29.10.2019
Fahrplan zu mehr Nachhaltigkeit an Universitäten
Die Gruppe Umweltschutz und das Verbundprojekt HOCHN wollen Entwicklungspfade am Beispiel der TUD diskutieren
Wie kann das Leben, Arbeiten und Studieren an der TU Dresden mit ihren über 30 000 Studenten und über 8000 Mitarbeitern nachhaltiger gestaltet werden? Welche Möglichkeiten bieten sich insbesondere in den Bereichen Campusgestaltung, Mobilität und Energieeffizienz? Das will die Gruppe Umweltschutz aus dem Dezernat Liegenschaften, Technik und Sicherheit am 5. und 6. November 2019 gemeinsam mit Universitätsangehörigen und Partnerorganisationen diskutieren. Mit dabei ist auch Lutz Thies, Student der Informatik an der TU Dresden. Als studentischer Vertreter sitzt er am 5. November neben dem Kanzler, Dr. Andreas Handschuh, der Direktorin von UNU-Flores, Prof. Edeltraud Günther und Prof. Irene Lohaus vom Institut für Landschaftsarchitektur im Podium der abschließenden Gesprächsrunde des ersten Veranstaltungstages. Hierzu sind alle Interessierten ab 15.30 Uhr herzlich in den Festsaal Dülferstraße eingeladen.
UJ: Sie studieren Informatik. Das ist auf den ersten Blick nicht der Studiengang, wo die ökologisch bewegten Studenten verortet werden.
Lutz Thies: Das stimmt wohl. Aber Informatik ist eine Querschnittsdisziplin, die auch viel zum Thema erneuerbare Energien, Mobilität und Einsatz gegen den Klimawandel beitragen kann. Gleichzeitig ist die voranschreitende Digitalisierung selbst ein problematischer Faktor für Mensch und Umwelt, wenn wir uns z. B. den Stromverbrauch des Internets oder den Ressourcen-Verbrauch der Elektronik-Industrie anschauen.
Für mich persönlich haben Umwelt und Nachhaltigkeit schon immer eine große Rolle gespielt. Ich komme aus dem Wendland, wo ich unter anderem mit den Protesten rund um die Castor- also Atommülltransporte nach Gorleben und einem verstärkten Bewusstsein für diese Themen groß geworden bin. Weil mich so vieles von Umwelt über Politik und Gesellschaft bis hin zu Informatik und Physik interessiert, war es auch lange unklar, welches Studium ich wähle. Nach der Schule habe ich erst einmal ein FÖJ, ein Freiwilliges Ökologisches Jahr absolviert – aber nicht wie eigentlich geplant auf einer Schutzstation im norddeutschen Wattenmeer oder einem Bauernhof, sondern beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, dem DLR. Dort war ich für die Nachwuchsförderung zuständig und habe Seminare für ganz junge bis alte Menschen gegeben. Mit einer Computeranalyse von Satellitendaten des DLR konnten wir beispielsweise visualisieren, wie Sahara-Sand über den Atlantik geweht wird und den Regenwald am Amazonas düngt. Ein super Beispiel, wie verschiedene Disziplinen zusammen Faszinierendes leisten.
Sie verfolgen nicht nur viele Themen mit Leidenschaft, sondern sind an der Uni in den verschiedensten Gremien engagiert. Wie ist es dazu gekommen?
In den ersten anderthalb Jahren nach meiner Immatrikulation habe ich mich außerhalb der Uni engagiert und war auch sehr mit dem Studium beschäftigt. Aber weil ich mit verschiedenen Dingen unzufrieden war, bin ich in den Fachschaftsrat Informatik gegangen und ziemlich schnell Sprecher geworden. Bis heute engagiere ich mich für eine aus Sicht der Studierenden notwendige Studiengangreform, damit z.B. auch gesellschaftliche Fragen oder Technologiefolgenabschätzung in der Ausbildung eine angemessene Rolle spielen.
Vom FSR war der Weg in den Studierendenrat nicht weit. Dort habe ich mit Alexander Busch einen tollen Kollegen und guten Freund gefunden, mit dem ich bis Frühjahr 2019 zwei Jahre lang die Öffentlichkeitsarbeit betreut habe. Unser Ziel war es von Anfang an, den über 30 000 Studierenden der TU Dresden eine starke Stimme zu geben und dafür zu sorgen, dass sie bei Entscheidungen angemessen berücksichtigt werden. Wir sind außerdem bei der Gruppe WHAT aktiv, die sich zum Ziel gesetzt hat, junge Menschen auf gesellschaftliche Themen aufmerksam zu machen. Gerade in Dresden bzw. Sachsen geht es da natürlich viel um den Einsatz für eine vielfältige, weltoffene Gesellschaft, aber beim studentischen Festival progressive, das wir in diesem Sommer zum dritten Mal organisiert haben z. B. auch um Nachhaltigkeit und Klimawandel.
Im November 2018 haben Alex und ich die nächste Stufe genommen und sind seitdem zwei der vier Studierendenvertreter im Senat – dem höchsten Gremium unserer Uni, das grundlegende Entscheidungen trifft. Die Arbeit dort fängt bei vergleichsweise trockenen Änderungen von Ordnungen an, die aber durchaus erhebliche Auswirkungen im Studium haben können, geht über Verbesserungen des Teilzeitstudiums bis hin zu konkreten Möglichkeiten, die TUD nachhaltiger bzw. ökologischer auszurichten, z. B. was Dienstreisen angeht.
Reicht die Zeit bei so viel Engagement noch zum Studieren? Sie waren kürzlich längere Zeit im Ausland. Wollten Sie die nutzen, um sich auf ihr Studium zu konzentrieren?
Sowohl als auch. Die EU unterstützt im Projekt »DAMOC« mit anderen europäischen Universitäten unter anderem den Aufbau von Studiengängen zum Thema Smart Grids, also intelligenten Stromnetzen in Tansania. Die Koordination liegt bei der Dresdner Professur Datenschutz und Datensicherheit von Prof. Thorsten Strufe. Meine Aufgabe war es, praktische Lehrinhalte zu Sicherheit und Privatsphäre in diesem Kontext zu entwickeln. Die Motivation dahinter wird ziemlich gut im Roman »Blackout« von Marc Elsberg deutlich, wo mit Hacker-Angriffen auf die Stromversorgung das Leben in Europa angehalten wird. Ein wirklich gruseliges, aber leider gar nicht so unrealistisches Szenario.
Tansania gehört zu den sich am stärksten entwickelnden Ländern auf dem afrikanischen Kontinent. Die Stromversorgung ist allerdings schwierig. Stromausfälle sind an der Tagesordnung. Der längste, den ich erlebt habe, dauerte fast eine Woche. Statt die fossilen Energieträger auszubauen, geht es jetzt darum, mit Hilfe dezentraler, ökologischer Energieerzeugung eine stabile und zukunftssichere Stromversorgung sicherzustellen. Die letzten Jahrzehnte der Kohle- und Atomkraft in Europa sollen quasi übersprungen werden.
Das ist auch unbedingt notwendig, um den Klimawandel zu bekämpfen. Im Gegensatz zu uns bekommen die Menschen in Tansania bereits Veränderungen und Auswirkungen zu spüren. Die Regenzeit – eigentlich von März bis Mai – kam in diesem Jahr anderthalb Monate zu spät, dauerte nur halb so lang und war dafür umso heftiger. Was an Ernte nicht vertrocknet war, wurde fortgespült, samt Straßen und Slums. Auch diese Erfahrungen haben mich darin bestärkt, später genau daran arbeiten zu wollen. Derzeit suche ich nach einer Möglichkeit, meine Abschlussarbeit zu einem Thema zu schreiben, in dem Informatik mit Umwelt- bzw. Klimaforschung und gesellschaftlichen Fragen verknüpft werden. Bis dahin werde ich natürlich auch an der TU Dresden gemeinsam mit engagierten Kommilitonen, z. B. von der tuuwi, weiter für konkrete Verbesserungen kämpfen. Denn alle, auch wir an der Uni, können und müssen unseren Beitrag leisten. Das Bewusstsein dafür wird ja glücklicherweise Dank Greta Thunberg, Fridays for Future, Extinction Rebellion und vielen neuen Gruppierungen in der Umweltbewegung endlich größer. Ich bin daher schon sehr auf die Diskussionen beim Nachhaltigkeitskongress und die Ergebnisse gespannt.
Die Fragen stellte Anne Vetter
Weitere Informationen unter:
https://tu-dresden.de/tu-dresden/arbeitsschutz-umwelt/umwelt-und-nachhaltigkeit
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 17/2019 vom 29. Oktober 2019 erschienen. Die komplette Ausgabe ist hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei doreen.liesch@tu-dresden.de bestellt werden. Mehr Informationen unter universitaetsjournal.de.