Querschnitt-AG „Invektive Eskalationsdynamiken in verschiedenen sozialen, politischen und kulturellen Ordnungsfigurationen“
Ausgewählte Ergebnisse und Stand der Diskussion
Inhaltsverzeichnis
Verlauf der AG
Am Beginn der Arbeit dieser AG stand die Vorstellung empirischer Studien aus den beteiligten Teilprojekten des SFB (Sommersemester 2018 und Wintersemester 2018/19). Zeitgleich wurden Fragen gesammelt, die sich aus der empirischen Arbeit mit Blick auf den Begriff invektive Eskalationsdynamiken ableiten ließen, etwa die Frage nach dem Verhältnis des Begriffs der Steigerung zum Begriff der Eskalationsdynamik. Diese und weitere Fragen strukturierten die Lektüre in den nachfolgenden Sitzungen. Die konzeptuelle Arbeit begann im Oktober 2018 mit der Lektüre und Diskussion erster Texte zu Stufen- und Mehrebenenmodellen zur Beschreibung von Konflikteskalationen und zum Begriff der Eskalation.[1] Daraufhin wurden das empirische Material auf die Passfähigkeit solcher Modelle erneut befragt und erste Thesen und weiterführende Fragen für das Plenum im Januar 2019 formuliert. Die bis dahin geführte Diskussion ließ erkennen, dass invektive Eskalationsdynamiken sowohl als Steigerung eingesetzter Mittel als auch als Entgrenzung und Überschreitung von Grenzmarkierungen sozialen Verhaltens beobachtet und beschrieben werden können. Die genauere Erklärung, was in einem gegebenen Beispiel Eskalation bedeutet, legt, so die Schlussfolgerung, definitorische Vorannahmen offen. Folgt man dem ersten Verständnis, stehen eher die Konfliktparteien, deren Intentionen, Mittel und Modi der Interaktion im Vordergrund. Schränkt man Eskalation dagegen auf die zweite Bedeutung ein, so gewinnen gesellschaftliche Erwartungen und Handlungsroutinen in der Analyse an Bedeutung. Versteht man unter Eskalation, dass die Regeln für die Austragung einer bestimmten Konfliktform gesprengt werden, rücken die Arenen und ihre Regeln automatisch in den Vordergrund.
Eine Verleumdungskampagne im preußischen Landtag Versteht man unter Eskalation, dass die Regeln für die Austragung einer bestimmten Konfliktform gesprengt werden, rücken die Arenen und ihre Regeln automatisch in den Vordergrund. Häufig zu beobachten ist diese Form der Eskalation beim Übersprung von einer Arena in eine andere, beispielsweise vom Parlament in die Presseöffentlichkeit mit ihren je eigenen Funktionslogiken und Austragungsregeln: Im Oktober 1925 inszenierten völkische Abgeordnete der DVFP (Deutschvölkische Freiheitspartei) im Preußischen Landtag eine Verleumdungskampagne gegen den preußischen Wohlfahrtsminister Heinrich Hirtsiefer (Zentrum). Hierbei unterstellten sie ihm, er sei bei einem beruflichen Aufenthalt in Wien in betrunkenem Zustand und in Begleitung von „zwei Freudenmädchen“ verhaftet worden. Den Regeln der Parlamentsarena konform empörten sich Hirtsiefers Unterstützer mit „Lärm“, während der Minister selbst die ehrverletzenden Unterstellungen als unwahr zurückwies und seine Widersacher zur Wiederholung der Behauptung außerhalb des Hauses aufforderte, wo diesen keine parlamentarische Immunität vor einer Privatklage Hirtsiefers mehr schützen würde. Wenig überraschend geschah dies nicht. Stattdessen waren in den Folgesitzungen Wiederholungsschleifen des Geschehens zu beobachten, die sich jedoch innerhalb der Parlamentsregeln bewegten und somit relativ folgenlos blieben. Doch mit dem Wechsel in die Arena der Presseöffentlichkeit mit ihren eigenen Spielregeln änderte sich dies schlagartig: Als Parlamentsberichterstatter für das völkische „Deutsche Tageblatt“ (Hauptorgan der DVFP) emotional involviert und mobilisiert, griff Julius Lippert die Vorwürfe gegen Hirtsiefer auf und unterbreitete sie in einer regelrechten Kaskade mehrerer verleumderischer ‚Berichterstattungen‘ einer breiteren (Leser)Öffentlichkeit. Auf diesen Zug sprang schließlich Karl Rudolf auf, Redakteur der noch weiter rechtsstehenden Monatsschrift „Der Hakenkreuzler“. In gespielter Empörung ‚übersetzte‘ Rudolf die Missachtungskundgebungen Lipperts in eine nochmals radikalere Sprache und beschrieb Hirtsiefer als einen „aus der frommen Ecke des Parlaments“, der auf Staatskosten nach Wien „gegondelt“ sei. Im Wiener Nachtleben hätte „der brave Zentrumsmann einen ganz schönen Affen [gehabt und] sei sternhagelbesoffen gewesen“. Von den Anforderungen einer Parlamentsberichterstattung blieb nichts mehr übrig und ist stattdessen einer Befriedigung von Sensationsbedürfnissen gewichen. Hirtsiefers Anzeige der beiden Redakteure führte zwar zu deren Verurteilung (Lippert 2000 RM Geldstrafe; Rudolf sechs Monate Gefängnis), doch geschah dies erst 1927, zwei Jahre nach der Verleumdungskampagne. Das Sensationsbedürfnis der Leserschaft radikaler Blätter dürfte sich in der Zwischenzeit bereits anderen (vermeintlichen) Ereignissen zugewandt haben. Das Beispiel verdeutlicht, wie sehr Konfliktaustragung von arenenspezifischen Regeln abhängig ist, welch eskalatives Potential ein Arenenwechsel bergen kann und wie eine Verschiebung von einer geregelten Konfliktaustragung (preußischer Landtag) in eine breitere mediale Öffentlichkeit („Der Hakenkreuzler“) dynamisieren kann. Zur Deeskalation kann ein Wechsel in die Gerichtsarena zwar beitragen, aber auch ihr waren, mit Blick auf die Verfahrenslaufzeit (hier 2 Jahre), bei der Unterbindung von Sensationsbedürfnissen deutliche Grenzen gesetzt. Landesarchiv Berlin, A Rep. 358-01 Generalstaatsanwaltschaft bei dem Landgericht Berlin - Strafverfahren 1919-1933, Nr. 16. |
Die Querschnitt-AG hat daraufhin die Perspektiven eines Eskalationsbegriffs diskutiert, der als ein Prozess ineinandergreifender, intendierter wie nicht-intendierter Invektiv-Dynamiken gedacht werden kann. Dabei wurde das Verhältnis zu je gegebenen Ordnungsrahmungen, etwa zu Normen und Formen der formellen und informellen Sozialkontrolle, näher bestimmt (s. u.). Invektive Eskalationsdynamiken, so der Befund, können innerhalb solcher Rahmen verlaufen, sie können diese jedoch auch dehnen und verschieben (etwa in Form von Gewöhnungseffekten) oder überschreiten. In diesem Sinn kann Eskalation sowohl als Steigerung der eingesetzten invektiven Ressourcen innerhalb solcher Ordnungsrahmen als auch als Transgression derselben untersucht und beschrieben werden.
Die konzeptuelle Arbeit wurde im Sommersemester 2019 anhand von Texten zu Gewalt[2], zu Normen,[3] zur Konkurrenz[4] und zu Emotionen und Affekten[5] (s. u.) fortgesetzt. Ergänzt wurde die Diskussion durch die Vorstellung weitere Einzelstudien aus den beteiligten Teilprojekten, bspw. mit Thesen- und Quellenpapieren zu den invektiven Dynamiken frühreformatorischer Flugschriftenkontroversen, die später in Publikationen mündeten.[6] Die Diskussion der AG wurde für das SFB-Plenum im Juni 2019 aufbereitet, wo die AG weiterführende Fragen und empirische Beobachtungen präsentiert hat. Das Ausloten transgressiver Momente in invektiven Eskalationsdynamiken führte bspw. zu der Frage, in welcher Form invektive Eskalationsdynamiken auf der Ebene der Akteure überhaupt wahrgenommen und thematisiert werden? Eng hiermit verbunden sind Fragen der Affizierbarkeit in Abhängigkeit von je unterschiedlichen Sensibilitäten und Achtsamkeitsregimen, die auch zentral sind für das Verständnis der jeweiligen Ressourcen für invektive Kommunikation, denn diese Ressourcen werden letztlich eingesetzt, um emotional zu stimulieren, zu überzeugen und handlungsleitend zu mobilisieren (etwa durch emotionale Körperpraktiken oder benennende Praktiken zur Bekräftigung affektiver Zustände; s. u.). Der letztgenannte Aspekt wurde während der Arbeit im WS 2019/2020 noch einmal vertieft und für die Präsentation auf der Jahresklausur 2020 aufbereitet.
Mit Blick auf die Jahrestagung 2020 wurde ein Panel zur „Dynamik der Eskalation“ vorbereitet, auf dem die nachfolgenden Fragen systematisch gebündelt (F. Prautzsch, TP E und A. Kästner, TP G) und anhand von drei Beispielstudien (C. Steigel, TP H, S. Beckert, TP G und S. Schleusener, auswärtig) diskutiert werden sollten. Aufgrund der weitreichenden Beschränkungen in der Coronakrise des Frühjahrs 2020 wurden diese Fragen aber nicht mehr vertieft diskutiert: In welcher Form werden im massenmedialen Diskurs, in klar abgegrenzten Arenen wie dem frühneuzeitlichen Reichstag oder in politisch grundierten Gerichtsprozessen Argumente durch die gezielte Adressierung von Affekten ersetzt? Ist eine solche Adressierung bereits als Eskalation fass- und beschreibbar? Wie werden invektive eskalative Strategien dazu genutzt, sozialen Status oder auch Kraft (im Sinne) einer Macht- und Reputationsressource zu demonstrieren oder zu generieren und welche unbeabsichtigten Effekte sind ggf. zu beobachten? Welche Voraussetzungen benötigt es, damit diese Strategien verfangen? Wie verhalten sich derartige Strategien zu konkurrierenden Normen, ambigen Ordnungen und entfesselten Dynamiken?
Noch während der frühen Jahresklausur 2020 hat die AG überdies eine Marschroute für die vorerst abschließende Diskussion des Begriffs invektiver Eskalationsdynamiken entwickelt, der insbesondere ein von uns als grundlegend ausgemachtes Element empirisch dichter untermauern sollte: den Impuls zur Legitimierung invektiven Sprechens, der dazu tendiert sich als Anschlusskommunikation (und damit als Teil einer schon bestehenden Dynamik) darzustellen und eine Position metainvektiver Reflexivität einzunehmen. Eine invektive Eskalationsdynamik, so einer der Befunde der AG-Arbeit, kann daher bspw. beobachtet werden, wenn eine Handlung zu einem Deutungskonflikt über die Frage führt, ob eine invektive Normverletzung überhaupt stattgefunden hat oder nicht. Damit ist zugleich das (in der AG vorwiegend an Beispielen reformatorischer Konflikte und aus dem zwanzigsten Jahrhundert diskutierte) Problem adressiert, ob und in welcher Form es überhaupt eine Sanktionsinstanz im Sinne eines Dritten gibt und ob und inwiefern deren Legitimität bestritten wird oder werden kann. Ferner berührt diese Frage das Problem des Entscheidens für Dritte in invektiven Eskalationsdynamiken, d. h. mit anderen Worten die Frage, welche Position dem Publikum in der invektiven Triade von den Invektierenden und Invektierten zugedacht wird und welche Position es tatsächlich einnimmt. Hierüber war in der AG ein Austausch über das Konzept des SFB 1150 „Kulturen des Entscheidens“ angedacht, der zumindest noch in Publikationen einzelner Projekte verwirklicht werden konnte.[7] Ebenfalls angedacht war, dem Verhältnis von invektiven Eskalationsdynamiken und physischer Gewalt weiter nachzuspüren, ein Zusammenhang, dem nun in der zweiten Förderphase in einem veränderten Format nachzuspüren sein wird (s. u.).
Exemplarische Diskussionen
Wie angedeutet, kann eine Eskalation bereits vorliegen, wenn eine Handlung zu einem (Deutungs)-Konflikt über die Frage führt, ob überhaupt eine invektive Normverletzung stattgefunden hat. Die Soziologie der Zweierbeziehung liefert für diesen Befund am Beispiel von Beziehungskonflikten ebenso reichhaltiges Material[8] wie die tagesaktuellen Debatten über den angemessenen Umgang mit invektiven Gratwanderungen in politischen Auseinandersetzungen. Zugleich offenbart in letzteren das Muster der Verteidigung von als invektiv empfundenen Äußerungen, wie in einer solchen Eskalation der Raum des invektiv Äußerbaren schrittweise verschoben werden kann – Bestreiten des Fakts einer Aussage (etwas wurde nicht gesagt), Bestreiten des Zusammenhangs einer Aussage (etwas wurde so nicht gesagt), Bestreiten des invektiven Gehalts einer Aussage (etwas war nicht herabsetzend gemeint).
Zu beobachten ist, dass das Heraufbeschwören von offenen Deutungskonflikten hochgradig polarisierend und damit mobilisierend wirkt. Das gilt vor allem dann, wenn die konfligierenden Deutungsansprüche normativ aufgeladen werden zu einem Konflikt über widerstreitende Prinzipien, die als einander unvereinbar verhandelt werden. Als eskalierend sind auch jene Deutungskonflikte zu beschreiben, die zu einem Disput über Geltung und Verfügbarkeit von an sich unverfügbaren Ressourcen einer Gesellschaft mutieren, d. h. über „Sachverhalte […], die in der Perspektive von Akteuren der unmittelbaren, alltäglichen Lebenswelt entzogen sind und deshalb quasi entrückt erscheinen, die aber gleichwohl auf sie zurückwirken und ihr Sinn und Geltung verleihen“,[9] wie etwa Nächstenliebe oder Meinungsfreiheit.
Hieran wird eine grundlegende Ambivalenz sichtbar: Invektive Normüberschreitungen können Zuschauer/Zuhörer sowohl abschrecken als auch mobilisieren – das macht den Umgang mit ihnen ja auch so schwierig. Selbst der Versuch, deeskalierend zu kommunizieren, kann wiederum invektiv gedeutet werden: man denke etwa an Friedensverträge zulasten eines der Vertragspartner oder an Formen erzwungener öffentlicher Abbitte und Bußrituale oder schlicht an Zugeständnisse an eine der beteiligten Konfliktparteien durch Dritte, die von der anderen Seite als Parteinahme im Konflikt aufgefasst werden. Unter anderem aus dieser Einsicht heraus ist das Thema Mobilisierung stärker in den Fokus der AG-Arbeit gerückt.
Mobilisierung
Der Begriff Mobilisierung war ein Schlüsselbegriff für die AG. Zunächst haben wir uns mit den rhetorischen Mitteln beschäftigt, die eingesetzt werden, um zu belehren, zu überzeugen, emotional zu stimulieren und handlungsleitend zu mobilisieren (docere, persuadere, delectare et movere). Auf einer anderen Ebene ging es auch darum zu erkennen, mit welchen Mitteln Mobilisierung rhetorisch inszeniert und vorweggenommen werden kann, wobei sich zeigt, dass Emotionen hier eine sehr zentrale Rolle spielen.
Aus der Forschung zur Predigtpraxis sowie zur Rezeption von Predigten in 15. und 16. Jahrhundert wissen wir beispielsweise, dass eine kaum zu überwindende Herausforderung des Drucks von Predigten bzw. von Predigtstreitschriften darin bestand, jene Affekte abzubilden, die sich im mündlichen Vortrag durch Intonation, Mimik und Gestik herstellen ließen und die so wichtig für das ‚delectare et movere‘ einer Predigt waren. So trugen, im Sinne einer konzeptionellen Mündlichkeit, „vornehmlich kurze Sätze, parataktische Strukturen, anaphorische und kataphorische Elemente, die die Argumentationsführung stützen und auch formelhafte Elemente […] zu einem lebendigen Stil” bei.[10] Unter veränderten Vorzeichen betraf diese Herausforderung auch die Medien der Disputation oder des gelehrten Streitgesprächs.
Der unverdiente Guardian Im August 1520 reagierte der Wittenberger Reformator Andreas Bodenstein von Karlstadt auf die Scheltworte des Annaberger Franziskanerguardians Franciscus Seyler anlässlich einer Predigt in Annaberg, der Karlstadt zuvor inkognito beigewohnt hatte. Hierzu ‚leakte‘ Karlstadt pikante Details aus seinem anschließenden Briefwechsel mit Seyler, die ihn dazu veranlasst hatten publizistisch in die Offensive zu gehen. Seyler hatte Karlstadt persönlich herabgewürdigt, indem er den Wittenberger als einen vater- und mutterlosen Bastard bezeichnete. Karlstadt konnte derart eine Form legitimer Entrüstung inszenieren, der sich seine Modellleser nach den sozialen Konventionen (Schmähung der persönlichen und der Familienehre) der Zeit kaum entziehen konnten. Auf diese Weise wurde die Mobilisierung der Leserschaft in Form einer emotionalen Empörungsvergemeinschaftung zwischen Autor und Rezipient vorweggenommen. Die zentrale Rolle dieser metainvektiven Rahmung – d. h. der expliziten Thematisierung der voraus gegangenen Invektive – für die Struktur von Karlstadts Texten wird schließlich daran deutlich, dass Karlstadt seine Auseinandersetzung als Streitgespräch zwischen sich und Seyler (den er dutzende Male in der zweiten Person Singular direkt anspricht) vor den Augen eines Publikums (das er nur indirekt adressiert) inszeniert. Hierbei kalkulierte Karlstadt den rhetorisch schon vollzogenen Schulterschluss mit dem Publikum ein und transformierte so das Streitgespräch über ein eigentlich theologisches Anliegen in eine öffentliche Befragung des ‚unwissenden‘ Franziskanerguardians, deren Ergebnis bereits im ‚vortheologischen‘ Raum entschieden wurde. A. Bodenstein von Karlstadt, Von vormugen des Ablas. wider bruder Franciscus Seyler parfuser ordens, Wittenberg 1520, VD16 B 6255; Ders., Von geweychtem wasser un(d) saltz wider denn unvordienten Gardian, Wittenberg 1520, VD16 B 6250. |
Grundlegend ist für die Analyse von Mobilisierungsstrategien überhaupt die Frage nach der Anschlusskommunikation, denn wirkungsvoll mobilisieren lässt sich mithilfe von Invektiven v. a. dann, wenn sie auf frühere Invektiven verweisen, wenn sie auf latente Ressentiments abheben und diese anverwandeln, invektiv bündeln, rhetorisch verdichten und zielgerichtet einsetzen. Historische Schlagwortanalysen haben dies hinreichend belegt. Die assoziativ aufgerufenen semantischen Felder können dabei entweder konkret sein oder aber eher diffus, um eine Vielzahl unterschiedlicher Emotionen zu adressieren. Unter dem vielbeschworenen, trocken zu legenden Sumpf, konnten sich Wähler im US-amerikanischen Wahlkampf 2016 ebenso Unterschiedliches vorstellen, wie deutsche Wähler unter einem „System Merkel“ – je abstrakter und hintergründiger die invektiven Schlagworte und je allgegenwärtiger ihre diskursive Präsenz bis hin zu einer sich selbst auf Dauer stellenden Prophezeiung, desto stärker, so ließe sich vermuten, ihr Mobilisierungseffekt.
Interessant, innerhalb der AG jedoch nicht systematisch ausdiskutiert, ist der zeitliche Aspekt metainvektiver Rückbezüge und die mitunter zu beobachtende Wiederbelebung von langen Konflikttraditionsketten: Im Gefolge der derzeit noch überwiegend politischen Auseinandersetzungen über eine künftige Grenze auf der irischen Insel etwa wird teilweise eine geschlossene Tradition der Erinnerung an erfahrene Herabsetzungen und gewaltsame Konflikte aktualisiert, die bis weit ins 16. Jahrhundert zurückreicht und etwa die Massaker der Rebellion von 1641 oder des nachfolgenden Rachefeldzugs Cromwells ganz nah an den lebensweltlichen Erfahrungsraum des 20. und 21. Jahrhunderts mit den traumatischen Erfahrungen von Bürgerkrieg und jahrzehntelangen „Troubles“ heranrücken lässt.[11] Solcherlei Rückbezüge wären nicht denkbar ohne eine jahrhundertelange Tradition der Mobilisierung von entsprechenden Invektiven in bewaffneten Auseinandersetzungen. Noch komplexer wird dieser Sachverhalt, wenn man irritiert zur Kenntnis nimmt, welche weiteren, ineinander verwobenen invektiven Bezüge die Brexit-Debatte aufweist, deren komplexer Gemengelage, politischen Fliehkräften innerhalb der Union und emotionaler Tribalisierung der politischen Lager einige wichtige politische Akteure ganz offen und selbstbewusst mit einer Strategie des invektiven Selbst-Labelings begegnen und sich dergestalt als verkannte Helden und Retter inszenieren können, weil sie Konventionen und Konsens bewusst in Frage stellen.[12]
Emotionale und sensorische Mobilisierung
In emotionshistorischer Perspektive gibt es inzwischen eine ganze Reihe theoretischer Anknüpfungsmöglichkeiten, um die Rolle von Emotionen hinsichtlich eskalativer Dynamiken näher in den Blick zu nehmen. Die Kulturwissenschaftlerin Monique Scheer etwa geht davon aus, dass alle Gefühle an Praktiken gebunden sind und umgekehrt: Auf diese Grundannahme aufbauend hat Monique Scheer einen Ansatz entwickelt, Gefühle als emotionale Praktiken zu begreifen. Sie unterscheidet dann konkret zwischen emotionalen mobilisierenden Praktiken, benennenden Praktiken, kommunizierenden und regulierenden Praktiken.[13]
Für unsere Frage nach Eskalation sind vor allem mobilisierende und benennende Praktiken wichtig. Die Beschreibung von benennenden Praktiken beruht auf einer ähnlichen Konzeption wie die Einführung der „emotives“ (Gefühlsaussagen) von William Reddy.[14] Indem Gefühle benannt werden, können sie verfestigt oder auch destabilisiert werden. Beispielsweise kann die Aussage „wir hassen die Franzosen“ bestehende affektive Zustände stabilisieren oder verstärken sowie auch zu einer Distanzierung zu den geäußerten Hassgefühlen führen, weil sie dem Sprecher deutlich macht, dass seine Emotion gar nicht der heftigen Aussage entspricht. Zudem können sich über die Benennungen, also „wir fühlen uns betrogen“, „wir trauern“, „wir fühlen uns diskriminiert (herabgesetzt)“ konkrete emotionale Gemeinschaften bilden, die sozial und politisch wirksam werden. Darüber hinaus können bestehende Kollektive emotional in einer bestimmten Weise aufgeladen werden.[15]
Mobilisierende und benennende Praktiken sind offenbar häufig miteinander verbunden, wie an Beispielen von kollektiver Trauer, die erheblich politisch mobilisieren kann, aber auch an sogenannten Hassbotschaften deutlich wird. Indem Gefühle nicht individuell, sondern kollektiv artikuliert werden, können sie zugleich Gemeinschaft erzeugen, stabilisieren oder affizieren und damit mobilisierend wirken.
Mobilisierend sind auch emotionale Körperpraktiken, die über kollektive körperliche Gesten zu bestimmten Handlungen motivieren, wie etwa Kriegsgesänge, Kampftänze, Singen oder Skandieren auf Demonstrationen. Aus den Erinnerungen des Historikers Eric Hobsbawn wird deutlich, wie die zahlreichen Demonstrationszüge, Aufmärsche in den frühen 1930er Jahren körperlich mobilisieren konnten. Er beschrieb seine Teilnahme an der letzten KPD-Demonstration am Ende der Weimarer Republik: „Neben der sexuellen Begegnung ist die Aktivität, bei der sich körperliches und seelisches Erleben in höchstem Maße verbinden, die Teilnahme an einer Massendemonstration in Zeiten starker öffentlicher Begeisterung. […] Andererseits ist hier auch eine körperliche Aktivität im Spiel – Marschieren, Skandieren von Slogans, Singen –, wodurch das Aufgehen des Individuums in der Masse, das eigentliche Wesen der kollektiven Erfahrung, seinen Ausdruck findet.“[16]
Was Hobsbawn hier beschreibt, rekurriert auf den Körper, vor allem auf verschiedene Sinne, mit dem Singen wird das Hören angesprochen, mit dem Skandieren und Marschieren ebenso der Hör- und Sehsinn, mit dem „Aufgehen in der Masse“ ist in einer gedrängten und sich bewegenden Menschenmenge der Geruchs- und Tastsinn berührt. Insofern wird hier deutlich, dass sensorische Mobilisierung über die Verflechtung und Kombination verschiedener Sinneswahrnehmungen erfolgt.
Diese Beispiele machen deutlich, dass emotionale Mobilisierungen kaum denkbar sind ohne die Sinneswahrnehmungen und -praktiken wie Hören, Sehen, Betrachten, Lauschen, Riechen: In diesem Zusammenhang hat kürzlich Andreas Reckwitz danach gefragt, wie spezifische Sinnesregime entsprechende sensorische Wahrnehmungen zu Praktiken formen und damit bestimmte soziale Ordnungen erst ermöglichen.[17] Bei einem Sonntagsspaziergang im Wald hören wir nicht nur, sondern wir lauschen. Vor dem Hintergrund dieser Konzepte, die Sinneswahrnehmungen als Teilprozesse von Emotionsherstellung begreifen, ohne einen Gegensatz zwischen biologischer Essenz und sozialer Konstruktion herzustellen, spielt die mobilisierende Inanspruchnahme der Sinne eine zentrale Rolle.
Es bedarf immer auch sensorischer Eindrücke, um Gefühle zu erzeugen. Traurigkeit kann durch Musik verursacht und lautes Marschieren kann Wutgefühle und damit auch Selbstermächtigung verstärken. Sinneswahrnehmungen lassen sich zudem gezielt ‚herstellen‘ und erlernen: Der Hass gegen Juden wurde beispielsweise entscheidend durch die Erzeugung von Ekel vorangetrieben.[18] Vor dem Hintergrund einer polarisierten, invektiven Grundstimmung, konnten offenbar abwertende Gefühle wie Hass und Wut besonders effektiv mobilisiert werden. Das wurde anhand verschiedener Quellen aus der Weimarer Republik deutlich, wie etwa auf den Wahlplakaten dieser Zeit.[19] Die Abwertung von Politikerkörpern durch sensorische Mobilisierung gehörte nicht nur bei den Rechten zu den selbstverständlichen Wahlkampfpraktiken. Als Beipiel kann hier John Heartfield gestaltete Titelblatt der Roten Fahne von 1928 angeführt werden, auf dem so unterschiedliche Politiker der Weimarer Republik, wie etwa Wilhelm Marx, Adolf Hitler und Arthur Crispien an einer übergroßen 5 (Listennummer der KPD) aufgehängt dargestellt wurden, mit der Forderung „Rechnet ab!“ versehen.[20]
Vor dem Hintergrund dieser theoretischen Vorüberlegungen kann deutlich werden, wie Eskalationsdynamiken über die Sinne vermittelt, über Gefühle angetrieben, befeuert, aber eben auch strategisch erzeugt werden können. Die Eskalateure lassen sich dabei häufig konkret benennen. Werden in solchen invektiven Stimmungslagen, wie sie sich für die 1920er und 1930er Jahre nachzeichnen lassen, Beleidigungen, Schimpfreden oder Hassparolen erhoben, konnten diese anders wirken als in einer ruhigen reizarmen Umgebung. Verbale Herabsetzungen eskalieren vorwiegend in einem bestimmten affektiven und sensorischen Klima. Eine verbale Verletzung, die in einer völlig ruhigen oder emotionsarmen Umgebung gesprochen wird, kann ihr eskalierendes Potential höchstens aus dem Unerwarteten ziehen, gemeinhin wird sie in diesem Klima aber an eskalierender Kraft verlieren oder der Beleidiger macht sich selbst lächerlich.
So gesehen werden Invektiven immer in einem spezifischen affektiven Setting geäußert. Sie erfahren innerhalb und aufgrund diesem eine Dynamisierung; werden angetrieben oder beruhigt, beschleunigt, stabilisiert, etc. Spezifische sensorische und affektive Phänomene erscheinen also bei der Beschreibung von Eskalationen zu berücksichtigen. Mobilisierte Massen, also Menschenansammlungen die ein gemeinsames Ziel verfolgen, so zeigt insbesondere die Geschichte des frühen 20. Jahrhunderts, sind sehr häufig Teil eines Eskalationsgeschehens. Die Kohärenz der Mobilisierten ist somit aus einer emotional-sensorischen Perspektive beschreibbar – eine Beschreibung, die wiederum zurückführt zur kollektiven Unmutsäußerung über erfahrene Beleidigungen oder gemeinschaftlichen Schmähungen.
Wahrnehmungen und Erfahrungen sind damit entscheidende Eckpfeiler der Analyse von Eskalationsdynamiken. Eine heuristisch und hermeneutisch relevante Unterscheidung für die Untersuchung eskalativer Momente und Dynamiken betrifft daher die differenten Wahrnehmungen und Deutungen durch die Beobachtenden und die Beobachteten eines Konflikts. Grundsätzlich gibt es auf der Akteursebene, insbesondere mit Blick auf die vielen potenziellen Rollen des Publikums in der invektiven Triade, diverse Möglichkeiten, Steigerung oder Transgression festzustellen und zu beschreiben. Insofern könnte der gesamten Debatte auch ein Eskalationsbegriff zugrunde gelegt werden, der eng auf die Eskalationswahrnehmung der Akteure einschließlich des Publikums fokussiert und – wie dies in anderen Zusammenhängen bereits erprobt wurde – ‚konkurrierende Wahrheiten‘ systematisch für die Analyse fruchtbar macht.[21] In einer historisch-anthropologischen Perspektive, wären damit Standpunkt und Wahrnehmung der beteiligten Akteure, der viel beschworene „native’s point of view“ zentral. Mindestens für historisch arbeitende Projekte ist diese Überlegung auch deswegen wichtig, weil die Rolle des Publikums in der Überlieferung allzu häufig mit der Rolle des Autors einer Quelle verschwimmt.
Eine solche Perspektivverschiebung würde insofern einen Mehrwert für die Analyse von Eskalationsdynamiken generieren, weil sich so auch eskalative Momente erfassen ließen, die einzelnen Akteuren oder Akteursgruppen nicht bewusst gewesen sein könnten, u. U. weil ihre Wahrnehmung einen alternativen Ordnungsrahmen referenzierte.
Normen, Überschreitungen, Sanktionsinstanzen
Wenn man mit Victor Turner Gesellschaft als konflikthaften Prozess, als soziales Drama im Dialog zwischen Ordnung und Unordnung begreift, dann wird die Frage nach relevanten Ordnungsrahmungen, etwa in Form sozialer Normen, zentral für eine Analyse von Eskalationsdynamiken.[22] Heinrich Popitz definiert soziale Normen als „Verhaltensregelmäßigkeiten, die in Fällen abweichenden Verhaltens durch negative Sanktionen bekräftigt werden.“[23] Solche Normen erscheinen stets vermittelt und unterliegen einem steten Wandel – ein mit Blick auf die Affordanz und den Wirkungsgrad invektiver Schlagworte etwa wichtige Einsicht. Normbrüche, so ein weiteres wichtiges Argument bei Popitz, können zwar potenziell, müssen aber nicht zwingend sanktioniert werden. Es besteht ein latentes Sanktionsrisiko.
Für die Analyse von Eskalationsdynamiken ist diese Voraussetzung wichtig, wenn beispielsweise das verfügbare Quellenmaterial keine unmittelbare Sanktion einer Normtransgression erkennen lässt. Denn mit Popitz ist die Kontingenz sozialen Verhaltens auch aus einem Verständnis der Akteure für ein latentes Sanktionsrisiko heraus oder mitunter anhand eines potentiell unterschiedlichen und ambigen „Normbewusstseins“ versteh- und erklärbar.[24] Dies ist besonders deutlich in Situationen blasphemischen Sprechens erkennbar, das als solches erst im Kontext weiterer Konflikte explizit thematisiert und sanktioniert wird, in der konkreten Situation jedoch anders kategorisiert wurde und zunächst folgenlos blieb.[25]
Bei einer Häufung nicht sanktionierter Handlungen besteht die Möglichkeit, dass eine bisher tradierte Norm ‚absinkt‘, bildlich gesprochen also langsam aus dem Normhorizont der Akteure entschwindet. Mit Blick auf die Analyse von Eskalationsdynamiken ist dies empirisch eine mitunter nur schwer greifbare Situation, weil sich ihr enormes eskalatives Potenzial im Rückblick als Ruhe vor dem Sturm entpuppen kann. In vielen der im Rahmen der AG diskutierten Fälle waren wir zudem häufig mit anderen Konstellationen konfrontiert, in denen existierende Sanktionsinstanzen von mindestens einer der beiden Konfliktparteien als illegitim gelabelt wurde. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn die Sanktionsinstanz selbst als Akteur im Konflikt gilt, etwa in Auseinandersetzungen über offizielle Amtsträger oder den Status gerichtlicher Entscheidungen oder im Fall religiöser Autoritäten in konfessionellen Auseinandersetzungen, für die die Reformation deswegen ein so dramatisches Beispiel geben, weil etwa die Sola-Prinzipien unmittelbar die Frage nach der Legitimität der bestehenden Autoritäten heraufbeschworen.
Das Reichskammergericht und der Religionsprozess um Herzog Heinrich den Jüngeren und Goslar Im Zuge der städtischen und fürstlichen Reformationen waren im großen Umfang geistliche Güter ('Kirchengüter') in den Besitz der evangelischen Obrigkeiten übergegangen. Einige altgläubige Bischöfe, Domherren, Pröbste oder Landesherren strengten in der Folge Prozesse am Reichskammergericht gegen die 'neuen' christlichen Obrigkeiten an. So auch im Falle der Reichsstadt Goslar: Die Stadt stritt mit Herzog Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel eigentlich um die Erträge eines Bergwerks. Dabei wurden Klöster des Herzogs nahe der Stadt angegriffen und deren Güter durch die Stadtbewohner beschlagnahmt. Eng verwoben war dieser Fall mit der sich in Goslar ausbreitenden reformatorischen Bewegung, denn während das Reichskammergericht im Auftrag des Herzogs wegen der Klosterzerstörung gegen die Stadt prozessierte, schloss sich Goslar dem Schmalkaldischen Bund an. Die Vorstellung, was eine 'Religionssache' sei, divergierte dabei zwischen Bund und Kammergericht massiv: Während sich das Gericht überhaupt nicht für 'Religionssachen' zuständig erachtete und die Prozesse um beschädigte und enteignete Kirchengüter als weltliche führte, setzte sich innerhalb des Bundes die Sichtweise durch, dass eben jene Prozesse aufgrund ihres Ursprungs im Religionsdissenses 'Religionssachen' seien. 1532 gebot der Kaiser zwar Stillstand in 'Religionsangelegenheiten', da er diese jedoch nicht näher präzisierte, konnte in der Folge der Deutungskonflikt darum eskalieren. Der Schmalkaldische Bund 'rekusierte' 1534 (erneut 1538) das Gericht, lehnte also dessen Jurisdiktion in religiösen Fällen ab und drohte, eine Gerichtsentscheidung in 'Religionsangelegenheiten' militärisch abzuwehren. Die Goslarer Sache wiederum war von den Mitgliedern des Bundes trotz mehrfachen Bemühens der Stadträte und Bundeshauptleute nicht als Religionssache anerkannt! Tatsächlich wurde gegen Goslar 1540 durch das Reichskammergericht die Reichsacht ausgesprochen und der geschädigte Herzog Heinrich mit der Umsetzung beauftragt. In aller Eile konnte beim Kaiser ein sofortiges Stillstandgebot erwirkt werden, wodurch dieser der Sichtweise der Bundeshauptleute, was 'Religionssachen' seien, folgte, noch bevor die restlichen Mitglieder zugestimmt hatten. Der Herzog wiederum sah weder die Deutung des Falls als 'Religionsangelegenheit' gegeben noch den Kaiser befugt, gegen ein Urteil des Reichskammergerichts vorzugehen und setzte die Belagerung der Stadt fort. Dieser Zustand hielt bis 1542 an. Mittlerweile hatten die Schmalkaldischen Bundeshauptleute die stimmberechtigten Mitglieder des Bundes nach mehrfachen zähen Verhandlungen dazu gebracht, den Goslarer Fall ebenso als 'Religionsangelegenheit' anzuerkennen. Nunmehr war durch den Konsens der Bundesmitglieder die Möglichkeit gegeben, den 'Deutungskonflikt' über die Religionsangelegenheiten nicht nur verbal-diskursiv sondern auch real-militärisch auszutragen, den renitenten Herzog im Zuge einer bündischen Hilfsaktion zu befehden und damit die Jurisdiktion des Gerichts öffentlich zu bestreiten. Das Beispiel zeigt, wie aufgrund divergierender Vorstellungen die Deutung eines Konfliktfalls selbst zum Konflikt wird, der gleichzeitig von der Legitimität spezifischer Sanktionsinstanzen (Gericht, Kaiser) abhing und wie die gezielte Inanspruchnahme eines Deutungskonflikts durch bestimmte Akteure - dem Braunschweiger Herzog und den beiden Bundeshauptleuten - zur gezielten Verschiebung von Konfliktebenen - von verbal-juristischen zu militärischen Auseinandersetzungen - eskalativ genutzt werden konnte. T. Branz, „Von Religionsfriedenstatbeständen, Landfriedensbruch und Reformationsprozessen am Reichskammergericht“, Die höchsten Reichsgerichte als mediales Ereignis, hg. A. Amend-Traut u.a., München 2012, S. 151–178; G. Haug-Moritz, Der Schmalkaldische Bund 1530-1541/41. Eine Studie zu den genossenschaftlichen Strukturelementen der politischen Ordnung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, Leinenfelden-Echterdingen 2002, S. 199-204; Dies., „Religionsprozesse am Reichskammergericht. Zum Wandel des reichspolitischen Konfliktpotentials der Kammergerichtsjudikatur im Reich der Reformationszeit (1530–1541)“, Speyer als Hauptstadt des Reiches, Politik und Justiz zwischen Reich und Territorium im 16. und 17. Jahrhundert, hg. A. Baumann / J. Kemper, Berlin/Boston 2016, S. 23–34. |
Aber selbst dann, wenn die existierende Sanktionsinstanz von allen Konfliktparteien als legitim anerkannt und eine Normverletzung sanktioniert wird, muss dies nicht zwangsläufig eine Einhegung der Invektivdynamik bedeuten. Die Umsetzung einer Sanktionierung ist immer auch abhängig von ihrer administrativen Durchsetzung. In der Weimarer Republik beispielsweise endeten zahlreiche Beleidigungsverfahren mit einer Geldstrafe, deren Zahlung jedoch u.a. durch wiederholte Eingaben und Gesuche an das Gericht und dem anschließenden Bearbeitungsprozedere über Jahre hinweg hinausgezögert werden konnten und in nicht wenigen Fällen schließlich durch Amnestien gänzlich wegfielen. Demnach erfolgte einerseits zwar die Bestätigung der Norm, andererseits sank sie durch die fehlende oder verzögerte Durchsetzung von Sanktionsmaßnahmen in ihrer Relevanz und konnte den zusätzlichen Nebeneffekt haben, dass im Anschluss eine Verschiebung der sozialen Herabsetzung zu beobachten ist, bei der beide einstigen Konfliktparteien die Sanktionsinstanz selbst und damit „den Staat“ als schwach wahrnahmen.
Selbst der Versuch einer Konfliktpartei, die als Normbruch angesehene Handlung der Gegenseite erkennbar zu sanktionieren, kann unter solchen Bedingungen dann selbst wiederum als Normbruch angesehen werden – der extreme Fall auf der Gegenseite wäre die Selbst-Begnadigung. Derartige Situationen von Selbstjustiz und Selbstbegnadigung können sich mitunter auch als Kaskade von Handlungen und Ereignissen (und sei es in Form von Gerüchten, Eskalationsphantasien und Androhungen wie jüngst im Gefolge des US-amerikanischen Wahlkampfs 2020) aufschaukeln, die von einer Seite als jeweils legitim, von der jeweils anderen jedoch stets als invektiv aufgefasst wird. Entscheidend für die Analyse ist hierbei der einem solchen Geschehen jeweils inhärente Diskurs über Normen, denn jede Aktion kann hier stets sowohl als Normbestätigung als auch als potenzieller Normbruch wahrgenommen und in Form ‚konkurrierender Wahrheiten‘ thematisiert werden. Eskalation kann also auch die Folge eines Sanktionsversuches sein, der nicht von beiden Konfliktparteien gleichermaßen als legitim attribuiert wurde. Für die sanktionierte Partei ist hier die Sachlage eindeutig, der als Sanktion ‚getarnte‘ Normbruch rechtfertigt das erneute Anzapfen jenes Reservoirs an Mobilisierungsressourcen, von denen oben bereits die Rede war. Und eine Frage, die sich für derart verfestigte Konfliktlagen unmittelbar stellt, ist die nach dem Umschlagpunkt in Formen physischer Gewalt. Das Thema Gewalt soll in der zweiten Förderphase des SFB systematischer untersucht und diskutiert werden. Daher kann es im folgenden abschließenden Abschnitt nur darum gehen, einige grobe Linien der Diskussion innerhalb der AG zu zeichnen, ohne hier den Details des Antrags oder gar der Komplexität der Debatte auch nur annähern gerecht werden zu können.
Sprache und körperliche Gewalt
Sprache gilt als ein wichtiges Element, um Grenzen zu setzen oder aufzubrechen und auch, um (Hemm-) Schwellen zu überwinden. Sprache ist ein entscheidender Faktor, um zu verstehen, welche Resonanzschleifen durchlaufen sein müssen, um ein Level an Mobilisierungsdruck zu erzeugen, das zur tätlichen Aktion gereicht. Dies ist insbesondere für den bisweilen osmotischen Zusammenhang von symbolischer, verbaler und physischer Gewalt relevant (hier durchaus auch für den Fall von Gewaltnarrativen als Legitimierung für weitere Invektiven), denn werden Hemmschwellen einmal überschritten, lassen sich Ansteckungsketten und Dammbrüche beobachten, die sogenannte ‚Bystanders‘ mit ins Geschehen ziehen bzw. noch Zögernde endgültig zur Tat mobilisieren.[26] Dieser Zusammenhang prägt auch kritische Gegenwartsdiagnosen: „Wir konstatieren“, so beispielsweise Durs Grünbein, „eine Radikalisierung des öffentlichen Sprechens, zwischen den Nationen wie im Umfeld jedes Einzelnen, im Streit der Parteien wie in den Kneipen, im Parlament wie auf der Straße. Da ist zum einen der Gebrauch herabsetzender Formeln für den politischen Gegner, die Diskriminierung von Menschengruppen, die in ihrer Schwäche zu Opfern der Weltpolitik werden. […] Ich spüre, dass Sprache wie lange nicht mehr, aber schon einmal in diesen Breiten, zum Mittel politischer Aufstachelung und Diffamierung wird, die früher oder später, hier oder da in physische Gewalt mündet. Dem Mund, der Hassparolen brüllt, folgt die Faust. Den Handgreiflichkeiten, die heute bei Demonstrationen zu sehen sind, gingen die Hetzformeln der Demagogen voraus. Das war in den Zeiten von Rotfront und SA nicht anders als heute.“[27]
Dass Sprache selbst auch gewalttätig wirken kann, darauf verweisen die Arbeiten von Judith Butler und Sibylle Krämer.[28] Worte wirken direkt auf den Körper, weil unser soziales Selbst überhaupt erst durch Sprache existiert. Judith Butler geht so weit, deutlich zu machen, dass schon die Anrufung mit unserem Namen in gewisser Weise ein gewalttätiger Akt ist, der unser Sein und das, was es sein könnte, einschränkt.[29] Und hierin besteht tatsächlich ein Problem der analytischen Abgrenzung zwischen verbaler und physischer Gewalt: Verletzende Sprache führt nicht nur zu Gewalt, sondern kann selbst wie körperliche Gewalt wirken. Wenn jemand zum wiederholten Male hört, dass er oder sie ein „korruptes Arschloch“ oder eine „hässliche Schlampe“ ist, kann das eine ähnlich pathologische Wirkung entfalten, wie die Faust ins Gesicht. Invektivität prägt hier nicht nur bildlich Realität.
Faustkämpfe in England im 18. und 19. Jahrhundert Die halb-ritualisierten Faustkämpfe, die in England etwa ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vermehrt zu beobachten waren, sind aufschlussreiche Beispiele dafür, dass eine ‚Eskalation‘ von verbaler hin zu physischer Gewalt in ihrem jeweiligen Kontext gesehen und interpretiert werden muss. Ihren Anfang nahmen derartige Konflikte häufig in public houses, in denen es vor dem Hintergrund frühneuzeitlicher Ehr- und Maskulinitätskonzeptionen schnell zu Beleidigungen kommen konnte. Eine Herausforderung zum Kampf wurde als probates und breit akzeptiertes Mittel angesehen, um auf eine Beleidigung zu reagieren, die eigene Ehre wiederherzustellen und den Konflikt aus der Welt zu schaffen. Allein die Herausforderung zum Kampf, der durch das Ablegen der Oberkörperbekleidung Nachdruck verliehen werden konnte, stellt einen Umschlagpunkt in der Auseinandersetzung dar. Der Herausgeforderte musste sich nun seinerseits dazu verhalten, konnte sich einer physischen Auseinandersetzung aber kaum entziehen, wenn er sein Gesicht wahren wollte. Zwar sind immer wieder auch Schlichtungsversuche der Umstehenden belegt, genauso gut konnte das Publikum aber auch ‚eskalierend‘ wirken und die Streitparteien zusätzlich anstacheln. Für den Kampf selbst fand meist ein Ortswechsel auf die Straße oder eine nahegelegene freie Fläche statt, was eine für jedermann sichtbare Veränderung des Modus des Konfliktaustrags darstellte. Das Publikum wachte darüber, dass die informellen Regeln eines ‚fair‘ ausgetragenen Faustkampfes eingehalten wurden. An diesem Punkt lassen sich auch während des Kampfes Momente der Eskalation bzw. 'Entgrenzungen' feststellen, insbesondere wenn sich über die Regeln der Fairness hinweggesetzt wurde. Dies war etwa der Fall, wenn auf den am Boden liegenden Kontrahenten eingeschlagen oder getreten wurde oder wenn Waffen (Stöcke, Messer) zum Einsatz kamen. Welche Elemente oder Umschlagspunkte einer solchen Auseinandersetzung als ‚Eskalation‘ zu deuten sind, ist also alles andere als eindeutig und hängt nicht zuletzt von der Perspektive ab, die auf das Geschehen eingenommen wird. R. B. Shoemaker, The London Mob. Violence and Disorder in Eighteenth-Century England, London/ New York 2004, S. 194-200; J. C. Wood, Violence and Crime in Nineteenth-Century England. The Shadow of our Refinement, London/ New York 2004. S. 80-84. Vgl. zur Rolle des Publikums R. Collins, Violence. A Micro-Sociological Theory, Princeton 2008, S. 198-207. |
Ausgangspunkt der Diskussion innerhalb der AG, stark beeinflusst durch die Forschungen eines anderen Projekts,[30] war die einschlägige Gewalt-Definition nach Heinrich Popitz, die auf physische Gewalt fokussiert: „Gewalt meint eine Machtaktion, die zur absichtlichen körperlichen Verletzung anderer führt, gleichgültig, ob sie für den Agierenden ihren Sinn im Vollzug selbst hat (als bloße Aktionsmacht) oder, in Drohungen umgesetzt, zu einer dauerhaften Unterwerfung (als bindende Aktionsmacht) führen.“[31] Sobald physische Gewalt ins Spiel kommt – sei es als explizite Androhung von Gewalt oder als gewaltförmige Handlung – ändert sich der Modus einer Auseinandersetzung erkennbar und wird damit auch empirisch beobachtbar. Angesichts der Herausforderung, die einzelnen Stufen einer Eskalation in vorhandenen Konfliktmodellen empirisch nachvollziehbar präzise abzugrenzen, erschien uns dies trotz der zugegeben komplexeren konzeptionellen Diskussionen über den Gewaltbegriff ein durchaus gewichtiges Argument zu sein. Eine Eskalation ist im Übergang zur physischen Gewalt vergleichsweise gut identifizierbar und als solche zu deuten. Zu denken ist dabei nicht nur an Raufhändel, in denen aus zunächst verbalen Beschimpfungen Schlägereien wurden, sondern auch an explizite Gewalt- bzw. Morddrohungen im politischen Kontext, die auch rechtlich anders bewertet werden als eine „bloße“ Beleidigung, Schmähkritik oder Verleumdung.
Der veränderte Modus einer Auseinandersetzung wird allen Beteiligten meist sehr schnell einsichtig und führt zu einer Änderung in der Bewertung eines Konflikts bzw. zu einer Dynamisierung der Auseinandersetzung. Physische Gewalt muss dabei jedoch keineswegs immer einer Zuspitzung des Konflikts nach sich ziehen, sondern kann auch spannungslösend bzw. deeskalierend wirken – man denke etwa an Duelle[32] als mehr oder weniger geregelte, vor allem aber eingehegte Formen der Konfliktbearbeitung im Unterschied etwa zu Fehden, in denen das Einbeziehen des kompletten sozialen Umfelds in eine Auseinandersetzung für legitim erklärt wurde und die trotz sozialer Normen mitunter zu kriegsgleichen Szenarien ausarten konnten.[33]
Die Wahrnehmung, Deutung und Bewertung des Einsatzes von physischer Gewalt oder deren Androhung ist auf Seiten aller Beteiligten immer abhängig vom jeweiligen kulturellen Kontext und der normativen Matrix (s. o.), in denen sich die Konflikte abspielen. Es ist daher fraglich, ob der Einsatz von Gewalt stets sinnvoll als Moment der Überschreitung beschrieben werden kann, vor allem dann, wenn in stark ritualisierten Kontexten (und je spezifischen Formen von Öffentlichkeit) geradezu eine normative Erwartungshaltung existiert, gewaltsam auf bestimmte Herabsetzungen zu reagieren.
[1] F. Glasl, Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater, 11., aktualisierte Auflage, Stuttgart 2013; R. Eckert / H. Willems, „Eskalation und Deeskalation sozialer Konflikte. Der Weg in die Gewalt“, Internationales Handbuch der Gewaltforschung, hg. W. Heitmeyer / J. Hagan, Wiesbaden 2002, S. 1457–1480, https://doi.org/10.1007/978-3-322-80376-4_61; G. Brücher, Gewaltspiralen. Zur Theorie der Eskalation, Wiesbaden 2012, https://doi.org/10.1007/978-3-531-93380-1.
[2] Projektvorstellung B. Seebröker.
[3] Bspw. H. Popitz, s. u.
[4] I. Künzer, Kulturen der Konkurrenz. Untersuchungen zu einem senatorischen Interaktionsmodus an der Wende vom ersten zum zweiten Jahrhundert n. Chr., Bonn 2016.
[5] Vgl. dazu weiterführend nun S. Fehlemann, „Mit allen Sinnen hassen. Sensorische Mobilisierung in der Weimarer Republik“, Werkstatt Geschichte 2021 (83), S. 49–68.
[6] Etwa L.-M. Richter, „Pluralität, Konkurrenz & Invektivität. Über das Rechtfertigungsverständnis als Ausdruck der Reflexion von Zeitlichkeit und Ewigkeit in ausgewählten lutherischen Sterbeschriften der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts“, Die Zeit der letzten Dinge. Deutungsmuster und Erzählformen des Umgangs mit Vergänglichkeit in Mittelalter und Früher Neuzeit, hg. A. Bihrer / T. Felber / J. Weitbrecht, Göttingen 2020, S. 315–345; A. Kästner / W. Voigt, „Jedermann? Überlegungen zur Potenzialität und Entgrenzung von Öffentlichkeit in der Reformation“, Digitale Transformationen der Öffentlichkeit, hg. J.-P. Kruse / S. Müller-Mall, Weilerswist 2020, S. 123–162.
[7] Kästner / Voigt, Jedermann? (a.a.O.).
[8] K. Lenz, Soziologie der Zweierbeziehung (2. Auflage), Wiesbaden 2003, insbes. Kap. 3 und 4.
[9] H. Vorländer, „Transzendenz und die Konstitution von Ordnungen. Eine Einführung in systematischer Absicht“, Transzendenz und die Konstitution von Ordnungen, hg. H. Vorländer, Berlin/Boston 2013, S. 1–42, hier S. 20. Vgl. zu Konflikten aufgrund konkurrierender Transzendenzbehauptungen auch S. Dreischer / S. Heer / K. Kern, „Politische Ordnungsdiskurse im Vergleich: Gesamtdeutschland, Ostdeutschland und die Europäische Union“, Jenseits der Geltung. Konkurrierende Transzendenzbehauptungen von der Antike bis zur Gegenwart, hg. S. Dreischer u.a., Berlin/Boston 2013, S. 158–176.
[10] C. Moulin, „Ein Sermon von Ablass und Gnade (1518). Materialität, Dynamik und Transformation“, Meilensteine der Reformation. Schlüsseldokumente der frühen Wirksamkeit Martin Luthers, hg. I. Dingel, Gütersloh 2014, S. 113–121, hier. S. 117. Vgl. auch N. Schindler, „Die Prinzipien des Hörensagens. Predigt und Publikum in der Frühen Neuzeit“, Historische Anthropologie 1, 3 (1993), S. 359–393, hier S. 363 f.
[11] J. Gibney, The Shadow of a Year. The 1641 Irish Rebellion in Irish History and Memory, Madison/London 2013.
[12] So zumindest mit Blick auf das Agieren des britischen Premierministers Boris Johnson eines der eher bitteren Resümees in F. O’Toole, Heroic Failure. Brexit and the Politics of Pain, London 2018.
[13] M. Scheer, “Are Emotions a Kind of Practice (and is That what makes them have a History), History and Theory 51, 2 (2012), S. 193-220, hier S. 209-217.
[14] W. M. Reddy, The Navigation of Feeling. A Framework for the History of Emotions, Cambridge u.a. 2001: „Eine Emotionsaussage ist der Versuch, die zum Ausdruck gebrachte Emotion hervorzurufen, sie ist der Versuch zu empfinden, was man zu empfinden behauptet. Diese Versuche funktionieren in der Regel, aber sie können fehlschlagen. Wenn die Emotionsaussage fehlschlägt, ist sie insofern selbsterkundend, als man etwas Unerwartetes über die eigenen Gefühle erfährt.“ Vgl. J. Plamper: „Wie schreibt man die Geschichte der Gefühle? William Reddy, Barbara Rosenwein und Peter Stearns im Gespräch mit Jan Plamper“, Werkstatt Geschichte, 54 (2010), S. 39–69, hier S. 42.
[15] “Emotional communities are largely the same as social communities—families, neighborhoods, syndicates, academic institutions, monasteries, factories, platoons, princely courts. But the researcher looking at them seeks above all to uncover systems of feeling, to establish what these communities (and the individuals within them) define […].”; B. Rosenwein, “Problems and Methods in the History of Emotions”, Passions in Contexts I (1/2010), S. 11.
[16] E. J. Hobsbawn, Gefährliche Zeiten. Ein Leben im 20. Jahrhundert, München 2003 (hier TB-Ausgabe 2006), S. 95.
[17] A. Reckwitz, “Sinne und Praktiken. Die sinnliche Organisation des Sozialen. Wahrnehmung und materielle Kultur”, Die Sinnlichkeit des Sozialen. Zum Verhältnis von Wahrnehmung und Materialität, hg. S. Prinz / H. K. Göbel, Bielefeld 2015, S. 441–455, hier S. 446.
[18] Vgl. dazu Fehlemann, Mit allen Sinnen hassen, S. 63f. (a.a.O.)
[19] S. Fehlemann, “Der Modus der Unversöhnlichkeit. Wahlplakate in der Weimarer Republik”, https://www.slub-dresden.de/en/about-us/book-museum/ausstellungen-fuehrungen/archiv-der-ausstellungen/exhibitions-2020/schmaehung-provokation-stigma-medien-und-formen-der-herabsetzung/schmaehgemeinschaften-feindbilder/der-modus-der-unversoehnlichkeit-wahlplakate-in-der-weimarer-republik/
[20] „Die Rote Fahne", 11. Jg., Nr. 118, Berlin, 20. Mai 1928.
[21] Anstatt vieler A. Griesebner, Konkurrierende Wahrheiten. Malefizprozesse vor dem Landgericht Perchtoldsdorf im 18. Jahrhundert, Wien 2000.
[22] V. Turner, Das Ritual. Struktur und Anti-Struktur, Frankfurt/Main 2005.
[23] H. Popitz, Die normative Konstruktion von Gesellschaft, Tübingen 1980, S. 21.
[24] Ebenda., 22-23.
[25] Exemplarisch A. Kästner, „Welcher Pfaffe ist ein Schelm? Nachbarschaft, Konflikte und religiöse Devianz in Leipzig (1640), Göttlicher Zorn und menschliches Maß. Religiöse Abweichung in frühneuzeitlichen Stadtgemeinschaften , hg. A. Kästner / G. Schwerhoff, Konstanz 2013, S. 183–214.
[26] R. Collins, Violence. A Micro-Sociological Theory, Princeton 2008.
[27] D. Grünbein, „Wie aus Sprache Gewalt wird“, ZEIT online 9. Januar 2019, https://www.zeit.de/2019/03/sprachliche-radikalisierung-brutalisierung-gewalt (letzter Zugriff 22.09.2020).
[28] S. Krämer, „Gewalt der Sprache – Sprache der Gewalt“, https://www.bmfsfj.de/blob/93966/06e12f8ed3e66c8265a13f833916e5a2/gewalt-der-sprache-sprache-der-gewalt-data.pdf (letzter Zugriff 22.09.2020); Vgl. dazu auch G. Schwerhoff, „Invektivität und Geschichtswissenschaft. Konstellationen der Herabsetzung in historischer Perspektive. Ein Forschungskonzept“, Historische Zeitschrift 320 (2020), S. 1–36, hier S. 5f. und 17.
[29] J. Butler, Haß spricht - Zur Politik des Performativen, Frankfurt/M. 2006, S. 27-31, S. 81f. und 105. Vgl. dazu auch S. Fehlemann, „Die zwei Körper des Reichspräsidenten. Körper und Invektivität in der Weimarer Republik“, Körper-Kränkungen. Der menschliche Leib als Medium der Herabsetzung, hg. U. Israel / J. Müller, Frankfurt/Main 2021 (im Druck).
[30] B. Seebröker: Töten im Wandel. Gewalthandeln und sozioökonomische Transformationsprozesse in Lancashire (ca. 1730-1830), laufendes Dissertationsprojekt an der TU Dresden; G. Schwerhoff u. a. Zivilisierung der Gewalt? Eine kritische Sekundäranalyse vormoderner Quellengrundlagen (DFG Projekt 2016–17).
[31] H. Popitz, Phänomene der Macht, 2., stark erw. Aufl, Tübingen 1992, S. 48.
[32] U. Ludwig, Das Duell im Alten Reich. Transformation und Variationen frühneuzeitlicher Ehrkonflikte, Berlin 2016; Dies. / B. Krug-Richter / G. Schwerhoff (Hg.): Das Duell. Ehrenkämpfe vom Mittelalter bis zur Moderne, Konstanz 2012.
[33] H. Zmora, The Feud in Early Modern Germany, Cambridge 2011; G. Zeilinger, Lebensformen im Krieg. Eine Alltags- und Erfahrungsgeschichte des süddeutschen Städtekriegs 1449/50, Stuttgart 2007.