Interviews
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Interview mit Johannes Köck vom 16.01.2023
Welcher Schritt (akademischer Natur) hat Sie besonders geprägt?
Es ist schwierig, eine trennscharfe Abgrenzung zwischen „nicht-akademisch“ und „akademisch“ vorzunehmen. Was mich in jedem Fall stark beeinflusst hat, ist der Umstand, dass ich das Abitur nachgeholt habe. Es gab gewisse Phasen in meinem Leben, in denen ich sehr mit der Institution Schule „gestruggelt“ habe. Dieser Umstand, das Abitur nachzuholen, hat mir verdeutlicht, dass der Zugang zur Universität keine Selbstverständlichkeit war und ist. Dies hat auch mein kritisches, von Skepsis geprägtes Verhältnis zu machtvollen Institutionen stark beeinflusst. Weiterhin war mein Studium in Wien für mich sehr befreiend. Dort konnte ich sehen, dass Lernen im Kontext von Institutionen auch frei von Angst und, sogar im Gegenteil, vergnüglich stattfinden kann. Auch meine ersten Auslandsaufenthalte (in Russland, Mexiko und Tschechien) waren wichtig, um sich in anderen Erfahrungs- und Lernzusammenhängen wiederzufinden. Das waren schon prägende Erlebnisse. Im Ausland zu leben, war für mich in diesen Kontexten auch immer ein Privileg.
Haben im Rahmen ihrer Auslandsaufenthalte auch andere Sprachen als Deutsch eine Rolle gespielt?
Ich bin sehr skeptisch gegenüber der Auffassung, Sprachen seien geschlossene, voneinander abgrenzbare Systeme und finde gerade Formen des alternierenden Sprachgebrauchs interessant. Im Rahmen der Lehre in der Germanistik ist es in weiten Teilen möglich, in diesem Kontext zu arbeiten, auch ohne die Sprache(n) des Landes, in dem man sich gerade befindet, zu lernen. Das gilt auch, oder gerade dann, wenn man als „Native“ adressiert wird und diesem Umstand ein Stück weit seine Stelle bzw. Stellung verdankt. Dennoch habe ich mich auch bemüht, die jeweiligen Sprachen zu lernen und die lebensweltliche Mehrsprachigkeit auf mich wirken zu lassen.
In ihren Publikationen spiegelt sich die Skepsis gegenüber Institutionen wider, beispielsweise beim Thema „Rassismus im DaF-Unterricht“. Wo liegen weitere akademische Interessen Ihrerseits?
Aktuell bin ich sehr mit meinem Dissertationsvorhaben Migrationsgesellschaftliche Erinnerungsorte auf heimatkritischer Grundlage. Konturen eines Didaktisierungskonzeptes für die Erwachsenenbildung DaF/DaZ befasst. Darüber hinaus beschäftigen mich unterschiedliche Themen im Feld DaF/DaZ. Einerseits Fragen von Erinnern und Vergessen, das Verhältnis von Kollektivität, Erinnerung und Vergessen. Auch im Kontext der Migrationsgesellschaft (nach Mecheril): Wer hat (k)ein Anrecht auf Erinnern? Inwieweit gibt es hegemoniale Erinnerungsräume und inwiefern werden diese durch „Migration“ in Frage gestellt? Die Migrationspädagogik (vgl. Mecheril / Castro Varela / Dirim/ Kalpaka /Melter) im Zusammenhang mit Erinnern und Vergessen interessiert mich sehr.
Weiterhin finde ich Rassismus und Rassismuskritik sehr wichtig, auch in Anlehnung an Nina Simon und Karim Fereidooni, als Querschnittsaufgabe jeden Unterrichts. Rassismuskritik beschäftigt mich auch deswegen so, weil es sich bei Rassismus/Rassialisierungen um eine machtvolle Praxis handelt, der man aber aufgrund ihrer hohen Wandelbarkeit und der eigenen Verstrickungsblindheit schlecht auf die Schliche kommen kann. Diese Aspekte sollten mehr Bedeutsamkeit in jedem Unterricht erfahren, nicht als moralische Kategorie, sondern als machtvolle und abzuschwächende/zu hinterfragende Diskursmuster.
In Bezug auf die Germanistik interessiert mich außerdem der Zauber und die Kraft von Poetizität und Literatur. Literarizität als Zugang zur Mehrdeutigkeit von Literatur und Sprache (hier beziehe ich mich auf die Texte von Dobstadt und Riedner) finde ich sehr spannend und in vielfältiger Weise bedeutsam sowie anschlussfähig.
Wie betrachten Sie das EF DaZ an der Uni?
Zunächst finde ich die Begriffsklärung von DaF/DaZ in verschiedenen Kontexten immer wieder aufs Neue wichtig. Eine feste/festgeschriebene Unterscheidung zwischen DaF und DaZ impliziert häufig ein Verständnis von Sprache(n) als geschlossene Systeme und somit auch eine Hierarchie zum Beispiel zwischen erster und zweiter Sprache. Es ist wichtig und interessant, zu fragen: Woher kommt die gesellschaftliche Notwendigkeit, sich überhaupt festzulegen, was ist meine „Erstsprache“, was meine „Zweitsprache“? Andererseits existieren auch Zusammenhänge, in denen Sprachenförderung, Mehrsprachigkeit und Lehrkräftebildung stattfinden und ein Curriculum benötigt wird. Hier müssen Spannungsverhältnisse zwischen institutionellen Vorgaben und herrschaftskritischen Zugängen ausgehandelt werden.
Ansonsten muss ich erst noch mehr Einblicke in die Ausrichtung des Faches an der TUD gewinnen.
Und zum Schluss: Was reizt Sie besonders an Dresden?
In Bezug auf Dresden – ich meine die TU – bin ich gespannt, wie es hier mit dem Verhältnis von Medialität und Erinnern aussieht. Die Unabschließbarkeit von Erinnern und Vergessen birgt diesbezüglich großes Potenzial. Ich habe das Gefühl, dass es in Dresden klare, möglicherweise mitunter „vereindeutigte“ Erinnerungsorte gibt und dass Erinnerung hier omnipräsent ist. Ich glaube, dass Dresden eine Stadt ist, wo es sich zu Erinnerungsorten ausgesprochen gut arbeiten lässt. Ein Erinnerungsort scheint oft zunächst konkret fassbar und wird später unklar und mehrdeutig. Diesen Weg finde ich spannend und er beinhaltet große didaktische Potenziale. Ich freue mich sehr darauf, zu und mit diesem Thema kooperativ in Dresden zu arbeiten! Erinnerungsorte an die DDR, Konstruktionen von Ost und West oder die Frage nach „vergessenen Orten“ wären neue, sehr relevante Themen für meine Agenda.