Fachdidaktik/ Exkursionsseminar: Gedenkstättenpädagogik und Philosophische Bildung
Unsere Exkursion in das Ghetto Theresienstadt – 16.01. - 18.01.2024 (Exkursionsbericht von Selina Rocho)
Nach zwei Vorbereitungssitzungen, begann am 16. Januar 2024 endlich unsere Exkursion in das Ghetto Theresienstadt in Tschechien. Die Exkursion wurde von Prof. Tiedemann organisiert (nochmals ein herzliches Dankeschön dafür) mit dem Fokus auf fachdidaktischen Gesichtspunkten. Denn schließlich soll eine Unterrichtssequenz mit der Einbindung des außerschulischen Lernortes Theresienstadt erstellt werden.
Als wir am Vormittag angekommen waren, begann sogleich unser Programm mit dem ersten Teil der Führung durch das Ghetto, dass von 1941 bis 1945 von den Nationalsozialisten für ihre grauenvollen Zwecke genutzt wurde. Wir erfuhren etwas über die Organisation des Ghettos, indem wir die Dresdner Kaserne und die Kinderheime besuchten und uns so einen Überblick über den Aufbau der Stadt verschaffen konnten. Schließlich bezogen wir nach einem stärkenden Mittagessen unsere Zimmer in der Magdeburger Kaserne, die in der Ghettozeit als Sitz der sogenannten jüdischen Selbstverwaltung diente. Anschließend hörten wir einen Vortrag des Leiters der pädagogischen Abteilung über das didaktische Konzept mit der Möglichkeit des Gesprächs danach. In der Magdeburger Kaserne und im Ghetto Museum erhielten wir unter anderem Einblicke in die künstlerische Arbeit im Ghetto, die toleriert wurde, um Aufstände zu vermeiden. Wir haben viele Zeichnungen und Bilder von Kindern gesehen, die so ihr Leben im Ghetto dargestellt haben, was wirklich sehr berührend war. Am Abend haben wir die Eindrücke des Tages durch einen Bildimpuls verarbeitet, und damit auch eine Methode kennengelernt, die man auch im Unterricht einsetzen kann. Natürlich durfte danach auch ein entspannter Tagesabschluss in der Gruppe nicht fehlen.
Am Mittwoch hatten wir nach dem Frühstück die Gelegenheit Einblicke in die geplante Umgestaltung des Ghettomuseums zu bekommen. Wir sprachen darüber mit Mitarbeiter:innen der historischen Abteilung der Gedenkstätte. Anschließend folgte der zweite Teil der Führung durch das Ghetto zum Kolumbarium und den Zeremonieräumen, wo die Insassen die Möglichkeit hatten, sich zumindest halbwegs würdevoll von ihren Toten zu verabschieden. Auch dies, sowie ein kleiner Betraum wurde toleriert, um Aufstände wie es sie zum Beispiel im Warschauer Ghetto gegeben hat, zu verhindern. Nach einem kurzen Fußweg gelangten wir nun zum Krematorium und zum angrenzenden jüdischen Friedhof, der dort nach der Ghettozeit angelegt wurde, nachdem die Asche tausender Toter dort von den Nationalsozialisten kurz vor der Befreiung verstreut oder in die Eger geschüttet wurde.
Am Nachmittag wurde uns die Ehre des Gesprächs mit einer Zeitzeugin zuteil, die ihre Kindheit im Ghetto Theresienstadt verbringen musste. Sie schilderte uns ihre Erfahrungen und Erlebnisse aus dieser Zeit und sie beantwortete uns geduldig all unsere Fragen. Ich kann kaum in Worte fassen, wie rührend diese Begegnung für uns war. Besonders eindrücklich war ihr Appell an unsere Verantwortung, die wir tragen, besonders wir, die jetzt noch die Gelegenheit haben, Zeitzeug:innen hören zu können. Und auch wenn unsere Schüler:innen diese Chance später wohl nicht mehr haben werden, ist es unsere Verantwortung dieses Bewusstsein weiterzugeben.
Wir hatten danach Zeit unsere Eindrücke individuell zu verarbeiten und uns die Ausstellung selbstständig anzusehen, bevor wir uns nach dem Abendessen einem fachdidaktischen Schwerpunkt gewidmet haben – nämlich der Holocaustleugnung und Radikalisierung als Herausforderung des Ethik- und Philosophieunterrichts. Nach einer beispielhaften Konfrontation konnten wir am besten auswerten, wie man auf derartige Vorkommnisse in der Praxis reagieren kann. In diesem Zusammenhang ging es auch um die verschiedenen Ebenen von Geschichtsrevisionismus, Taktiken, die dabei verwendet werden und wie man sie widerlegen kann.
Da das ein sehr bewegender Tag war, tat das Zusammensitzen am Abend wirklich gut und war ein gesunder Ausgleich.
Bevor wir Donnerstag nach dem Mittagessen wieder die Heimreise angetreten haben, besichtigten wir noch die sogenannte Kleine Festung, die von der Gestapo als Gefängnis genutzt wurde. Mir fehlen die Worte, um den grauenvollen Haftbedingungen in meiner Beschreibung auch nur ansatzweise gerecht werden zu können.
Last but not least haben wir Ideen gesammelt, wie wir unsere neu gewonnenen Kenntnisse über Gedenkstättenpädagogik und den außerschulischen Lernort Theresienstadt in eine Unterrichtseinheit mit einer Exkursion dorthin einfließen lassen können. Denn das Potential solcher Lernorte ist quasi unerschöpflich und kann Ausgangspunkt für die Behandlung vielfältigster philosophischer Fragen sein.
Vielen Dank an alle Beteiligten für die unvergesslichen Eindrücke, die wir sammeln durften!
Selina Rocho