17.06.2024
Digitalisierung für eine nachhaltigere Landwirtschaft der Zukunft: Erfolgreicher Abschluss des Verbundprojektes LANDNETZ
Extreme Wetterereignisse wie Hitze, Kälteeinbrüche, Trockenheit oder Starkregen nehmen aufgrund des Klimawandels zu. Dies führt vermehrt zu erheblichen Ernteeinbußen und stellt damit Landwirte zunehmend vor Herausforderungen. Mit Hilfe digitaler Technologien sollen Prozesse im Pflanzenbau und in der Tierhaltung besser überwacht, gesteuert und weiter optimiert werden – angefangen bei der Gesundheitsüberwachung von Milchkühen und dem digitalen Herdenschutz bis hin zu autonom mechanischer Unkrautbekämpfung. Wenn es gelingt, landwirtschaftliche Prozesse mithilfe von Digitalisierung zu optimieren und beispielsweise den Einsatz von Wasser, Nährstoffen sowie Pflanzenschutzmitteln durch moderne Technik genau zu steuern, werden weniger Ressourcen benötigt. Die Landwirtschaft kann dadurch effizienter und nachhaltiger werden. Grundvoraussetzung für viele dieser digitalen Anwendungen ist jedoch eine stabile und gut ausgebaute Kommunikationsinfrastruktur, die heute in vielen ländlichen Regionen noch fehlt.
Das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geförderte Verbundprojekt LANDNETZ forschte in den vergangenen fünf Jahren intensiv an flächendeckenden Kommunikations- und Cloudnetzen für eine Landwirtschaft der Zukunft. In einer ausgewählten Modellregion Sachsens wurde dazu ein digitales Experimentierfeld aufgebaut. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der TU Dresden, des Fraunhofer-Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI und Mitarbeitende des Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) erprobten darin verschiedene Technologien zur flächendeckenden drahtlosen Datenübertragung mit Hilfe von 5G im ländlichen Raum. Sie vernetzten dazu landwirtschaftliche Betriebe in der Modellregion nordwestlich von Dresden. Im Norden wird das Testareal durch das Lehr- und Versuchsgut des LfULG in Köllitsch begrenzt. Zahlreiche Partnerbetriebe befinden sich weiter südlich in der Lommatzscher Pflege.
Seit 2019 stellt die Bundesnetzagentur Frequenzen für den Betrieb lokaler 5G-Netze bereit. Dies ermöglichte die Schaffung einer neuen Kommunikations- und Cloudinfrastruktur, den Mobilfunk Campus-Netzen, um digitale Anwendungen in der Modellregion zu testen und weiterzuentwickeln. Unabhängig von öffentlichen Mobilfunknetzen können seitdem stabile 5G-Funkverbindungen genutzt werden, um Daten auszutauschen und Maschinen, Roboter sowie Sensoren direkt zu vernetzen.
„Für eine ökologisch und ökonomisch nachhaltige Landwirtschaft, bedarf es u.a. einer standortangepassten und zielgerichteten Bewirtschaftung. 5G unterstützt ein solches Precision Farming. Im LANDNETZ haben wir verschiedene Möglichkeiten dieser Bewirtschaftung untersucht“, erklärt Prof. Thomas Herlitzius, Sprecher des Verbundprojektes. Um beispielsweise Düngemittel bedarfsgerecht nur auf Teilflächen eines Feldes auszubringen, überfliegt eine Drohne ein mehrere Hektar großes Areal und nimmt mit einer Multispektralkamera Bilder des Pflanzenbestandes auf. Diese werden mittels 5G direkt an den lokalen Server gesendet und dort verarbeitet. Auf Basis der Bilder werden die Soll-Werte für die Düngung festgelegt. Der Düngerstreuer, der ebenfalls in das Campus-Netz eingebunden ist, erhält die berechneten Werte vom Rechenzentrum und kann sie sofort für seine aktuelle Position auf dem Feld abrufen.
Die Anwendung von kleineren – mit entsprechender Sensorik und Künstlicher Intelligenz ausgestatteten – Maschinen, die komplexe Arbeitsvorgänge wie die Pflanzenschutzmittelapplikation aber auch einfache Arbeiten mit hohem Wiederholungsgrad autonom bewältigen können, ist ein weiterer großer Schritt zur Verknüpfung von Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit.
Mit dem elektrischen modularen Roboter elWObot II für den Garten-, Obst und Weinbau wurde ein autonom fahrender Geräteträger entwickelt, welcher unter beengten Bedingungen wie in Obstplantagen zum Einsatz kommt. Mit Zusatzmodulen zum Mähen und Mulchen, für den Pflanzenschutz oder zum Konturschnitt ist er vielseitig einsetzbar. Der elWObot II kann sensorgestützt ortsgenau und bedarfsgerecht arbeiten. Der Roboter kommuniziert dabei ständig mit dem lokalen Server und schickt aktuelle Daten, die in der Leitstelle ausgewertet werden.
5G bildet auch die Grundlage für vernetzte Mobilität. Um den Straßenverkehr auf dem Land sicherer zu gestalten, wurde im Rahmen von LANDNETZ das Teilprojekt ON/OFF Road Safety bearbeitet. Darin beschäftigen sich die Forschenden mit Kommunikationsinfrastrukturen und Informationssystemen, die es ermöglichen, bedarfsgerechte Warnmeldungen zwischen einzelnen Fahrzeugen zu senden und zu empfangen. „Mit wachsendem Autonomiegrad steigen die Sicherheitsanforderungen an die hochautomatisierte Landtechnik. Die kommunikationstechnische Vernetzung der Maschinen untereinander, mit einem überwachenden Dispatcher oder Fahrzeugen im Straßenverkehr über 5G-Mobilfunk kommt diesen Anforderungen entgegen,“ verdeutlicht Prof. Matthias Klingner, Institutsleiter des Fraunhofer IVI. In der mit 5G ausgestatteten Modellregion wurden typische Anwendungsfälle, wie das Aufeinandertreffen einer großen Landmaschine mit einem Pkw oder einem Motorradfahrer konzipiert und erprobt. Der spontane Informationsaustausch einzelner Fahrzeuge untereinander, zwischen Fahrzeugen und Verkehrsinfrastruktur oder mit mobilen Landmaschinen durch Vehicle-to-X-Kommunikation kann die Verkehrssicherheit erheblich verbessern.
„Der Einsatz digitaler Technologien in der Landwirtschaft ist kein Selbstzweck“, sagt Heinz Bernd Bettig, Präsident des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie in Sachsen. „Vielmehr haben wir im Rahmen des Projektes die Bedürfnisse der Nutzenden in den Mittelpunkt gestellt und zukunftsweisende Technologien als Unterstützung für die steigenden Herausforderungen in der Landwirtschaft untersucht.“ Zum Abschluss des Verbundprojektes wurde am Donnerstag im Rahmen der Regionalkonferenz „Digitale Anwendungen für die landwirtschaftliche Praxis“ der aktuelle Stand der Entwicklungen vorgestellt.
Kontakt:
Dr. Isabel Raabe
TU Dresden
Tel.: 0351 463-41024
E-Mail: isabel.raabe@tu-dresden.de
Elke Sähn
Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI
Tel.: +49 351 4640-612
E-Mail: elke.saehn@ivi.fraunhofer.de
Karin Bernhardt
Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie
Tel.: +49 351 2612 9002
E-Mail: