Nicolai Hartmann
Die DFG hat 2016 ein dreijähriges Forschungsprojekt der TU Dresden und der Universität Wuppertal bewilligt. Projektleiter sind Prof. Joachim Fischer (TU Dresden) und Prof. Gerald Hartung (Uni Wuppertal). Wissenschaftlicher Projektmitarbeiter in Dresden ist der Philosoph Dr. Friedrich Hausen, in Wuppertal der Philosoph Dr. Thomas Kessel . Studentische Hilfskraft in Dresden ist Julia Kappler, in Wuppertal Nina Bausch.
Es handelt sich um ein Editionsvorhaben, das für die Philosophie- und Theoriegeschichte, auch die Intellektuellengeschichte des 20. Jahrhunderts relevant ist.
Der Philosoph Nicolai Hartmann hat von 1920 bis 1950 an seinen verschiedenen Universitäten (Marburg, Köln, Berlin, Göttingen) jedes Semester Disputationen mit ausgewählten Studierenden und Promovierenden zu insgesamt einer Fülle verschiedenster Themen, Fragestellungen und Disziplinen veranstaltet. Alle diese Dialoge wurden (handschriftlich, z.T. mit Schreibmaschine) sorgfältig protokolliert und von Hartmann gesammelt. Das ist erst nach 2010 bekannt geworden, als die Überlassung des Nachlasses Hartmanns seitens der Familie in das Literaturarchiv Marbach zustande kam. Die sog. Cirkel-Protokolle sind ein bedeutender theorie- und ideengeschichtlicher Fund, weil Hartmann in einem dialogischen Prinzip von den 20er über die 30er/40er Jahre (während der NS-Zeit) bis 1950 (Nachkriegszeit) einen jeweiligen Kreis von jungen Intellektuellen konsequent zu Themen der Ethik, der Naturphilosophie, der Sozialphilosophie, Geschichtsphilosophie, Metaphysik, Ästhetik, Erkenntnis- und Wissenschaftsphilosophie etc.) diskutieren lässt. Die DFG hat das als einen bedeutenden geistesgeschichtlichen Fund der deutschsprachigen Theoriebildung des 20. Jahrhundert anerkannt und diesen Fund der Edition für würdig erachtet (Online-Edition + selektive Buchpublikation bei de Gruyter).
Nicolai Hartmann ist ein entscheidender Hintergrundautor für die moderne Philosophische Anthropologie, also für die Philosophen und Soziologen Max Scheler, Helmuth Plessner und Arnold Gehlen. Das DFG-Forschungsvorhaben zu ihm hat einen ähnlichen Status, als würde man Martin Heidegger als Hintergrundautor für Jean Paul Sartre, Hans Jonas und Hannah Arendt erforschen oder den Philosophen Georg Lukács als philosophischen Schlüsselautor für die Frankfurter Schule und ihre Soziologen (Horkheimer, Adorno, Marcuse).
Voraussichtliche Laufzeit: 06/2016 - 05/2019.
Links:
Das Projekt innerhalb des Informationssystems "GEPRIS" der DFG
Pressemitteilung des deutschen Literaturarchivs - Marbach zum Nachlass Nicolai Hartmanns
Publikationen und Veranstaltungen zu Nicolai Hartmann
Die Cirkel-Protokolle aus Hartmanns Nachlass. Einführung in einen philosophiegeschichtlichen Fund des 20. Jahrhunderts,
Marbacher Tagung: Nicolai Hartmann. Sein Denken und sein philosophischer Nachlass.
Deutsches Literaturarchiv Marbach, 12.-14.06.2014, veranstaltet von Ulrich von Bülow, Joachim Fischer, Gerald Hartung.
FAZ Tagungsbericht v. Thomas Thiel, 10.09.2014.
Nicolai Hartmann - Key Figure of German Philosophical Anthropology without belonging the Paradigm,
Vortrag auf der Nicolai Hartmann International Conference, La Sapienzia University, Rome, July 19-21, 2010.
Die "Kölner Konstellation". Scheler, Hartmann, Plessner und der Durchbruch zur modernen Philosophischen Anthropologie,
in: Tilman Allert / Joachim Fischer (Hg.), Plessner in Wiesbaden, Wiesbaden 2014, S. 89-122.
Neue Ontologie und Philosophische Anthropologie. Die Kölner Konstellation zwischen Scheler, Hartmann und Plessner,
in: Gerald Hartung / Matthias Wunsch / Claudius Strube (Hg.): Von der Systemphilosophie zur systematischen Philosophie - Nicolai Hartmann, Berlin/Boston 2012, S. 131-152.
Nicolai Hartmann: A Crucial Figure in German Philosophical Anthropology - Without belonging to the Paradigm,
in: Roberto Poli / Carlo Scognamiglio / Frederic Tremblay (Eds.), The Philosophy of Nicolai Hartmann, Berlin/Boston 2011, S. 73-94.