Sammelband
Call for Abstracts:
Sammelband über "Datafied Decision-Making"
Daten und Gesellschaft stehen in einem dynamischen und komplexen Verhältnis zueinander: Daten formen unsere Welt, während unsere Welt ständig neue Daten produziert. Der Aufstieg der künstlichen Intelligenz und die flächendeckende Verbreitung computergestützter Technologien haben unser Verständnis von Entscheidungsfindung grundlegend verändert. Aufgrund der Datafizierung bewegt sich die Entscheidungsfindung weg von der menschlichen Entscheidungsfindung, hin zu einer Kombination aus quantifizierbaren Daten und rechnerischer Verfahren. Numerische Technologien und Datafizierung rekonfigurieren die epistemologischen und physisch-materiellen Infrastrukturen der Entscheidungsfindung, da sie nicht auf der menschlichen Urteilskraft, sondern auf Algorithmen und künstlicher Intelligenz beruhen. Anders als häufig angenommen, handelt es sich hierbei um ein genuin politisches Phänomen. Die Datafizierung wirkt sich auf Wissenssysteme und soziale Normen aus, verändert die Konzeption von System und Umwelt, stellt etablierte Ansichten über die Natur in Frage stellt, hat Einfluss auf globale Machtverhältnisse und Gerechtigkeitsvorstellungen und wirft rechtliche Fragestellungen auf. Diese komplexe soziale Situation erfordert eine interdisziplinäre Auseinandersetzung.
In unserem Sammelband über datafied decision-making laden wir zur kritischen Reflexion über sozio-technische Entscheidungsfindung in den neugeschaffenen Datenwelten ein. Der Sammelband eröffnet eine Diskussion über die Frage, wie Datafizierungsprozesse die Entscheidungsfindung und unsere soziale Welt gestalten. Wir freuen uns über Beiträge aus den Disziplinen der Politikwissenschaft, Rechtswissenschaft, Soziologie, Environmental Studies, Science and Technology Studies, Critical Data Studies und verwandten Gebieten, die eine kritische Perspektive auf die ethischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Folgen von Algorithmen und Datenpraktiken bieten.
Die Environmental Studies tragen zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den Folgen von datafied decision-making bei, da sie nach den technologischen Antworten auf globale Umweltkrisen fragen und unser Verständnis von Natur, Handeln und Wissen verändern. Dazu gehören unter anderem die Modellierung planetarer und multidimensionaler Systeme zur Simulation zukünftiger Umweltszenarien oder Smart-City-Plattformen, die Daten zur Steuerung der städtischen Nachhaltigkeit nutzen. Indem Ökosysteme als überwachbare, vorhersagbare und optimierbare Systeme dargestellt werden, unterstützen sie Formen der ökologischen Governance, die auf Risikomanagement und Förderung der Widerstandsfähigkeit der Umwelt beruhen. Diese Beispiele verdeutlichen die Notwendigkeit der kritischen Reflexion über Umweltsensorik, Dateninfrastrukturen und ihre Auswirkungen auf die Gestaltung von Umweltzukünften, Wissensregimen und Machtstrukturen.
In der Rechtswissenschaft versprechen datengesteuerte Entscheidungsfindung und juristische Analytik zwar Effizienz in der juristischen Entscheidungsfindung, jedoch werfen sie auch dringende Fragen hinsichtlich der Transparenz, Rechenschaftspflicht und dem Risiko der Verstärkung von Vorurteilen und Stereotypisierung auf, insbesondere in Bezug auf die normativen Vorstellungen von Gerechtigkeit, Autonomie und Diskriminierung. Diese Konstellation veranlasst die Rechtswissenschaft somit kritisch zu untersuchen, wie sich algorithmische Instrumente auf die rechtlichen Rahmenbedingungen, politischen Entscheidungen und Grundrechte auswirken, und sie sucht zudem nach Beiträgen, die sich mit den ethischen, regulatorischen und gesellschaftlichen Herausforderungen im Recht befasst.
Für die politische Philosophie ist datafied decision-making relevant, da es sich hierbei um ein genuin politisches Phänomen handelt, bei dem sich die Logik der politischen Entscheidungsfindung von diskursiven hin zu computergestützten Verfahren bewegt. Obwohl die Sammlung von Daten schon immer ein biopolitisches Instrument war, stellt die datafied decision-making die liberale Demokratie vor eine Herausforderung, da sie die Möglichkeit von Kontingenz bedingt. Zudem erfordert die Auseinandersetzung eine Genealogie des Begriffs der Entscheidung, da dieser Begriff tief in die Ideengeschichte der Rechts- und Politikwissenschaften verstrickt ist. Die Idee von kybernetischen (Öko-)Systemen und die flächendeckende Verbreitung computergestützter Verfahren verändern nicht nur die Art und Weise, wie wir uns Systeme vorstellen, sondern auch wie Entscheidungen auf verschiedenen Ebenen - und in diesem Sinne auch in der Politik - getroffen werden. Eine kritische Auseinandersetzung erfordert eine Historisierung des Begriffs der Entscheidung und die Suche nach alternativen politischen Logiken der demokratischen Entscheidungsfindung in den neu geschaffenen Datenwelten.
Einreichung
Der Sammelband richtet sich an unterschiedliche Karrierestufen. Wir unterstützen Nachwuchswissenschaftler:innen mit einem heterogenen und transdisziplinären akademischen Hintergrund. Für die Einreichung wird ein kurzes Abstract (400-500 Wörter) erwartet, passend zu den oben genannten Themenfeldern. Der Sammelband soll zweisprachig (Engl./Dt.) sein. Abstracts und Beiträge können in Englisch oder Deutsch eingereicht werden. Das Komitee entscheidet über die Beiträge für den Sammelband. Bitte senden Sie Ihre Abstracts bis zum 31. August 2025 per Mail an: SLAB_publication@tu-dresden.de. Nach der Annahme werden die Autor:innen gebeten, einen ersten Entwurf im Rahmen eines Online-Workshops in der zweiten Januarhälfte 2026 zu präsentieren. Der Einsendeschluss für die finale Version (max. 30.000 Zeichen) ist der 31. März 2026.
Komitee:
Johanna Charlotte Grosche (Environmental Studies), Schaufler Lab@TU Dresden
Alexandra Lorch (Rechtswissenschaften), Schaufler Lab@TU Dresden
Nelly Saibel (Politologie), Schaufler Lab@ TU Dresden
Kontakt:
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an:
Weitere Informationen zum Schaufler Lab@TU Dresden finden Sie hier.