Der Zweite kann der Beste sein - wenn er die Zeit zu nutzen weiß
Warum immer mehr Unternehmen die Langsamkeit und die Sorgfalt neu entdecken.
Die Times Deutschland vom 18.12.01 beschäftigte sich mit dem Thema "Zeit" und "Entschleunigung als Unternehmensstrategie". Weil Frau Prof. Günther sich mit diesem Thema ausführlich in ihrem Forschungsprojekt "Entschleunigung von Wirtschaftsprozessen" beschäftigt, wurde Sie zu dem Thema befragt. "...Sich Zeit zu nehmen, nachzudenken, das klingt anachronistisch in Zeiten des Internets und der Globalisierung. Inzwischen wollen aber nicht nur gestresste Manager und Mitarbeiter einen Gang zurückschalten. Für viele Unternehmen ist Entschleunigung zum notwendigen Luxus geworden. Insbesondere Traditionsbetriebe wie die Porzellanmanufaktur Meißen deren Erfolg auf der Qualität Ihrer Produkte beruht, haben den Wert der Langsamkeit erkannt. So stellten die Sachsen Anfang 1999 einen Teil ihrer Produktion Akkord- auf Gruppenarbeit um. Früher richtete sich der Lohn der Mitarbeiter, die die Tonmasse in Formen gießen, nach der Gesamtzahl der produzierten Stücke. Jetzt wird nach der Gesamtzahl der Stücke bezahlt, die effektiv auch zum Verkauf geeignet sind. Die Folge: Die Mitarbeiter arbeiteten langsamer und sorgfältiger. Der Ausschuss ging zurück, die Löhne und die Zufriedenheit der Arbeiter stiegen. ‚Je schneller, desto besser, das ist nicht immer richtig. Man muss fragen, was ökonomisch Sinn macht.' sagt Edeltraud Günther, beratende Professorin der BWL an der Technischen Universität Dresden. Abgesehen davon honorieren die Kunden gewissenhafte Arbeit. Das erlebte die Uhrenmanufaktur A. Lange & Söhne in Glashütte. Das günstigste Modell kostet 15 000 DM, andere hingegen bereits 178 000 DM - die ausgefeilte Mechanik macht die Uhren aus Sachsen teuer und weltbekannt. ... Erster auf dem Markt zu sein ist also nicht alles. Einige Firmen bauen dem wachsenden Druck sogar vor. So weiß Edeltraud Günther aus Beratungsprojekten, dass nicht jede Leistung so schnell erbracht wird wie theoretisch möglich: ‚Man fürchtet, dass, wenn einer diesen Service anbietet, ihn alle anbieten müssen. In einen Fall mag man zwar im Vorteil sein. In anderen Fällen ist man aber selbst im Nachteil.' So gebe es in einigen Branchen regelrechte Verlangsamungskartelle." ... Storn, Arne, Financial Times Deutschland, Dienstag 18.12.2001, S. 29.