Jun 08, 2021; Talk
Dresdner Vorträge: Invektivität, Sommersemester 2021Tobias Boll: "Disabling Differences. Behinderung als Effekt invektiver Bezeichnungen und Behandlungen"
Der Vortrag gibt einen Einblick in die Themen, mit denen Tobias Boll sich aktuell und mittelfristig in seiner Arbeit beschäftigt und versucht, sie mit Blick auf das Konzept der Invektivität zu beleuchten. Ausgangspunkt ist eine Betrachtung von Behinderung als Ergebnis sozialer Praktiken der Herstellung von Differenz. Behinderung wird aus dieser Perspektive nicht als Eigenschaft von Menschen und Körpern gesehen, sondern als Zugehörigkeit zu einer Kategorie, in die manche Personen und Körper kulturell sortiert werden – sie „werden behindert“, wie es das „soziale Modell der Behinderung“ der Disability Studies auf den Punkt bringt. Im Vortrag wird Tobias Boll dieses Phänomen der Humandifferenzierung exemplarisch an zwei Fällen betrachten.
Zum einen wird er einen kurzen Blick auf heute als invektiv geltende Bezeichnungen für Menschen mit Behinderungen werfen (zu denen, je nach Perspektive, das Wort „Behinderte“ genauso gehört wie klarer pejorativ gerahmte Ausdrücke wie ‚Krüppel‘ oder ‚Mongos’). Mit Blick auf ihre Bedeutungskarrieren zwischen wissenschaftlicher Deskription, pejorativer Fremdbezeichnung und politisiertem Re-Claiming wird er versuchen, die Invektivität von Bezeichnungen und die Logik der mit ihr zusammenhängenden Unterscheidung von Menschen analytisch zu verknüpfen.
Zum anderen wird Tobias Boll sein aktuelles Forschungsprojekt vorstellen, das sich mit Differenzkonstruktionen im Bereich Sexualität und Behinderung beschäftigt. Die Sexualität von Menschen mit Behinderungen gilt gesellschaftlich häufig als Problemfall und Tabu. Hier geht es weniger um begriffliche Bezeichnungen, als um ganz praktische Behandlungen von Menschen mit Behinderungen: Das Projekt untersucht, wie in sexualpädagogischen Angeboten für Menschen mit Behinderungen in einem Zug ‚behinderte Sexualität‘ und ‚sexuelle Behinderung‘ konstruiert werden und wie dies zu einem Un/doing Disability beiträgt. Diskutiert werden könnte z.B. die Frage, inwiefern es sich bei der oft diagnostizierten De-Sexualisierung, auf die die untersuchten Angebote reagieren, um eine Herabwürdigung im Sinne des Invektivitätskonzepts handelt.
Dr. Tobias Boll ist Soziologe an der Johannes Gutenberg-Universität (JGU) Mainz sowie als Fellow des SFB 1285 "Invektivität" im Juni 2021 zu Gast an der TU Dresden.
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Collaborative Research Centre 1285 "Invectivity. Constellations and Dynamics of Disparagement"
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