05.11.2018
Carbonfaser-Technikum am Research Center Carbon Fibers in Dresden eröffnet
Mit einem Festakt haben Dr. Eva-Maria Stange, Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst des Freistaates Sachsen, Prof. Gerhard Rödel, Prorektor für Forschung der Technischen Universität Dresden, Prof. Hubert Jäger und Prof. Chokri Cherif am 02.11.2018 das Carbonfaser-Technikum des Research Center Carbon Fibers (RCCF) eröffnet.
Das RCCF, eine gemeinsame wissenschaftliche Einrichtung des Instituts für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) und des Instituts für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM) der TU Dresden, wurde gegründet, um die Carbonfasern vom Faserrohstoff bis zum fertigen Bauteil zu erforschen und neue Eigenschaften und Anwendungsmöglichkeiten zu entdecken.
„Sachsen verfügt in der Schlüsseltechnologie Werkstoff-, Material- und Nanowissenschaft über hervorragende Rahmenbedingungen und hoch motivierte Wissenschaftler an Hochschulen und Forschungseinrichtungen, die in dieser Spezialisierung weltweit ihresgleichen suchen“, erklärt dazu Staatsministerin Dr. Stange. „Beinahe alle Materialklassen von Metallen, Polymeren, Keramiken bis hin zu Verbund- und Naturwerkstoffen werden auf international hohem Niveau bearbeitet. Dabei greifen Grundlagen- und Angewandte Forschung in zahlreichen Feldern eng ineinander und bilden geschlossene Entwicklungsketten bis zu einem Transfer in die Wirtschaft – regional, national und international.“
Der Prorektor für Forschung der TU Dresden, Prof. Gerhard Rödel, ergänzt: „Mit dem Carbonfaser-Technikum ist im Research Center Carbon Fibers eine weltweit einzigartige Anlage entstanden, die völlig neue Möglichkeiten eröffnet. Es geht darum, Fasern mit einem möglichst hohen Individualisierungsgrad zu designen – je nach Bedarf und Einsatzbereich.“
Auf der derzeit installierten, einzigartigen Anlage erforschen Wissenschaftler des RCCF unter Reinraum-Bedingungen die Grundlagen für maßgeschneiderte Kohlenstofffasern und erschließen deren hohes Innovationspotential. Dabei greifen die Forscher auf einzelne Anlagenmodule zur Stabilisierung und Carbonisierung mit industrienahem Ofendesign und individuell einstellbaren Parameterkombinationen zurück. Durch den außerordentlichen Reinheitsgrad sind die Carbonfasern für die Anforderungen der Luft-/Raumfahrt- und der Automobilindustrie maßgeschneidert.
„Die Carbonfaser ist der Stahl des 21. Jahrhunderts“, führt Prof. Hubert Jäger, Sprecher des Instituts für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK), aus. „Ganze Branchen erfinden sich derzeit durch diesen Werkstoff neu und erreichen mit ihren Produkten nie gedachte Dimensionen. Das Problem ist jedoch die Verfügbarkeit. Wir werden mit dem Carbonfaser-Technikum einen Beitrag dazu leisten, dass aus Sachsen heraus dieser Werkstoff nicht nur leichter verfügbar, sondern auch besser und maßgeschneidert einsetzbar wird für Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt, Fahrzeugbau, Architektur und Hochleistungselektronik.“
„Mit der Inbetriebnahme des Carbonfaser-Technikums unter Reinraumbedingungen am RCCF gelingt es uns, die Prozesskette zur Fertigung maßgeschneiderter Kohlenstofffasern signifikant zu erweitern. Die notwendigen Maschinentechniken des ITM einschließlich der bereits gewonnenen Erfahrungen bei Prozessoptimierungen zur Herstellung von Precursorfasern, dem Ausgangsmaterial für die neuen Stabilisierungs- und Carbonisierungslinien, stehen in künftigen Forschungsvorhaben den Wissenschaftlern des RCCF zur Verfügung. Somit geben wir am exzellenten Forschungsstandort Dresden die Initialzündung für die weiterführende Grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung auf dem Gebiet der Kohlenstofffasern“, ergänzt Prof. Chokri Cherif, Direktor des ITM und Inhaber der Professur für Textiltechnik.
Das Carbonfaser-Technikum umfasst einen mehr als 300 m² großen Reinraum der Klasse ISO 8. Neben den beiden auf etwa 30 Metern aufgestellten Stabilisierungs- und Carbonisierungslinien sind weitere Flächen für künftige Erweiterungen der Gesamtanlage vorgesehen, zum Beispiel ein weiterer Hochtemperaturofen, in dem Carbonfasern bis zu Temperaturen über 2000°C graphitierbar sind oder unikale Beschichtungsanlagen zur Oberflächenaktivierung.
Die RCCF-Wissenschaftler ergründen die Wechselwirkungen zwischen Prozessparametern, Faserstruktur und weiteren mechanischen, thermischen und elektrischen Eigenschaften bei der Herstellung von Carbonfasern, um die Fähigkeiten des Hightech-Werkstoffes weiter zu steigern. Zusätzlich nehmen die Forscher die Entwicklung multifunktionaler Fasern mit neuartigen Eigenschaftsprofilen wie hohe Leitfähigkeit bei hoher Festigkeit oder ausgeprägter Verformbarkeit sowie die Nutzung erneuerbarer Ausgangsstoffe in den Fokus ihrer Arbeiten.
Ein weiterer Schwerpunkt der RCCF-Aktivitäten ist die tiefgreifende studentische Ausbildung im Bereich der Carbonfaser-Herstellung. Den Studierenden werden dabei fundierte Kenntnisse in Herstellung und Weiterverarbeitung von Carbonfasern vermittelt, damit sie in diesem Bereich der Zukunftstechnologien dem sächsischen und deutschen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Etwa 15 Studierende werden pro Jahr in Forschungsbereiche wie die Prozessführung, -modellierung und -überwachung sowie die Entwicklung, Fertigung und Charakterisierung neuer Carbonfasern und Verbundwerkstoffe einbezogen.