15.02.2023
Germanistik international: Die Partnerschaft der Professuren für Angewandte Linguistik in Dresden und Wrocław
Partnerschaften und strategische Kooperationen mit ausländischen Universitäten sind ein wichtiger Baustein des universitären Forschens, Lehrens und Lernens. Jenseits der großen Projekte gibt es dabei auch immer wieder kleine, aber umso beständigere und intensivere internationale Freundschaften zu entdecken. So zum Beispiel die Partnerschaft der germanistischen Professuren für Angewandte Linguistik der Universität Wrocław und der TU Dresden.
Joanna Szczęk ist Professorin für Angewandte Linguistik am Institut für Germanistik an der Universität Wrocław und hat den Grundstein für diese außergewöhnliche Partnerschaft gelegt. Sie war auf der Suche nach neuen Kontakten insbesondere nach Deutschland. Nachdem es bereits seit 2014 im Rahmen der DAAD-Ostpartnerschaften einen Partnerschaftsvertrag zwischen dem Bereich Geistes- und Sozialwissenschaften der TU Dresden und der Universität Wrocław gab, schrieb Prof. Szczęk 2016 kurzerhand ihr damaliges Dresdner Pendant, Prof. Joachim Scharloth, an und schlug ihm vor, gemeinsam die „Tage der Angewandten Linguistik“ zu veranstalten, um sich einander bekannt zu machen.
Also machten sich die Dresdner Linguist:innen bereits im April 2016 erstmals auf nach Wrocław, um dort ihre Forschung vorzustellen und mehr über die aktuellen Projekte der polnischen Kolleg:innen zu erfahren. Im Anschluss an die erfolgreiche Auftaktveranstaltung entschieden Prof. Szczęk und Prof. Scharloth schnell, die Tagung zu einer regelmäßig stattfindenden Reihe auszubauen, die wechselweise in Dresden und Wrocław stattfindet. So wurden die Dresdner Korpuslinguistiktage 2016, die die Dresdner Angewandte Linguistik unter Prof. Scharloth am Ende jedes Sommersemesters veranstaltete, mit den „Tagen der Angewandten Linguistik“ vereint und das reguläre Programm um zahlreiche Beiträge der polnischen Forscher:innen erweitert. Weitere „Tage der Angewandten Linguistik“ folgten im Oktober 2016 und April 2017.
Die gemeinsamen Veranstaltungen sind jedoch nur ein Teil der Partnerschaft. Natürlich haben auch Wissenschaftler:innen und Studierende in diesem Rahmen jederzeit die Gelegenheit, sich durch einen Gastaufenthalt ein Bild von der Fachkultur an der jeweils anderen Universität zu machen. Sogar die Verwaltungsmitarbeiterinnen der Dresdner Professur und der Fakultät für Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften der TU Dresden waren bereits in Wrocław, um sich mit ihren dortigen Kolleg:innen auszutauschen. Zuletzt konnte im Herbst 2022 Prof. Roman Opiłowski in mehreren Lehrveranstaltungen der Professur Angewandte Linguistik als Referent begrüßt werden. Prof. Opiłowski hielt sich in diesem Zeitraum zu einem Forschungsaufenthalt in Dresden auf.
Prof. Szczęk selbst war natürlich ebenfalls – auch mit eigenen Vorträgen – mehrfach in Dresden zu Gast und ist begeistert: „An der Professur für Angewandte Linguistik in Dresden gibt es eine schöne Tradition: Am Ende jedes Semesters gibt es ein Treffen mit einem gemeinsamen Essen. Immer wenn ich im Juli in Dresden war, war ich auch eingeladen. Zusammen arbeiten, essen, trinken – es ist eine richtige Freundschaft. In Wrocław ist das auf jeden Fall nicht normal, da sind die Bedingungen an den Hochschulen anders. Aber ab und zu machen wir das in Polen nun auch, das haben wir uns abgeschaut. Das Bemühen um das Zwischenmenschliche über das Dienstliche hinaus, das ist wichtig.“
Auch ihr Kollege Dr. Przemysław Staniewski ist von Dresden als Arbeits- und Studienort überzeugt: „In Dresden ist die Arbeit sehr angenehm, weil man sich nach der Arbeit wirklich gut erholen kann, zum Beispiel mit einem schönen Spaziergang sowohl in dem Stadtzentrum, als auch auf dem schönen und grünen Stadtrand. Außerdem ist in Dresden auch intensive Arbeit möglich, denn die kleinere Größe ist ein großer Vorteil, es macht wirklich Spaß.“
Als Prof. Joachim Scharloth 2017 die TU Dresden verließ, pausierten zunächst auch die „Tage der Angewandten Linguistik“. Mit der Ernennung von Simon Meier-Vieracker zum neuen Professor für Angewandte Linguistik an der TU Dresden konnte aber auch die Partnerschaft wiederaufleben, unter anderem mit zwei weiteren Ausgaben der „Tage der Angewandten Linguistik“ in 2022. Dabei wurde die Not der pandemiebedingt digitalen Austragung kurzerhand zur Tugend gemacht, denn so konnten auch viele Studierende teilnehmen und sogar eigene Vorträge halten. Die beiden Online-Tagungen bildeten nämlich den Abschluss der von Dr. Regina Bergmann durchgeführten Seminare TextRaum Museum bzw. Organisationelle TextRäume. Studierende der beiden Seminare stellten eigene kleine Projekte zu den Themen Linguistic Landscape und Textlinguistik vor und erlebten gleichzeitig einen wissenschaftlichen Diskurs in Konferenzatmosphäre.
Über die Fortsetzung der Serie ist Prof. Szczęk sehr froh: „Die Auslandsgermanistik ist anders, jeder Kontakt mit deutschen Wissenschaftler:innen ist daher sehr wichtig. Deswegen wird die Partnerschaft kontinuierlich entwickelt.“ Die sechste Ausgabe wird vom 28. bis 30. Juni 2023 unter dem Motto 'Texträume und Raumtexte intermedial' in Wrocław stattfinden, aber auch jenseits der Tagung lädt Prof. Szczęk Dresdner Wissenschaftler:innen und Student:innen ein, nach Wrocław zu kommen.
Die Philologische Fakultät der Universität Wrocław ist mit über 500 Mitarbeiter:innen und 30 angebotenen Sprachen, darunter Arabisch, Chinesisch oder Koreanisch, deutlich größer als das Dresdner Pendant und bietet besonders Studierenden eine vielfältige Auswahl an Seminaren. „Außerdem ist die Stadt sehr sehenswert und das Studentenleben ist toll. Wie Polen insgesamt ist es preiswert und bietet eine gute Küche. Ein weiterer Vorteil: in der Germanistik sprechen wir deutsch. Gleichzeitig freuen wir uns, wenn unsere Studenten mehr Kontakt zur deutschen Sprache haben,“ ergänzt Prof. Szczęk.
Auch die Themen, die in Wrocław in Studium und Forschung behandelt werden, sind vielfältig und modern. So gibt es Seminare zu Pragmalinguistik und sprachlicher Gewalt, zu Linguistic Landscapes und zur Kulinaristik. „Gerade bei diesem Thema ergeben sich tolle Synergien mit Dresden, wo ja kürzlich das Deutsche Archiv der Kulinarik gegründet wurde“, sagt Prof. Meier-Vieracker. Regelmäßig werden nach Wrocław auch internationale Koryphäen der Germanistik zu Gastvorträgen eingeladen und es werden offene Tagungen organisiert, die schon Studierenden die Gelegenheit bieten, ihre Themen öffentlich einem Fachpublikum zu präsentieren. Finanziert werden kann der Aufenthalt zum Beispiel über eine Erasmus-Förderung.
Nicht zuletzt sei auch noch auf eine ganze Reihe von Veröffentlichungen hingewiesen, die in den vergangenen Jahren den Dresdner Wissenschaftler:innen ermöglicht worden sind, etwa in der Zeitschrift „Linguistische Treffen“, zuletzt im gerade erschienenen 22. Band. Es sind natürlich schon weitere Begegnungen in Aussicht gestellt, schriftliche wie mündliche, in Dresden wie in Wrocław …
Weitere Informationen und Ansprechpartner:innen zu internationalen Partnerschaften am Bereich Geistes- und Sozialwissenschaften finden Sie unter Internationales.