universitätsbibliothek (SLUB) auf Grundlage dieses Bildkorpus. Dabei sollen die Besucher zugleich auf die Forschungen des technikhistorischen Teilprojekts „Fortschritt und Ingenieure“ im Sonderforschungsbereich 804 „Transzendenz und Gemeinsinn“ aufmerksam gemacht werden. Die erfolgreiche Teilnahme erfordert über das in herkömmlichen Seminaren übliche Maß hinausgehendes Engagement. Dafür wird durch Kooperation mit der SLUB das Handwerkszeug der Ausstellungspraxis vermittelt und den Teilnehmern bereits in ihrer Studienzeit ermöglicht, öffentlichkeitswirksame Produkte (Ausstellung, Internetpräsentation, Begleitbroschüre) zu konzipieren und zu realisieren.
Begleitbroschüre
Stimmen zur Ausstellung
WS 2013/14
Übung / Praxisseminar: Technik und Wissenschaft im Film - Technik und Wissenschaft des Films
Als sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Technik der bewegten Bilder zu verbreiten begann, stand dieses Medium bald wie kaum ein anderes für eine neue, durch Massenkonsum und Kulturindustrie geprägte Welt. Der auf spektakuläre Illusionen zielende Spielfilm zeichnete sich dabei von Beginn an durch eine rege Auseinandersetzung mit weiteren zentralen Symbolen der heraufziehenden Hochmoderne aus – Wissenschaft und Technik. Diese Reflexionen sind am prominentesten vertreten in dem Genre, das sein Entstehen dem technisierten Fortschrittsdenken der modernen Welt verdankt: dem Science Fiction-Film. Aber auch Abenteuer- und Liebesfilme, Krimis und Komödien enthalten oft derartige Erörterungen und spiegeln damit ebenso zeitgenössische Debatten um Technik und Wissenschaft wider. In der Veranstaltung soll einerseits die Entwicklung der Filmtechnik nachvollzogen werden, andererseits erfolgt eine Analyse der medialen Darstellung von Wissenschaft, Technik und Technikern anhand ausgewählter Filmbeispiele. Sie begleitet die vom Teilprojekt M des SFB 804 für das Museumskino der Technischen Sammlungen Dresden konzipierte Filmreihe [Alb]TraumMaschinen. Wissenschaft und Technik im deutschen Spielfilm, die einen Bogen spannt vom fantastischen Stummfilm-Kino der Weimarer Republik über propagandistisch gefärbte Produktionen aus der Zeit des Nationalsozialismus bis hin zu herausragenden Beispielen des DEFA-Schaffens. Dieser chronologische Durchgang durch die deutsche Filmgeschichte verspricht eine repräsentative Übersicht zur filmischen Auseinandersetzung mit Wissenschaft und Technik. Zugleich eröffnet sich die Möglichkeit, die stilecht mittels alter Ernemann-Projektoren gezeigten Filme bei freiem Eintritt auf der „großen Leinwand“ zu entdecken. Als praxisrelevante Prüfungsleistung sollen im zweiten Teil der Reihe die Kurzeinführungen zu den Filmen durch die teilnehmenden Studierenden bestritten werden.
Programmheft
SoSe 2012
Praxisseminar: Ingenieure und Naturwissenschaftler der Technischen Hochschule Dresden im Nationalsozialismus
Die Machtübertragung auf die Nationalsozialisten führte auch an der Technischen Hochschule Dresden, dem Vorläufer der TU Dresden, zu tief greifenden Einschnitten. Allerdings verblieb die überwiegende Mehrheit der Wissenschaftler auf ihren Positionen. Diesen boten sich gewisse Handlungsspielräume, auf Zwangslagen und Mobilisierungsstrategien der NS-Technik- und Wissenschaftspolitik zu reagieren. Während eine Minderheit erstaunlich resistent blieb, stellte sich die Mehrheit der Ingenieure und Wissenschaftler willfährig in den Dienst an „Volksgemeinschaft“ und Kriegsführung, sie sorgten damit für scheinbare Legitimität und Stabilität der Diktatur.
Ziel des Seminars ist die Konzeption und Gestaltung einer Ausstellung, die in der Sächsischen Staats-, Landes- und Universitätsbibliothek (SLUB) gezeigt werden soll. Deren Besuchern soll anhand ausgewählter Biografien von TU-Wissenschaftlern die Bandbreite der Verhaltensmöglichkeiten in der NS-Diktatur verdeutlicht werden. Außerdem dient die Ausstellung dazu, auf Forschungen im Rahmen des Sonderforschungsbereiches 804 „Transzendenz und Gemeinsinn“ aufmerksam zu machen. Das Praxisseminar erschließt das Thema auf inhaltlicher und methodologischer Ebene, durch Kooperation mit der SLUB wird das Handwerkszeug der Ausstellungspraxis vermittelt. Darüber hinaus werden, mit der Fokussierung individuellen Handelns, auch die Grundlagen und Potentiale der Biografik behandelt.
Ausstellungsbroschüre
Stimmen zur Ausstellung
WS 2011/12
Proseminar: Geschichte des Wohnens in der Moderne
Der Umzug des Menschen aus dem Biotop ins „Technotop“, der sich in der Moderne vollzog, lässt sich am Beispiel der Geschichte des Wohnens besonders eindrücklich darstellen. Dementsprechend wird im Seminar ein facettenreicher Überblick über Aspekte der technisierten Befriedigung dieses Grundbedürfnisses seit Beginn der Industrialisierung angestrebt. Produktions- und Konsumsphäre, Bauen und Wohnen, sollen dabei gleichberechtigt behandelt werden. Damit geraten so unterschiedliche Themen, wie etwa die Rationalisierung des Wohnungsbaus, Baumaterialien und Bautechniken, Probleme des Großsiedllungsbaus aber auch die forcierte Haushaltstechnisierung, Verschiebungen zwischen Privatheit und Öffentlichkeit, sich wandelnde Haushalts- und Familienformen sowie Hypothekenkredite in den Blick. Insgesamt gilt es, die sozialen, kulturellen, politischen, ökonomischen und materiellen Aspekte der komplex technisch arrangierten und überformten menschlichen Realität „Wohnen“ herauszuarbeiten.
SoSe 2011
Proseminar: Das Medium ist die Massage - Kommunikationstechniken im 19. und 20. Jahrhundert
Der Austausch von Informationen ist ein menschliches Bedürfnis, das in der Moderne in immer technisierterer Form realisiert wird. Dies gilt sowohl für interpersonale Formen der Kommunikation als auch für massenmediale Vermittlungen. Wenn es zutrifft, dass die Form der jeweiligen Medien zuweilen stärker prägt als deren Inhalte (Marshall McLuhan), dann verspricht ein Blick auf die Entwicklung der medialen Artefaktwelt auch Aufschluß über die Genese gesellschaftlicher Kommunikationsweisen. Gerade mit Personal Computer und Internet verbundene Kommunikationsmöglichkeiten wie Online-Foren und Chats, Homepages und E-Mail lassen an neue Formen der Vergemeinschaftung denken. Andererseits sind Medien - wie alle Technologien - Produkte gesellschaftlicher Entwicklung, deren Gebrauch auch symbolische Funktionen erfüllt. Mobile Kommunikation und Medienkonvergenz (Smartphones) liefern vielfältiges Anschauungsmaterial hierfür.
Neben diesen jüngeren Technologien nimmt das Seminar auch traditionellere Medien wie Hörfunk, Film und Fernsehen, Telegraf und Telefon, Schallplatte, Tonband und CD in den Blick, sodass ein Überblick über die Medienentwicklung in der Moderne geboten wird. Da dabei stets nach gesellschaftlichen Voraussetzungen und Wirkungen kommunikativer Praktiken gefragt werden soll, ist eine breite sozial-, kultur- und wirtschaftshistorische Kontextualisierung unerlässlich. Auf diese Weise wird am Beispiel der Kommunikationstechniken in Begriffe, Fragestellungen und Methoden der modernen Technikgeschichte eingeführt. Propädeutische Anteile werden im obligatorischen Tutorium vertiefend behandelt.
WS 2010/11
Proseminar: Geschichte der Bekleidung in der Moderne
Textiltechnische Innovationen bildeten im Großbritannien des 18. Jahrhunderts den Ausgangspunkt für den Durchbruch zu selbstragendem Wachstum und zu einer weitgehenden Industrialisierung, die der modernen Welt ihren Stempel aufdrücken sollte. Zentral organisierte Maschinenarbeit innerhalb eines Fabriksystems setzte sich zuerst im englischen Textilgewerbe durch, das damit zur Basisindustrie der Industriellen Revolution wurde. Noch im 20. Jahrhundert blieb die Herstellung von Kleidung lange Zeit eine der wichtigsten gewerblichen Tätigkeiten in Europa, bis die Produktion im Zuge immer neuer Globalisierungsschübe zunehmend in Billiglohnländer verlagert wurde. Der beschriebene Prozess lässt sich ebenso als "Nachfrage-Revolution" und als "Transformation des Verlangens" (F. Braudel) beschreiben, denn den Anreiz für Investitionen bildeten Veränderungen des Kleidungsverhaltens und ein zunehmender Kleiderkonsum, die sich bereits vor der Durchsetzung technischer Innovationen beobachten ließen. Im Seminar werden Produktion und Konsum gleichberechtigt betrachtet, wobei die technisierte Realisierung des menschlichen Grundbedürfnisses Bekleidung über einen langen Zeitraum von 250 Jahren verfolgt wird. Dabei ergibt sich die Möglichkeit, Kleidung als komplexes Zeichensystem zur Markierung gesellschaftlicher Differenzen zu verdeutlichen, und einen weiten Bogen von der "Spinning Jenny" bis zu den postmodernen Kleidercodes jugendlicher Subkulturen zu spannen.
SoSe 2010
Praxisseminar: Ausstellungskonzeption - Technische Utopien
Technikbasierte Zukunftsvorstellungen sind ein bedeutsames Medium gesellschaftlicher Technikdiskurse und dabei vorgenommener Bedeutungszuschreibungen. Die Hochmoderne (1880–1970) war wesentlich durch technische Utopien und die Idee einer durch neue Technik heraufzuführenden besseren Welt geprägt. In technischen Zukunftsvorstellungen gingen Technik- und Wissenschaftsgläubigkeit eine enge Liaison ein. Daher sind technische Utopien ein ideales Untersuchungsobjekt, um das technische Fortschrittsversprechen und die daran geknüpfte Altruismusbehauptung der Ingenieure, deren wechselseitige Verschränkung die Epoche prägte, zu entschlüsseln. Schließlich können wir aus kollektiven Zukunftsvorstellungen und -hoffnungen zwar wenig über spätere Wirklichkeiten erfahren, dafür aber viel über vergangene Gesellschaften lernen. Ziel des Seminars ist die Konzeption und Gestaltung einer Ausstellung, die in der Sächsischen Staats-, Landes- und Universitätsbibliothek (SLUB) gezeigt werden soll. Deren Besucher sollen anhand der Thematik „Technische Utopien“ auf die technikhistorischen Forschungen im Rahmen des SFB „Transzendenz und Gemeinsinn“ aufmerksam gemacht werden. Der Facettenreichtum der Thematik bietet dazu vielfältige Anknüpfungspunkte. Das Praxisseminar erschließt das Thema auf inhaltlicher und methodologischer Ebene, durch Kooperation mit der SLUB wird darüber hinaus das Handwerkszeug der Ausstellungspraxis vermittelt.
Ausstellungsbroschüre
Stimmen zur Ausstellung
SoSe 2010
Seminar: Infrastrukturgeschichte
Der Begriff „Infrastruktur“ ist seit den 1960er aus dem militärischen Sprachgebrauch der NATO allmählich in die Alltagssprache übernommen worden. Auch wenn eine exakte, allgemein anerkannte Definition nicht existiert, werden darunter doch gemeinhin alle Einrichtungen verstanden, die für eine ausreichende Daseinsvorsorge und wirtschaftliche Entwicklung erforderlich sind. Im Seminar werden wir uns auf die Untersuchung der Entwicklung technischer Infrastrukturen in den Bereichen Versorgung, Entsorgung, Kommunikation und Verkehr seit dem 19. Jahrhundert konzentrieren. Die Trinkwasserversorgung, Stromnetze, Gas- und Fernwärmeleitungen, Müllentsorgung, Abwasserkanäle, Wertstoffverwertung, Rundfunk- und Telefonnetze, das Internet sowie Schiffs-, Bahn-, Luft- und Straßenverkehr werden von Technikhistorikern als „Großtechnische Systeme“ analysiert, als vernetzte Ensembles aus technischen, personalen und organisatorischen Komponenten. Diese prägen in einer technisierten Welt das Alltagsleben, unsere Raumvorstellungen und Erfahrungen. Infrastrukturen beeinflussen die gesellschaftliche Integration sowie Herrschafts- und Machtbeziehungen. Daher ist ihre Etablierung mit vielfältigen Konflikten verbunden, beispielsweise darüber, ob Planung, Erstellung und Instandhaltung dieser kostenträchtigen, verletzlichen, häufig inflexiblen, Ressourcen verbrauchenden und ökologisch bedenklichen Systeme unter staatlicher oder privater Trägerschaft erfolgen sollten.
WS 2009/10
Proseminar: Technisierung der Sexualität - Sexualisierung der Technik
Die Industrialisierung des 19. und 20. Jahrhundert lässt sich als zunehmend technisierte und verwissenschaftlichte Befriedigung von Grundbedürfnissen deuten. Sicherlich zählt auch Sexualität für die meisten Menschen zu diesen Bedürfnissen. Daher hat die Frage ihre Berechtigung, ob auch dieser Bereich menschlicher Existenz von Verwissenschaftlichungs- und Technisierungsprozessen geformt wird oder aber ob „Sexualität in ihrem Kern von der Konsumgesellschaft unberührt geblieben“ (W. König) ist. Auf der anderen Seite formt Sexuelles zweifelsohne die Artefaktwelt. Man denke nur an die Rolle des US-Pornomarktes bei der Durchsetzung von Videostandards oder an die treibenden Kräfte hinter der rasanten Verbreitung des Internets. In dem als Überblick angelegten Seminar soll das Verhältnis von Technik und Sexualität in der Moderne näher bestimmt werden. Dazu werden wir uns mit so unterschiedlichen Themen, wie der revolutionären Wirkung moderner Kontrazeptiva, der diskursiven Konstruktion des weiblichen Körpers, aber auch mit Autodesign beschäftigen.
SoSe 2009
Aufbauseminar: Technikgeschichte als Produktgeschichte: Genussmittel in der Moderne
Produkte sind materialisierte Kulturgeschichte. Sie verkörpern soziale Normen und strukturieren soziales Handeln in vielfältigen Kontexten der Produktion, Kommodifikation, Distribution, Konsumtion, persönlichen und symbolischen Aneignung. Im Seminar werden methodische Zugänge der Produktgeschichte am Beispiel der Genussmittel exemplifiziert. Denn die Beschäftigung mit diesem Themenkomplex eignet sich nicht nur besonders gut zur systematischen Betrachtung der Dynamik alltagskultureller Praxen. Die Perspektive auf den individuellen und gesellschaftlichen Umgang mit Genuss- und Suchtmitteln, auf klassen-, kultur- und geschlechtsspezifische Modi des Konsums, wird ergänzt durch Analysen der Produktionsbedingungen, der Rolle multinationaler Konzerne, des transkontinentalen Transfers, der Produktgestaltung, der Werbung und des Marketings, der Prohibition, Besteuerung und Legalisierung. Bier, Wein, Branntwein, Tee, Kaffee, Kakao, Schokolade, Zucker, Erfrischungsgetränke, Tabak, Cannabis, Opium, Kokain sind zumeist globalisierte Waren, deren Ursprünge in vielen Fällen in ehemaligen Kolonien liegen. Sie offenbaren die europäische Genusskultur als Kehrseite des Kolonialismus, sodass sich Fragen nach der Persistenz globaler Machtverhältnisse aufdrängen.
Programm
Literaturliste
WS 2008/09
Proseminar: Technische Katastrophen im 19. und 20. Jahrhundert
Brückeneinstürze, Eisenbahnunfälle, Schiffsuntergänge, Flugzeugabstürze, Dammbrüche, Chemieunfälle, Atom- und Weltraumkatastrophen sind existenziell bedrohliche Ereignisse und zugleich Brennpunkte, in denen Wertbezüge und Reaktionsmöglichkeiten moderner Gesellschaften sichtbar werden. Technische Katastrophen sind geeignet, das technizistische Fortschrittsversprechen der Moderne als Grundlage gesellschaftlicher Wohlfahrt in Frage zu stellen. Sie bedürfen daher der Reflexion und Sinngebung, um die Wiederherstellung von Ordnung möglich zu machen. Vornehmlich über Unfälle und Katastrophen nahmen die sich entfaltenden Industriegesellschaften wahr, dass Technik im Vergleich zur Vormoderne keineswegs geringere, sondern weitaus umfangreichere Gestaltungsprobleme hervorrief. Wahrnehmungs-, Deutungs- und Regulierungsmuster von Unsicherheitsproblemen sowie Strukturen des Sicherheits- und Konfliktmanagements geraten damit in den Blick. Da es sich um medial vermittelte Ereignisse handelt, werden im Seminar anhand von Quellenstudien neben der ereignisbezogenen Rekonstruktion und Ursachensuche vor allem Katastrophendeutungen in unterschiedlichen Medien sowie die darin enthaltenden Technik- und Fortschrittsbegriffe thematisiert. Dies schließt die Beschäftigung mit fiktionalen Katastrophen, die zeitspezifische Werthaltungen, Ängste und Entwicklungshoffnungen in Bezug auf Technik offenbaren, ein.
Programm
Literaturliste
SoSe 2008
Proseminar: Rasender Stillstand? Geschichte der Mobilität im 19. und 20. Jahrhundert
Ist räumliche Mobilität eine anthropologische Konstante, ein Grundbedürfnis wie Nahrung, Kleidung und Wohnung? Auch in vormodernen Zeiten waren Menschen mobil, beispielsweise als Entdecker und Eroberer, Händler und Pilger, Forscher und Studenten. Sie bildeten persönliche Netzwerke und transferierten Wissen, Gedanken und Waren. Doch erst in der Moderne scheint Immobilität zum Stigma, ubiquitäre Mobilität dagegen zum Garanten für Lebensqualität, Teilhabe und Selbstbestimmung geworden zu sein. Immer neue Mechanisierungs-, Maschinisierungs-, Beschleunigungs- und Individualisierungsschübe haben seit der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts zahlreiche technische Innovationen im Transportbereich hervorgebracht, die das Leben der Menschen grundlegend verändert haben. Die modernen Verkehrsmittel dienten nicht nur der Raumüberwindung, sondern waren Verursacher und Indikatoren kulturellen Wandels, formten Ökonomie und Umwelt. Die massenhafte Produktion von Mobilität führte dabei zu zahlreichen Verträglichkeitsproblemen und - in kulturpessimistischer Sicht - zu einem „rasenden Stillstand“ (Virilio), der sich im Dauerstau auf unseren Straßen ebenso manifestiert wie in der weltumspannenden virtuellen Mobilität des Internet.
Im Seminar werden wir uns mit Transportmitteln wie Dampfschiffen, Eisenbahnen, Fahrrädern, Autos, Straßenbahnen, Flugzeugen und Raumschiffen beschäftigen, um die Voraussetzungen und Bedingungen räumlicher Mobilität in der Moderne zu ergründen. Da diese Bestandteile großtechnischer Systeme sind, müssen Infrastrukturen wie Kanäle, Landstraßen, Autobahnen oder Netzverbindungen ebenso thematisiert werden, wie die rechtlichen Rahmenbedingungen des Verkehrs. Schließlich geraten die Akteure der Mobilität, die sich in ihrer Transportmittelwahl nicht immer von Effizienzkriterien leiten lassen, als Flaneure, Interrailer, Rennfahrer, Mountainbiker, Piloten oder Internetsurfer mit ihren sich wandelnden Raumkonzepten in den Blick. Dabei gilt es vor allem, die Interdependenzen technischer, ökonomischer, gesellschaftlicher und kultureller Entwicklung zu verdeutlichen.
Programm
Literaturliste
WS 2007/08
Proseminar: Weisse Elefanten - Technische Großprojekte und Hochtechnologien in Diktaturen des 20. Jahrhunderts
Weisse Elefanten sind technische Großprojekte, die in der Planungsphase erhebliche Prestige- und Fortschrittsgewinne versprechen, bei ihrer Realisierung aber all zu oft verheerende wirtschaftliche, ökologische, gesellschaftliche und politische Folgen zeitigten. Schuld daran ist das Fehlen einer sorgfältigen Technikfolgenabschätzung. Eine derartige Technologiepolitik ist keineswegs auf Diktaturen beschränkt, megalomanische Großprojekte lassen sich auch in liberalen Demokratien finden, stoßen dort aber oft auf gesellschaftlichen Widerstand, was ihre Realisierung behindern kann. Man könnte die These aufstellen, dass eine idealtypische Konstellation, die im 20. Jahrhundert fragwürdige Großprojekte tatsächlich hervorgebracht hat, das enge Zusammenspiel von Diktatoren und Ingenieuren war. Das Seminar wird sowohl Projekt gebliebene, als auch realisierte technologische Strukturen in den Blick nehmen, um an diesen Beispielen die Spezifika diktatorischer Innovationssysteme herauszuarbeiten. Als Fallstudien kommen dabei u. a. Speers Germania-Planungen, die Reichsautobahnen und der Westwall, Dawydows „Plan zur Umgestaltung der Natur“ und der Bau des Belomor-Kanals, Elektrifizierungskampagnen und Atomtechnologie, Industrieprogramme der DDR oder auch Staudammbauten in China in Frage.
Programm
Literaturliste
SoSe 2007
Proseminar: Von der Biersuppe zum Fastfood: Zur Industrialisierung der menschlichen Ernährung im 19. und 20. Jahrhundert
Man ist, was man isst. So gesehen unterscheiden sich die Menschen des 19. Jahrhunderts erheblich von heutigen Nahrungsmittelkonsumenten. Denn nach Überwindung der letzten Hungerkrisen in Europa nahm in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch die Industrialisierung der Nahrungsmittelproduktion ihren Ausgang, wodurch sich Angebot und Konsum nachhaltig veränderten. Entfalteten zunächst verschiedene Konzentrate aber auch Kondensmilch, Großbrauereien und die Konservendosenindustrie innovative Wirkungen, so wurde die Organisation der Chicagoer Schlachthöfe gar zum Vorbild weiter Teile der industriellen Welt. Während die Ernährungsforschung in Kriegszeiten auf die industrielle Herstellung unterschiedlichster Surrogate fokussiert war, gewannen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Kühlprodukte, Gefrierkost und Fertigprodukte an Bedeutung. Die Ausbreitung von Light-Produkten und Functional-Food bestimmt heutige Diskussionen ebenso, wie die Sorge um ein unkontrolliertes Einsickern genveränderter Lebensmittel.
Das als Überblick angelegte Proseminar schlägt einen weiten Bogen von den Subsistenzkrisen des ausgehenden 18. Jahrhunderts bis zur „MacDonaldisierung“ heutiger Tage. Lebensmittelforschung, -produktion und –konsum sollen gleichberechtigt in den Blick genommen werden, so dass ganz unterschiedliche Referatsthemen wie beispielsweise die frühindustriellen Brotkrawalle, die Entwicklung der Dresdener Verpackungsindustrie oder die „Grüne Revolution“ in den so genannten Entwicklungsländern denkbar sind. Als Hauptziel gilt es dabei, die menschliche Ernährung als Ausdruck geschlechtsspezifischer, kultureller und sozialer Differenz zu verdeutlichen.
Programm
Literaturliste
WS 2006/07
Proseminar: Luxus und Technik in der Frühen Neuzeit
Sind die Frauen an allem schuld? Diesen Eindruck kann man jedenfalls gewinnen, wenn man Werner Sombarts Klassiker „Luxus und Kapitalismus“ von 1913 zur Hand nimmt. Demnach haben liebestrunkene, zahlungskräftige Männer vor allem zur Befriedigung der Konsumwünsche ihrer Kurtisanen seit der Frühen Neuzeit verstärkt Luxuswaren nachgefragt. Dieser Wandel der Präferenzstruktur bereitete nach Sombart letztlich den Weg für die Durchsetzung von Kapitalismus und Konsumgesellschaft.
Im Proseminar soll die Stichhaltigkeit der Sombart’schen Thesen anhand ausgewählter Waren- und Produktgeschichten getestet werden. Ging von Gewerbe- und Manufakturartikeln wie Seide, Spitze, Spiegeln, Möbeln oder Porzellan tatsächlich eine Transformation der Produktionsverhältnisse aus? Was verbindet den Kunstkonsum niederländischer Bürger im 17. Jahrhundert mit der britischen „industrious revolution“ des 18. Jahrhunderts oder der Hofhaltung August des Starken? Die Beschäftigung mit Luxusdebatten, Luxuskritik, Luxussteuern und Luxusverboten wird verdeutlichen, dass Luxus immer relativ ist und von sich wandelnden Diffusions- und Knappheitsgraden geprägt wird. Zum Aufwand, der über das Notwendige hinausgeht (=Luxus), gehörten für lange Zeit auch die neuen Kolonialwaren wie Zucker, Tee, Kaffee, Kakao oder Tabak. An diesen Beispielen lässt sich die europäische Genusskultur schließlich als Kehrseite des Kolonialismus verdeutlichen. Zudem sollen dabei Ansätze und Möglichkeiten transnationaler Technikgeschichtsschreibung demonstriert werden.
Programm
Literaturliste
SoSe 2006
Proseminar: Technik und Konsum im Nationalsozialismus
Moderne Technikgeschichte beschäftigt sich nicht nur mit Wissenschaftlern und Ingenieuren, Unternehmen und staatlicher Innovationspolitik, sondern bezieht vielmehr zunehmend auch den Konsumenten als eigenständigen Faktor von Innovationssystemen in ihre Untersuchungen ein. Diese Fokussierung auf die Nachfrageseite eröffnet die Möglichkeit zur Bearbeitung spannender Themenkomplexe, die für eine kulturgeschichtliche Herangehensweise besonders ergiebig sind. Werbung und Handel kommen dabei beispielsweise ebenso in den Blick, wie Fragen der Distinktion oder einzelne Produktgeschichten.
Neben der Entwicklung allgemeiner Rahmenbedingungen von Konsum, Ernährung und Lebensstandard werden im Seminar vor allem langlebige Konsumgüter, wie Autos, Radios oder Kühlschränke im Zentrum des Interesses stehen. Mit dem Nationalsozialismus wird dabei eine Zeit untersucht, in der die Anfänge von Technisierungsprozessen, die in der zweiten Jahrhunderthälfte an Bedeutung gewinnen sollten, von der Vorbereitung und Durchführung eines Angriffskrieges überlagert wurden. Dies führt zur zentralen Frage nach den Implikationen, die eine durch das Leitbild der Autarkie geprägte Innovationskultur auf die Entwicklung von Konsumtechniken hatte. Half eine „reaktionäre Modernisierung“ im Nationalsozialismus die spätere Massenkonsumgesellschaft vorzubereiten oder gründeten „technologische Lücken“ der Nachkriegszeit in der vormaligen Konzentration auf das Militärische? Das Seminar wird am Beispiel dieser und weiterer Forschungskontroversen zur nationalsozialistischen Diktatur in Begriffe und Inhalte, Methoden und Hilfsmittel der modernen Technik- und Konsumgeschichte einführen.
Programm
Literaturliste
WS 2004/05
Proseminar: Surrogate - Zur politischen Ökonomie der Ersatzstoffe
Substitute, Imitate und Surrogate bieten sich als Studienobjekte einer kulturwissenschaftlich orientierten Technikgeschichte in besonderem Maße an, da sich an diesem Beispiel Fragen der Innovation und Produktion ebenso exemplarisch verdeutlichen lassen wie Aspekte des Konsums, der Aneignung und der Distinktion. Obwohl den Ersatzstoffen das Odium der Minderwertigkeit anhaftet, muss ihr Einsatz nicht per se eine Qualitätsverschlechterung bedeuten. Vielmehr haben zahlreiche preiswerte Alternativen im Laufe ihrer Karriere überlegene Produkteigenschaften bewiesen. Auch lassen sich Surrogate als Konsumverstärker interpretieren (W. König), da sie oft teurere Produkte ersetzten, weniger Begüterten den Erwerb ermöglichten, und damit dem Massenkonsum den Weg bereiteten.
In Frage kommt insbesondere die Beschäftigung mit den seit dem 18. Jahrhundert ersetzten Nahrungs- und Genussmitteln Kaffee, Kakao, Zucker und Butter. Anschließend müssen Synthesefasern (Viskose, Nylon) und Kunststoffe, die unserer modernen Welt ihren Stempel aufdrücken, ebenso in den Blick genommen werden, wie ihre Vorgänger aus dem späten 19. Jahrhundert (Zelluloid, Bakelite). Ersatzstoffe erhalten eine besondere Bedeutung in Ökonomien, die - freiwillig oder unfreiwillig - auf Autarkie orientiert sind. Daher werden wir uns mit der Stickstoff-Synthese im Ersten Weltkrieg, den Treibstoff und Kautschuksynthese-Projekten der Nationalsozialisten, aber auch mit der Trabantkarosserie und der Schlager-Süsstafel beschäftigen. Schwerpunkte können den Interessen der Teilnehmer gemäß gesetzt werden.
Programm
Literaturliste
SoSe 2004
Übung: Innovations-, Industrialisierungs- und Modernisierungstheorien
In dem Lektürekurs werden Texte diskutiert, die für eine Theorie geleitete, historische Analyse in der Technik- und Wissenschaftsgeschichte, Wirtschafts- und Sozialgeschichte von Relevanz sind. Dabei sollen über den engeren Rahmen technologischer Innovationsprozesse hinausgehend auch Prozesse gesellschaftlicher Modernisierung in den Blick genommen werden.
Schwerpunkte können den Interessen der Teilnehmer gemäß gesetzt werden. In Frage kommt u. a. eine Auseinandersetzung mit folgenden Themenkomplexen und Theorieansätzen: Industrialisierung vs. Industrielle Revolution, Protoindustrialisierung, Modernisierung und reflexive Modernisierung, der Schumpetersche Unternehmer: schöpferische Zerstörung, Pfadabhängigkeiten, Institutionenökonomie, technische Paradigmen, großtechnische Systeme, technische Stile, social construction of technology, triple helix of innovation, Mode 2 der Wissensproduktion, Eng-Kopplung, Dienstleistungsgesellschaft, Konsumgesellschaft, Wissensgesellschaft, nationale Innovationssysteme und Innovationskulturen ... Die Bereitschaft zur regelmäßigen Lektüre der im Seminarordner zur Verfügung gestellten Texte wird ebenso vorausgesetzt, wie passive Englischkenntnisse.
Programm
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WS 2003/04
Proseminar: "Brot, Wohlstand, Schönheit" Das Chemieprogramm der DDR
Im Juli 1958 versprach Walter Ulbricht der Bevölkerung der DDR mit der Ankündigung eines ambitionierten Programms zum Auf- und Ausbau der chemischen Industrie "Brot, Wohlstand und Schönheit". Als Kernstück des Siebenjahrplanes sollte das Chemieprogramm entscheidend dazu beitragen, den Pro-Kopf-Verbrauch wichtiger Konsumgüter in der DDR über das westdeutsche Niveau zu heben, um durch diese Steigerung des Lebensstandards die Überlegenheit des Sozialismus zu beweisen. Trotz des vorzeitigen Scheiterns des Siebenjahrplanes prägten das Chemieprogramm und die daraus entstandenen Strukturen das Gesicht der DDR bis zu ihrem Verschwinden. Der Inhalt des Proseminars wird sich daher nicht auf die Zeit bis 1965 beschränken. Vielmehr sollen das Chemieprogramm und die Entwicklung der chemischen Industrie als Ausgangspunkte für die Diskussion ausgewählter Aspekte von Wirtschaft und Gesellschaft, Technik und Kultur in der DDR dienen. Als Themenfelder für Referate und Hausarbeiten kommen - neben Ihren eigenen Vorschlägen - u. a. infrage: "Plaste und Elaste aus Schkopau", ORWO - Film aus Wolfen, DEDERON - Kunstfasern in der DDR, Chemie an den Hochschulen der DDR, Neues Ökonomisches System und chemische Industrie, Kunststoffe in Werbung und Propaganda, Der Übergang von der Karbid- zur Petrolchemie (und zurück), Ökologische Folgen der Chemisierung der Volkswirtschaft, Der "Bitterfelder Weg" - Kulturpolitik im Zeichen der Chemie.
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SoSe 2003
Übung: Maschinensturm
Wir werden uns anhand von Augenzeugenberichten mit der Maschinenstürmerei vorrangig des 19. Jahrhunderts beschäftigen. Die Arbeit mit historischen Zeitungsberichten bietet dabei die Möglichkeit, für das Examen relevante Techniken der Quelleninterpretation einzuüben. Zum Zwecke der internationalen Verortung sollen neben Vorkommnissen aus dem vormärzlichen Deutschland auch die englischen Ludditen näher untersucht werden. Das weite Feld gewalttätiger Technikfeindschaft fordert schließlich zur Auseinandersetzung mit theoretischen Konzepten wie "Sozialer Protest", "Moral Economy" oder "Social Construction of Technology" heraus.
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