Farbe als Akteur und Speicher. Historisch kritische Analyse der Materialität und kulturellen Codierung von Farbe
Eine zunehmend bunter werdende Welt bietet das epistemologische Umfeld, in dem Farbe in ihrer Totalität als natürliches, technisches und kulturell-semantisches Phänomen erstmals als Forschungsgegenstand sui generis hervortritt. Die Gegenwart zeigt uns eine völlig neue Funktionsaufladung von Farbe, die als sensitiver Aktant in zahlreiche Lebensbereiche Einzug gehalten hat, auf individuelle Kommunikations- und Unterhaltungsbedürfnisse ebenso intelligent reagiert wie auf Gefahrensituationen, z.B. Witterungsbedingungen, und sich als künstlerisches, gestaltendes und persönlichkeitsinszenierendes, gar therapeutisches Medium präsentiert.
Das Forschungsprojekt „Farbe als Akteur und Speicher. Historisch kritische Analyse der Materialität und kulturellen Codierung von Farbe“ (FARBAKS) ist ein interdisziplinäres Vorhaben, an dem sich die TU Dresden, die HfBK Dresden, die FSU Jena und die FH Köln als Verbundpartner beteiligen. In Rückbindung an den Verlauf der Farbgeschichte der vergangenen 200 Jahre wird der fundamentale Wandel, dem Farbe, ein wahrhaft omnipräsentes Medium, seit Beginn der Industrialisierung durch neue technologische Produktions- und Anwendungsformen, durch theoretisch-wissenschaftliche Bewertung und durch neue Bedeutungszuweisungen unterworfen wurde, in den Blick genommen. Ein zentrales Anliegen des Vorhabens liegt darin, wissenschaftlich verwertbare und nachprüfbare Aussagen darüber zu gewinnen, wie sich das Verständnis von der Stofflichkeit der Farbe einer- und ihren vielfältigen Semantiken andererseits seit der Goethezeit gewandelt hat. Das in seiner interdisziplinären Zusammensetzung innovative Verbundprojekt aus natur- und geistes-, kunst- und gesellschaftswissenschaftlichen sowie technologiegeschichtlichen Disziplinen will sich in engem Austausch zwischen den unterschiedlichen Forschungsmethoden acht komplexen Fragestellungen zum Thema Farbe zuwenden, die sich annähernd chronologisch an der Farbgeschichte seit 1800 orientieren. Mit dem Ziel, Ergebnisse und Aussagen für den aktuellen Farbdiskurs zu gewinnen, werden die gewaltigen Entwicklungen und Umbrüche, die das Medium Farbe im Zuge der Industrialisierung bis zur gegenwärtigen Digitalisierung, Virtualisierung, und Entstofflichung erlebt hat, in den Blick genommen.
Die enge Verflechtung der naturwissenschaftlichen und technologischen Errungenschaften auf dem Feld der Farbforschung und -produktion mit der noch keineswegs ausgeloteten gesellschaftlichen und künstlerischen Anwendung intelligenter Farbstoffe bildet den Hintergrund für das neuartige interdisziplinäre Profil des in diesem Sinne sehr aktuellen Forschungsvorhabens:
Auch wenn die Teilprojekte des Verbundes im Einzelnen fachspezifischen Ansätzen und Methoden folgen, ist ihnen allen durch den material turn die Untersuchung der Sprache der Farbe in ihren materiellen und immateriellen Erscheinungsformen als Disziplinen übergreifende Fragestellung gemeinsam. Farbe wird damit im Kontext der Förderrichtlinie „Die Sprache der Objekte. Materielle Kultur im Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen“ erstmals als eigener Aktant im Sinne von Bruno Latours Akteur-Netzwerk-Theorie relevant. Naturwissenschaftliche, kunst- und technikgeschichtliche, sozialwissenschaftliche, künstlerische und konservatorische Expertisen treten hier erstmals zusammen. Ein europaweiter Kreis hochrangiger Sammlungen, Institute, Unternehmen, Wissenschaftler und Künstler unterstützen das Forschungsprojekt als Kooperationspartner und Multiplikatoren.
Neben den üblichen Formen der kontinuierlichen Ergebnisvermittlung (Kolloquien, Tagungen, Publikationen, Internetplattformen) wird das Verbundprojekt mit einer Abschlusspublikation und einer die Forschungsergebnisse in die Öffentlichkeit übersetzenden Ausstellung abgeschlossen.
Die Ergebnisse des Forschungsprojekts "Farbe als Akteur und Speicher. Historisch-kritische Analyse der Materialität und kulturellen Codierung von Farbe – FARBAKS" sind in einer umfassenden Publikation erschienen: GESPRÄCHSSTOFF
FARBE. Beiträge aus Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft, hrsg.
von Konrad Scheurmann und André Karliczek, Böhlau Verlag, Köln
Weimar und Wien 2017.