16.01.2015
Nächste Generation Teilchenbeschleuniger: Lehrstuhl an CERN-Zukunftsprojekt beteiligt
Bei der Kryotechnikgruppe am Bitzer-Stiftungslehrstuhl für Kälte-, Kryo- und Kompressorentechnik der TU Dresden startete zum Jahreswechsel ein neues Projekt: Unter der Federführung des europäischen Kernforschungszentrum CERN bei Genf werden die technischen Voraussetzungen für einen Teilchenbeschleuniger der nächsten Generation erarbeitet. Mit diesem Future Circular Collider (FCC) sollen am Standort CERN später Endenergien von 100 TeV, d.h. ein Vielfaches des heutigen Grenzwerts erreicht werden. Der Beitrag der TU Dresden hat ein neuartiges und hocheffizientes Konzept zur Realisierung der notwendigen Tieftemperaturkühlung zum Inhalt.
Vor zwei Jahren ging die Nachricht um die Welt: Beim europäischen Kernforschungszentrum CERN wurde ein wichtiger Baustein der Materie gefunden, das sogenannte Higgs-Teilchen. Dafür gab es 2013 den Physik-Nobelpreis. Technische Basis für diese Entdeckung war der LHC-Teilchenbeschleuniger (Large Hadron Collider), ein ringförmiges, hochevakuiertes Strahlrohr mit 27 km Umfang. Dieses ist umgeben mit supraleitenden Magneten, welche die Teilchen auf eine Kreisbahn zwingen. Die Magnete müssen, um ihre Funktion zu erfüllen, auf eine Temperatur von -271 °C abgekühlt werden, d.h. eine Temperatur nur 2 Grad über dem absoluten Nullpunkt. Zur Kühlung werden bereits hier acht riesige Helium-Kälteanlagen benötigt, von denen jede einzelne die größte Kälteanlage der Welt wäre.
Gemäß derzeitigem FCC-Design wird aufgrund der hohen Teilchenenergien ein zusätzlicher thermischer Schild und damit eine zusätzliche Kühlstufe bei 40 … 60 K erforderlich. Effiziente Großkälteanlagen für diesen Temperaturbereich gibt es bislang noch nicht. An diesem Punkt kommt die TU Dresden ins Spiel.
„Vor einigen Jahren haben wir in einem ganz anderen Zusammenhang – es ging um die optimale Prozessgestaltung für künftige kommerzielle Wasserstoffverflüssigungsanlagen – eine Idee für einen neuartigen Kältekreislauf erarbeitet. Kernpunkt ist die Verwendung einer passenden Mischung von Neon und Helium („Nelium“), welches ein überlegenes Kältemittel für exakt diesen Temperaturbereich darstellen kann. Wie wir bemerkten, ist dieses Konzept zufällig auch bestens geeignet für die benötigte „beam screen cooling“ beim FCC. Unser Vorschlag, die resultierenden Betriebs- und Investitionskosten mittels neuartigen Kühlsystems deutlich zu reduzieren, stieß beim CERN auf großes Interesse. Immerhin geht es bei den Antriebskompressoren auch um Dauer-Eingangsleistungen im Bereich von ca. 20 MW.“, so PD Christoph Haberstroh, Projektleiter an der TU Dresden.
An der Konzeptstudie sind eine große Anzahl von Forschungseinrichtungen und Universitäten weltweit beteiligt, fast ausschließlich Teilchen- und Beschleunigerphysiker. Die Wissenschaftler der Fakultät Maschinenwesen ergänzen das Projektteam als Experten für die nötige Tieftemperatur-Kühltechnik. Spätestens 2018 soll die komplette Konzeptstudie zum Teilchenbeschleuniger der Zukunft fertig ausgearbeitet sein.
Die Kryotechnikgruppe am Bitzer-Stiftungslehrstuhl für Kälte-, Kryo- und Kompressorentechnik der TU Dresden ist in Europa führend auf dem Gebiet der Forschung und Lehre auf dem Gebiet der Tieftemperaturtechnik. Seit 2008 wird jedes Jahr (in Zusammenarbeit mit den Technischen Universitäten in Breslau und Trondheim) u.a. auch die dreiwöchige Lehrveranstaltung „European Course of Cryogenics“ mit 40 Studenten aus ganz Europa durchgeführt.
Ansprechpersonen am Lehrstuhl:
PD Christoph Haberstroh
Dipl.-Ing. Steffen Klöppel