09.11.2023
Wiedersehen mit Emeritus Prof. Dr. Werner J. Patzelt
Der emeritierte und nach wie vor sehr aktive Prof. Werner J. Patzelt bekleidete bis 2019 die Professur für politische Systeme und Systemvergleich an der TU Dresden und betreute im 1. und 2. Boysen-TU Dresden-Graduiertenkolleg jeweils erfolgreich ein Promotionsprojekt. Seit September 2022 widmet er sich der Beantwortung europäischer Fragestellungen. Dazu leitet er in Brüssel, unter Federführung des führenden ungarischen Wissens- und Talentzentrum Mathias Corvinus Collegium (MCC), als Forschungsdirektor einen Think Tank namens MCC Brussels. Am 02. November 2023 nahm sich Prof. Patzelt die Zeit, die Kollegiat:innen des Boysen-TUD-Graduiertenkolleg in den Räumen am Falkenbrunnen zu besuchen und seine Arbeit sowie die Fragen, die ihn und sein Team beschäftigen, zu erläutern. Kernthema dabei ist die Europäische Union und die Frage nach deren zukünfigen Entwicklung.
Die EU als Wirtschaftsgemeinschaft ist eine Erfolgsgeschichte, doch sie strauchelt. Nationalistische Strömungen in den Mitgliedsländern werden stärker und fordern einen Austritt oder eine Reduktion der Befugnisse des europäischen Parlaments. Soll die EU auch in Zukunft zusammenhalten und den europäischen Markt stärken, muss also überdacht werden, welche Bereiche erfolgreich sind und wo es gegebenenfalls Verbesserungspotenzial gibt. Genau diese Themen sind im Think Tank verortet. Die drei wesentlichen Forschungsfragen lauten dabei:
- Was mach die Europäische Union aus? Was verbindet seine Mitglieder und was ist schützenswert?
- Welche Reformen sind nötig und helfen, das Vertrauen in die Arbeit der Institutionen zu stärken?
- Wie sieht die Zukunft der EU in einer post-okzidentalen Welt aus? Was kann und möchte die EU sein, wenn ihre Wirtschaftskraft im globalen Kontext an Stärke verliert?
Forschung im Think Tank läuft dabei anders als an einer Universität, so Prof. em. Patzelt. Ergebnisse müssen in kürzerer Zeit erzielt werden, weshalb ein großer Teil der Arbeit an Experten ausgelagert wird, die Präsentationen und Paper zu vorgegebenen Sachverhalten erstellen und vortragen. Die so gewonnenen Informationen werden anschließend diskutiert und durch eigenes Wissen ergänzt. Schließlich ist das Team von ca. 25 Mitarbeiter:innen zu klein, um der großen Themenvielfalt ohne externe Unterstützung Herr zu werden. Das Ziel sind auch keine klassischen Publikationen, sondern das Beeinflussen der politischen Debatte. Dazu werden inhaltlich leicht zugängliche Bücher publiziert, Social-Media-Kanäle gepflegt, Vorträge gehalten und vieles mehr. Denn häufig sei der öffentliche Diskurs in Brüssel recht einseitig, erklärte Prof. Patzelt. Sein Institut wolle alternative Denk- und Handlungsweisen anregen.
Offensichtlich wird in jedem Fall: die EU hat einen interessanten und bestimmt nicht immer leichten Weg vor sich. Es besteht die Hoffnung, dass, gestützt durch wissenschaftliche Erkenntnisse, die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Als gänzlich unpolitisch kann Forschung nicht betrachtet werden.
Wir danken Prof. em. Werner J. Patzelt für seine Zeit und die erhellenden Einblicke. Wie schön, dass das Boysen-TUD-Graduiertenkolleg auch in Brüssel nicht vergessen wird!