16.02.2023
Folge 02: Ich war's nicht - Fehler in der Medizin
Unsere Podcastreihe you ask we explain - Berührungsängste in der Medizin ist im Januar gestartet und erscheint monatlich. In der 2. Folge diskutierten wir über das Thema: Ich war's nicht - Fehler in der Medizin.
Wir wollten mit Ihnen diskutieren und Ihre Fragen beantworten. Sie hatten keine Zeit dabei zu sein? Kein Problem: Hören Sie sich unseren Podcast einfach von unterwegs an - bei Spotify, Apple Music, Deezer, Google oder hier.
Stephan Wiegand: Ein Podcast der Medizinischen Fakultät der TU Dresden in Kooperation mit der Sächsischen Zeitung, dem COSMO Wissenschaftsforum und den Städtischen Bibliotheken Dresden.
Konstantin Willkommen: (...) Ich begrüße Euch alle ganz herzlich heute hier zur zweiten Folge von unserem Podcast ‚YOU ASK we explain‘ von der TU Dresden. Der Podcast, in dem wir versuchen, Berührungsängste mit der Medizin und medizinwissenschaftlichen Themen abzubauen. Wie wir das machen? Indem wir eure Fragen, die uns im Vorfeld gesendet wurden, beantworten wollen. Und ich werde diese Fragen nicht alleine beantworten, sondern vornehmlich würde das meine Expertenrunde tun, und zwar als Gäste habe ich heute hier Frau Professor Dr. med Maria Eberlein-Gonska. Sie ist Leiterin des Zentralbereichs für Qualitätsmanagement und Risikomanagement am Universitätsklinikum Dresden. Außerdem Frau Anne Röhle. Sie ist Ärztin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am medizinisch-interprofessionellen Trainingszentrum der Medizinischen Fakultät Dresden. Und Frau Dr. Ruth Hecker. Sie ist Vorsitzende im Aktionsbündnis Patientensicherheit. Noch mal zu Beginn eine kleine Einführung. Unser Podcast wird vor einem Livepublikum aufgezeichnet. Das darf jetzt gerne mal für alle, die in der Zukunft zuhören, winken. Vielen Dank. Die Begeisterung ist riesig. Das Ganze wird jetzt folgendermaßen ablaufen. Wir werden in Blöcken von etwa zehn Minuten die Fragen beantworten und alles, was wir wissen, dazu preisgeben. Und dann wird unsere hervorragende Band, der Patrick und der Adam, das Ganze ein bisschen musikalisch abrunden, einrahmen, damit wir alle eine kurze Pause zum Durchatmen haben. Und dann geht es direkt wieder weiter. Was ist das Thema für heute Nachmittag? Das Thema ist ‚Ich war's nicht - Fehler in der Medizin.‘ Ein Freund hat letztens zu mir gesagt, wenn er so darüber nachdenkt, wie viele Fehler er am Tag macht, so im Alltag, dann hat er seine Quote auf etwa 50 geschätzt. Im nicht medizinischen Kontext fand ich ganz schön beeindruckend. Ich habe da mal drüber nachgedacht oder mich selber beobachtet, was in der letzten Woche bei mir so passiert ist. Wenn ich jetzt hier mal meine Liste rauskrame an Dingen, die mir falsch gelaufen sind, kann ich sagen ich habe bei der Rasur meinen Bart verschnitten. Ich habe zu lange auf dem Handy gescrollt und bin zu spät ins Bett gegangen. Ich habe mir beim Shoppen einen Newsletter aufquatschen lassen, habe auf der Geige viel zu viele falsche Töne gespielt und beim Ausparken mit dem Auto habe ich die Wand geküsst und da denkt man sich so, das waren jetzt nur die letzten vier Tage. Das ist eine ganz schön katastrophale Woche gewesen? Oder ist es vielleicht auch einfach nur der Alltag von uns allen? Deswegen mal die Frage an meine Expertin Was war denn ihr Fehler am gestrigen Tag?
Anne Röhle: Schweigen über den gestrigen Tag weiß ich gerade gar nicht. Aber ich kann erzählen von Montag, als wir zusammensaßen und überlegt haben, wie wir den heutigen Tag gestalten. Wir waren eigentlich schon fertig und dann fragt mich Frau Eberlein-Gonska, wie machen wir das eigentlich? Nach der Lehrveranstaltung? Gehen wir dann alle gemeinsam rüber und dann fangen wir 15:00 mit dem Podcast an und die Veranstalter, der Herr Wiegand, guckt ganz irritiert und sagt ‚Wie jetzt? 15:00? 17:00!‘ Und ich habe gesagt ‚Nee, 15:00 steht in meinem Stundenplan. Hab ich doch gesagt.‘ Und Herr Wiegand sagt ‚Nee, war schon immer 17:00.‘ Ja, und ich habe mich irgendwie vertan. Aber offenbar haben wir es trotzdem zu 15:00 hier geschafft. Vielen Dank, Stephan.
Dr. Ruth Hecker: So kann man sich durchsetzen.
Konstantin Willkommen: Ist vielleicht auch ein Punkt, auf den wir später noch zu sprechen kommen. Das ist wahrscheinlich auch immer Menschen braucht, die an die Fehler erinnern oder darauf hinweisen. Die, die uns nahestehen, haben vielleicht noch eher den Mut, uns anzusprechen.
Anne Röhle: Vielleicht hat es nicht nur was mit Mut zu tun, sondern auch mit einer Haltung. Also nicht nur mit einer Haltung ‚Wie möchte ich mit Fehlern umgehen‘, sondern auch ‚Wie möchte ich mit meinen Mitmenschen umgehen?‘ Also jemand, der mir sagt Übrigens, das Kirschkernkissen brennt gleich. Meine Tochter kam, meinte Mama, das Gemüse riecht aber komisch. Ja, der Topf war schwarz. Die sagt mir das ja nicht, um mich zu kritisieren und mich vorrangig auf einen Fehler hinzuweisen. Sondern die sagt mir das, weil sie mich gern hat und weil sie möchte, dass wir in einer sicheren Umgebung sind. Und die hat jetzt nicht besonders viel Mut gebraucht, um mir zu sagen ‚Hier, dein Gemüse brennt an!‘ Sondern aus einer Haltung heraus Ich hab dich lieb, ich möchte, dass dir nichts passiert und dass mir nichts passiert. Deswegen spreche ich es an!
Konstantin Willkommen: Der Hinweis also auch ein Akt der Wertschätzung des Anderen?
Dr. Ruth Hecker: Ja, ganz genau. In der Medizin sprechen wir ja auch von Speak up, also dass der Kollege sieht, dass ich vielleicht gerade im Begriff bin, etwas Falsches zu machen, und dass er dann die Möglichkeit hat, mir zu sagen, in einer ich Botschaft ‚Ich sehe, ich habe gemerkt, das und das läuft gerade nicht gut oder das läuft gerade falsch oder du nimmst gerade das falsche Medikament.‘ Das ist sehr, sehr wichtig und wir können das im Privaten sehr gut üben mit denen, die uns vertraut sind, um das dann im Berufsleben auch besser akzeptieren zu können. Das hat was mit Wie gebe ich Kritik - es ist ja letztendlich auch Kritik - Und wie nehme ich Kritik an, um in dem Bewusstsein, mein Kollege möchte mir nicht einen Fehler vorwerfen, sondern tatsächlich aufmerksam machen, damit vielleicht kein Fehler bis zu einem Patientenschaden durchdringt. Oder mich selber vor Fehlern bewahren, ohne mit dem Finger auf mich zu zeigen. Und das muss man auch lernen.
Konstantin Willkommen: Sie haben dann jetzt schon hier die Kurve geschlagen auf das eigentliche Thema. Wir wollen auch nicht nur über unsere Alltagsfehler sprechen, sondern vor allem über das Thema von Fehlern in der Medizin. Wir haben es gemerkt. Irren ist menschlich. Wir haben unsere Fehler zugegeben oder ein paar davon. Aber den Göttern und Göttinnen in Weiß können den auch Fehler passieren.
Professor Eberlein-Gonska: Na ja, wir säßen ja nicht hier, wenn wir nicht glauben würden, dass es so ist. Wenn uns im Privaten Fehler passieren, warum sollten wir die im Beruflichen ausschalten können? Natürlich passieren jedem Menschen Fehler. Nur hat es natürlich was mit Statussymbol, auch mit Renommee. Ein Arzt, eine Ärztin, die ja ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Patienten entwickeln und der Patient umgekehrt zum Arzt, der ja glaubt, dieser Mensch wird mich heilen oder meine Krankheit lindern und da soll ich zugeben, dass ich einen Fehler mache? Kann das nicht dann das Vertrauen beeinflussen, negativ beeinflussen? Muss ich nicht jemand sein, der so allmächtig und fehlerfrei ist, damit er das volle Vertrauen des Patienten gewinnt? Ich glaube, das ist ein großer Trugschluss. Patienten wissen sehr wohl, dass wir auch Fehler machen.
Konstantin Willkommen: (...) Wir sind jetzt schon eingestiegen bei den Fehlern in der Medizin. Frau Professor Eberlein-Gonska hat gerade schon darüber gesprochen, dass auch die Beziehungen zwischen Behandelnden und Patient*innen das beeinflusst, das Umgehen mit Fehlern. Aber welche rechtlichen Rahmenbedingungen stehen denn in dieser Situation auch im Raum als Unterschied zu Alltagsfehlern? Frau Hecker, können Sie darauf antworten?
Frau Hecker: Ich bin ja jetzt keine Juristin, das tut mir leid. Aber es gibt ja ein Patientenrechtegesetz. Und in diesem Patientenrechtegesetz sind verschiedene Rechte der Patientinnen und Patienten genauestens beschrieben. Unter anderem auch, dass, wenn mir ein Fehler passiert, der zu einem Schaden beim Patienten führt, und sei es noch, ich sage mal, der Blutzugang in der Vene lag nicht mehr richtig und ich habe was gespritzt und das ist daneben gelaufen ins Gewebe. Das ist ja quasi ein kleiner Schaden. Aber auch dieser Schaden muss dem Patienten erklärt werden. Und ich habe die Pflicht als Arzt, als Ärztin, ich möchte aber jetzt nicht nur von Ärzten sprechen, sondern insgesamt als medizinisches Personal habe ich die Pflicht, den Patienten darüber aufzuklären, dass etwas schiefgelaufen ist. Und vor allen Dingen habe ich die Pflicht, darüber aufzuklären, was wir jetzt tun können, um diesen Schaden wieder zu beheben und das gemeinsam mit den Patienten zu besprechen. Was ich nicht machen sollte, ist, dass ich sage ‚Oh, es ist jetzt tatsächlich mein Blutzugang, etwas danebengelaufen ins Gewebe, dafür bekommen sie jetzt 5.000 €, weil das schiefgelaufen ist.‘ Das geht nicht. Aber Sie haben natürlich die Pflicht, als Arzt oder als Pflegekraft den Patienten auch darüber aufzuklären, dass etwas nicht gut gelaufen ist, dass ein Fehler passiert ist und dann mit dem Patienten zusammen oder den Angehörigen die Idee zu entwickeln Was können wir tun, um den Patienten vor weiteren Schaden zu bewahren?
Professor Eberlein-Gonska: Da haben wir ja im Studentenkurs Frau Röhle eine interessante Diskussion gehabt. Ich habe einen Fall vorgestellt von einer sehr erfahrenen Anästhesistin, die einem Kind bei der Narkose die Erwachsenendosis gespritzt hat und nicht die Kinderdosis. Und was hat das Kind getan? Es hat halt länger gepennt. Und dann habe ich die Frage gestellt ‚Wenn jetzt die Eltern kommen und eigentlich erwarten, ihr Kind ist wach, was sagen Sie denen? Sagen Sie denen Na, ihr Kind hat die Narkose schlecht vertragen, das schläft halt noch. Oder sagen Sie Ja, hier hat eine Verwechslung stattgefunden der Dosis. Wir haben aber Ihr Kind in der Überwachung. Es geht ihm sehr gut. Es wird einfach etwas länger schlafen.‘ Und das hat ja zu so einer interessanten Diskussion Geführt. Wie sind wir bereit, unsere Fehler an dieser Stelle auch zuzugeben? Und zur Historie ist zu sagen. Also rechtlich gesehen. Hippokrates hat schon 400 vor Christus gesagt primum nil nocere, also primär nicht schaden. Das ist ein Gebot, das im hippokratischen Eid ja auch fixiert ist. Das ist letztlich die ärztliche Aufgabe. Primum nil nocere - nicht schaden. Aber ich will jetzt auch, wie Frau Hecker, nicht immer über die Ärzte reden, sondern über alle Berufsgruppen. Also ein Physiotherapeut, der mir den Arm auskugelt, weil er es zu gut mit der Übung meint, also an der Stelle passieren da genauso die Fehler. Oder ein innerbetrieblicher Patienttransport, der den falschen Patienten irgendwohin bringt, passieren genauso Fehler. Also wir sollten nicht immer nur über die Ärztinnen und Ärzte sprechen.
Konstantin Willkommen: Da möchte ich an der Stelle auch was aufgreifen. Das hatte Frau Hecker gesagt mit dem Zugang in der Vene. Passt jetzt vielleicht auch bei dem Fall, den Sie geschildert haben, mit der verlängerten Narkose vor jeglichen Behandlungen, auch im nichtärztlichen Setting, nicht nur mit Ärzten, sondern auch mit anderen im Gesundheitssystem wird ja aufgeklärt vor einer Behandlung. Dem Patienten der Patientin wird erklärt, es soll jetzt dies und das gemacht werden. Das geht mit den und den Risiken und Problemen einher. Wo ist denn da auch ein bisschen der Unterschied? Oder die Gratwanderung zu sagen, es ist jetzt ein Fehler passiert oder es war einfach eine Komplikation der Maßnahme.
Frau Hecker: Das ist eine sehr wichtige Frage. Und da komme ich jetzt wieder auf die Professionalität der Mitarbeitenden im Gesundheitswesen zu sprechen. Die wissen in ihrer eigenen Aktion ganz genau. War das ein Fehler oder ist das eine Komplikation? Das ist glaube von außen nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich. Natürlich habe ich zu prüfen, ob ein Zugang richtig liegt oder nicht richtig liegt, bevor ich etwas hineinspritze. Da kann man schon sagen, wenn ich das nicht geprüft habe und ich spritze was rein und es geht ins Gewebe, da ist ein Fehler passiert, aber dass der Zugang grundsätzlich verrutscht ist, vielleicht entzündet ist, dieser Zustand an sich, der kann natürlich passieren. Das ist eine Komplikation. Ob ich den dann noch benutze, das ist dann der Fehler. Also das ist von außen gar nicht so leicht zu betrachten. Dazu gibt es ja dann dementsprechende Feststellungen oder Gutachten, die sowas in aller Ausführlichkeit bewerten. Also von außen im ersten Blick ist es nicht immer erkennbar. Ist das eine Komplikation oder ist das ein Fehler, der zu einem Schaden geführt hat? Zumindest nicht vom Laien. Aber der zuständige Arzt, die zuständige Pflegekraft, der zuständige Physiotherapeut, der dabei war, der wird das sicherlich ganz genau wissen.
Professor Eberlein-Gonska: Und Die Aufklärung ist natürlich wichtig, um die sorgfältige Aufklärung über alle möglichen Komplikationen zu informieren. Nehmen wir an, darf ich wieder ein Beispiel bringen? Sehr gerne. Ja, also wir hatten mal einen Patienten, der sollte seinen Knochendeckel am Kopf wieder eingesetzt bekommen. Und das Problem beim Transport von diesen knöchernen Materialien ist, dass sie auftauen und damit kann man sie nicht mehr benutzen. Der Knochendeckel wurde von der Pflegekraft entgegen genommen. Sie hat gesehen, der ist aufgetaut und hat ihn weggeworfen, hat aber niemanden informiert und hat es auch nicht dokumentiert. Und dann wurde der Patient in die Narkose versetzt und er hört noch das letzte Wort, wo er in die Narkose gekleidet war ‚Der Knochendeckel ist weg.‘ Er wacht auf, greift an seinen Kopf und da ist ein großer Verband. Also irgendwas haben sie gemacht und sie haben, natürlich der Knochendeckel war weg, sie haben ihm den nicht eingesetzt. Sie haben etwas Alternatives gemacht. Und hier ist der Fehler. Er wurde nicht auf den Einsatz oder die Nutzung einer alternativen Möglichkeit hingewiesen. Man hat ihn vor einer zweiten Narkose natürlich bewahren wollen, aber das ist definitiv ein Fehler, weil der in der Aufklärung nicht berücksichtigt war. Das ist schon kompliziert.
Konstantin Willkommen: Ja, vor allem, wenn man das dann weiterdenkt. Die Aufklärung ist ja aber eigentlich auch dazu gedacht, dass der Patient, die Patientin eine bessere Wissensgrundlage hat, um gemeinsam mit den behandelnden Personen über die Behandlung zu entscheiden. In dem von Ihnen geschilderten Szenario nimmt dann aber die Aufklärung in gewisser Weise auch ein bisschen eher den Status einer Absicherung für das behandelnde Personal ein.
Professor Eberlein-Gonska: Es ist immer natürlich auch eine Absicherung, ja, aber jeder Jurist, jeder Medizinrechtler wird als ein ganz wesentliches Moment empfehlen, sich wirklich Zeit für eine sorgfältige Aufklärung zu nehmen und jegliche mögliche Fragen des Patienten zu beantworten. Die Aufklärung ist das A und O.
Dr. Ruth Hecker: Wenn ich das mal ergänzen darf. Der Fehler war ja, es war ja vor der Narkose schon klar, dass der eigene Knochendeckel aufgetaut war und man hätte ihn quasi noch mal aufklären müssen: ‚Der ist weg und wir haben aber jetzt eine super Alternative für Sie, oder Wir haben eine Alternative für sie.‘ Und darüber hätte er noch mal vor der Narkose aufgeklärt werden müssen und nicht in die Narkoseeinleitung. Und er kann selber nicht entscheiden, ob das der richtige Weg für ihn ist. Und da sind wir wieder bei Ihnen, was Sie gesagt haben.
Konstantin Willkommen: (...) Wir haben jetzt zuletzt ein bisschen über die Aufklärung gesprochen und welche Rolle sie in diesem Spannungsfeld hat und haben auch ein paar Fallbeispiele genannt bekommen, also der Fehler lag in irgendeiner Handlung oder einer Tätigkeit am Patienten. Frau Röhle, gibt es auch Fehler in der Medizin, die in der Kommunikation mit den Mitmenschen ihren Ursprung haben oder die einfach selbst der Fehler sind?
Anne Röhle: Ja, ich würde sagen jede Menge. Also das Beispiel, was Frau Eberlein Gonska gerade gebracht hat, hat ja ihren Ursprung vielleicht tatsächlich auch in der fehlenden Kommunikation. Ja, ich habe einfach nicht Bescheid gesagt. Ich habe es nicht dokumentiert, ich habe es nicht aufgeschrieben. Was hat dazu geführt, dass die Pflegekraft oder die Person, die den Knochendeckel entgegengenommen hat und weggeworfen hat, nicht in der Lage war zu sagen ‚Ich musste den entsorgen.‘ Das war ja auch noch nicht mal ihr Fehler. Der war halt aufgetaut. Das passiert. Das tut mir wahnsinnig leid für diesen Patienten. Hatte die keine Zeit, das aufzuschreiben und zu dokumentieren? Kam was dazwischen? Ja, mal wieder der zehnte Anruf. Mal wieder Personalmangel. Hat sie es vergessen, weil sie einfach selber Stress hatte? Weil vielleicht gerade zu Hause irgendwas los war, was sie abgelenkt hat?
Professor Eberlein-Gonska: Ja, am nächsten Tag Urlaub. Hatte noch ganz viel zu tun.
Dr. Ruth Hecker: Also bis zu 80 %. Der Fehler im Gesundheitswesen hat die Ursache in der Kommunikation. Wir sprechen auch immer von geschlossener Kommunikation, wenn es um Anweisungen gibt ‚Wie viele Zentimeter soll ich die Rettung Drainage zurückziehen oder die Wund Drainage?‘ Sagen wir jetzt mal einfach. Höre ich das auch richtig? Was mir angewiesen wurde, ist, dass richtig dokumentiert? Vieles passiert ja. Elektronische Patientenakte hin oder her. Doch mündlich auch Arzneimittelanordnungen passieren mündlich. Und dann weisen wir immer darauf hin, dass man dann zum Beispiel die Drei Wege Kommunikation wählen kann. Wenn Sie zum Beispiel eine Pizza bestellen, nicht elektronisch, sondern per Telefon, dann wiederholt der Pizzabäcker jedes Mal tatsächlich Sie haben jetzt eine Pizza XY mit Tomaten, Oliven, Keine Ahnung, Schafskäse bestellt. Und ich sage Ja, genau das habe ich gemeint. Und so müsste man das in der Medizin auch viel häufiger machen. Nicht denken. Der andere glaubt zu wissen, was ich meine, sondern sich das bestätigen lassen. Sie wollen die Wundrainage kürzen? Okay, wie viele Zentimeter? Drei Zentimeter bei Frau XY? Okay, dann kürze ich die Wunddrainage drei Zentimeter bei Frau XY. Ja, genau das habe ich gesagt. Kürzen Sie bitte die Wunddrainage um drei-vier Zentimeter. Also, das ist ganz wichtig, sich die Zeit dafür zu nehmen, einfach auch an eine geschlossene Kommunikation zu fordern in den Teams, damit man genau weiß, dass man bei der gleichen Patientin über das Gleiche redet.
Professor Eberlein-Gonska: Das ist ja bei den Arzneimitteln genau der Punkt. Genau, weil dann die Konzentrationen sind so unterschiedlich in den Medikamenten, dann meint der einordnende Arzt unter Umständen eine ganz andere Konzentration, als dann gegeben wird oder verstanden wird. Und das kann zu fatalen Fehlern führen.
Anne Röhle: Und wir trainieren sogar. Also wir trainieren ja mit unserem Studierenden Trainingszentrum haben wir zum Beispiel die Unterrichtseinheit ‚Herz Kreislauf Wiederbelebung‘. Und da ist ja ein ganz wesentlicher Aspekt, dass wenn ich anordne ein Milligramm Adrenalin, dass derjenige, der es spritzt, sagt ‚ein Milligramm Adrenalin habe ich gegeben‘, dann weiß ich, wenn ich die Reanimation leite ‚Ah, okay, es ist gegeben worden‘ und wenn ich ganz viel Glück habe, dann habe ich noch eine Person im Raum, die das sogar auf einem Protokoll dokumentiert mit Uhrzeit, Wann ist es gegeben worden? Ja, das ist das eine, dass man es also sprachlich Feedback gibt, aber zum Beispiel, dass man es auch zeigt, also dass man, wenn ich jetzt sage, zieh mir mal ein Fentanyl auf, das eben nicht nur die Spritze angereicht wird, wo jemand sagt, es ist ein Fentanyl drin, sondern dass die Ampulle auch noch in der Spritzenverpackung mit dabei ist. Oder das kleine Klebchen auf der Spritze ist, dass ich auch noch mal kontrollieren kann. Im vier Augen Prinzip ist es wirklich das Medikament, was ich haben wollte, weil ich es dann gerade spritze.
Professor Eberlein-Gonska: Und das ist der Unterschied zum Privaten. Wenn ich einen Kuchen back und sage gib mir mal das Mehl. Ja, das ist ein Unterschied. Als wenn ich eben Medikamente verabreiche. Das ist der Unterschied zwischen privaten Setting. Da kann dann vielleicht Kartoffelmehl kommen und der Kuchen fällt zusammen. Aber das ist der große Unterschied, dass wir eben im professionellen Bereich potenziell dem Patienten schaden können oder eben auch uns selbst, durch die Folgen. Und dass wir deshalb entsprechende Sicherheitssysteme brauchen. Und die müssen wir etablieren, trainieren und immer wieder kommunizieren.
Anne Röhle: Und das ist auch nochmal ein ganz wichtiger Unterschied. Nicht jeder Fehler, der in der Medizin passiert, führt zu einem Schaden oder wird überhaupt für irgendjemanden sichtbar. Also wenn wir bei dem Beispiel 0,1 Fentanyl bleiben, wenn ich das angereicht bekomme und sehe oh, es sind 0,3. Dann kann ich an der Stelle immer noch korrigieren und sagen Oh, haste 0,3 aufgezogen, ich spritze nur 0,1. Bitte verwirf den Rest oder geh noch mal und ziehe es noch mal neu auf.
Dr. Ruth Hecker: Wichtig ist aber, dass wir das Bewusstsein haben, dass wir Fehler machen. Und wenn so was mit dem Fentanyl zum Beispiel passiert, dass wir auch hinterher darüber sprechen, warum ist das passiert? Damit wir daraus Schlüsse ziehen, Maßnahmen ziehen, aus den Fehlern lernen, um das für das nächste folgende Team oder für andere Mitarbeitende als Best Practice anbieten können. Wir haben daraus gelernt. Wir können das verhindern, indem wir das und das machen, zum Beispiel drei Wege Kommunikation. Und das ist das Wichtige, dass wir uns bewusst sind, wir machen Fehler, wir müssen darüber reden, andere können daraus lernen. Das ist eine, wie Frau Röhle schon sagte, eine Haltungsfrage, dass wir das auch wollen.
Professor Eberlein-Gonska: Deshalb haben wir ja auch in unserem Wahlfach und jetzt auch im Klinikum wollen wir das machen, unseren Raum des Horrors. Frau Röhle, wollen Sie das mal schildern? Der Raum des Horrors.
Anne Röhle: Der Room of Horror oder Raum des Horrors, das ist eigentlich eine schöne Geschichte, weil als das Wahlfach etabliert wurde, also Wahlfach ‚Fehler in der Medizin‘ für ursprünglich nur die Studierenden an der medizinischen Fakultät, da war ich selber noch nicht da, Aber ich weiß, dass es da vor zehn Jahren große Bedenken gab, dass so was etabliert wird.
Professor Eberlein-Gonska: Der Dekan war außer sich über den Raum des Horrors.
Anne Röhle: Und letztendlich ist es ein Patientenzimmer, ursprünglich konzipiert von der Stiftung Patientensicherheit Schweiz. Die haben da wirklich ein Manual aufgestellt, wie man diesen Raum ausgestaltet. Und letztendlich ist es nichts anderes als ein Patientenzimmer, gespickt mit alltäglichen Fehlern, die so passieren können. Ich verrate mal nicht so viel, weil unsere Studis müssen morgen in den Room of Horror, die müssen gucken, welche Fehler sie so finden.
Professor Eberlein-Gonska: Ne die dürfen wir nicht sagen.
Anne Röhle: Das Spannende ist, wir haben sogar den Professor Albrecht, also den Vorstand vom Uniklinikum letztes Jahr oder vor zwei Jahren war es glaube ich, schon durch den Room of Horror durch geschickt. Auch er hat nicht alle gefunden. Also die meisten Menschen finden tatsächlich nur so maximal 50 bis 70 % der Fehler. Aber wenn ich drei vier Gruppen durchgeschleust habe, haben alle Gruppen fast alle Fehler gefunden. Und das ist eigentlich immer das, wo ich sage ‚Viele Augen sehen eben fast alles‘. Und wenn jeder von uns achtsam durch diesen Raum geht, durch dieses Patientenzimmer geht, dann fallen mir die ersten drei Fehler auf dem nächsten die nächsten drei. Und dann haben wir am Ende des Tages für einen Patienten eine super Umgebung geschaffen. Ja, und diesen Room of Horror, den haben wir tatsächlich mit Herrn Albrecht jetzt…
Professor Eberlein-Gonska: …Der war so begeistert, dass er sagte ‚Das docken wir an unser Notfalltraining Simulationstraining im Klinikum an und bieten das auch Kliniken an für ihre Teams, die dann kommen und die eben für dieses für diese Fehler sensibilisiert werden.‘ Wenn man das einfach trainiert und dann in einen Raum kommt, sieht man viel eher die Fehler, als wenn man es nicht trainiert. Wie das immer so ist im Leben.
Konstantin Willkommen: Also standardisierte Trainings, standardisierte Arbeitsabläufe auch im Krankenhaus, um Fehler vor der Entstehung oder eben auch Beinahe Fehler bei der Entstehung aufzudecken oder zu vermeiden. Das ist ja auch noch eine relativ junge Entwicklung, vielleicht in der Medizin. Also jung jetzt die letzten zehn Jahre noch älter.
Dr. Ruth Hecker: Ich würde sagen, seit 20 Jahren versuchen wir to earth human - Irren ist menschlich auch in Deutschland zu etablieren. Und es kommt immer mehr ins Bewusstsein der Mitarbeitenden, dass es normal ist, Fehler zu machen. Dass dieser Gott in Weiß einfach eine Fiktion ist. Dass wir auch Klinikdirektoren und Chefärzte ansprechen können, wenn sie gerade dabei sind, einen Fehler zu machen. Dass wir junge Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen motivieren, wenn sie jemanden sehen, der auch in einer höheren Hierarchiestufe ist, ihn darauf anzusprechen. Ich Botschaften senden, damit wir gemeinsam auch als Team funktionieren. Denn wie Frau Röhle schon sagte Vielleicht fällt jemandem, der immer im gleichen Prozess ist, der Fehler gar nicht mehr auf. Ich bin aber neu. Ich sehe das und ich möchte gerne darauf hinweisen.
Professor Eberlein-Gonska: Das sind ja auch diese anonymen Fehlermeldesysteme.
Konstantin Willkommen: (...) Nur um das der Vollständigkeit halber noch mal kurz anzureißen. Also standardisierte Arbeitsabläufe, aber auch Fehlermeldesysteme in verschiedenen Formen und Arten gibt es oder werden auch noch weiter verbessert und ausgebaut. Verschiedene Impulse dafür kommen ja auch aus der Luftfahrt, weil dort eben ein kleiner Fehler noch mal für deutlich mehr Menschen als vielleicht im Krankenhaus Auswirkungen haben können. Professor Eberlein Gonzke, Sie haben es gerade angesprochen anonyme Fehlermeldesysteme. Also gehen wir einfach mal einen Schritt weiter. Wir wissen, es gibt Fehler. Vielleicht ist es auch jetzt einer passiert. Wie wird damit umgegangen? Es gibt dazu noch eine bisher Unveröffentlichte Umfrage des Marburger Bundes. Das ist der Berufsverband und auch eine Fachgewerkschaft für Ärzt*innen in Deutschland. Und die haben in Sachsen unter ihren Mitgliedern eine Umfrage zum Thema Fehlermanagement gemacht und haben eben gerade da so ein bisschen dieses Paradox aufgestellt, dass sich 90 % der Befragten eine anonyme Anlaufstelle wünschen, um eben Fehler melden zu können und gleichzeitig, dass sich aber nur 23 % der Befragten gut informiert fühlen über solche Fehlersysteme.
Professor Eberlein-Gonska: Also gesetzlich ist es ja in den Krankenhäusern seit 2014 vorgeschrieben. Jedes deutsche Krankenhaus muss ein anonymes Fehlermeldesystem haben. Die Frau Hecker ist aber schon ganz begierig, hier aus ihrer Fachexpertise zu berichten. Ich würde gerne danach noch einen kleinen Fall erzählen wollen.
Dr. Ruth Hecker: Gerne zunächst machen Sie, ja.
Professor Eberlein-Gonska: Können Sie Ihre Ungeduld bremsen? Gut. Also, ein junger Anästhesist sollte einen Patienten, der beatmet ist, zu einer Diagnostik nachts begleiten. Dazu brauchte er ein transportables Beatmungsgerät. Und nun stellen Sie sich vor, dieser junge Anästhesist hatte den Mut zu sagen Das mache ich nicht. Warum? Er war in dieses Beatmungsgerät nicht eingewiesen und hat gesagt, ich beherrsche das Gerät nicht, also mache ich auch nicht diesen Transport. Als dann ein Anästhesist kam, der das Gerät kannte, hatte er festgestellt - Das Gerät ist defekt. Und das war eine anonyme Meldung. Warum wird die Frau Hecker gleich erzählen, warum anonym? Auf jeden Fall treffen hier oder eröffnen sich hier ja ganz viele Fragen mit dieser anonymen Meldung Einweisung von Mitarbeitern in medizinische Geräte, die Einarbeitung junger Ärzte. Ab wann können Sie Ihren ersten Nachtdienst machen? Und so weiter und so fort. Und das ist letztlich der Vorteil dieser anonymen Fehlermeldesysteme. Gesetzt den Fall, Sie melden nicht nur, sondern Sie machen dann auch was. Und es machen heißt sicherzustellen, dass die Leute gut eingearbeitet werden, und zwar nicht nur die Ärzte. Und dass eben zum Beispiel die Einweisung in medizinische Geräte regelmäßig und nachvollziehbar durchgeführt wird. Also Sie müssen immer koppeln zwischen Bericht und dann auch was tun? Berichten allein bringt gar nichts.
Dr. Ruth Hecker: Genau. Also es gibt gesetzliche Vorgaben für vieles, für viele Sicherungssysteme, die die Abläufe und Prozesse in medizinischen Behandlung sicherer machen. Aber die werden nicht alle so gelebt. Da gibt es jetzt auch eine große Studie, die das APS Aktionsbündnis Patientensicherheit zusammen mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft gemacht hat. Wie werden diese Risikomanagementsysteme in den Krankenhäusern gelebt? Da ist halt rausgekommen, dass es sehr häufig Führungssache ist. Wie fordert die Führung das ein? Wie viel Personal gibt es auch im Risikomanagement? Denn wenn Meldungen reinkommen, müssen sie ja auch bearbeitet werden und wiederum zu Maßnahmen führen. Aber wenn sie keinen haben, der die bearbeitet und die nicht zu Maßnahmen führen. Das Krankenhaus kann sagen, wir haben so ein System, aber es hat keine Wirkung. Und ich finde das sehr erstaunlich, dass Sie diese Studie genannt haben, weil das zeigt ja, dass selbst nach fast zehn Jahren etablierten anonymen Fehlersystemen in Deutschland noch nicht mal alle Mitarbeiter diese kennen. Also das finde ich wirklich unfassbar und unglaublich. Und jetzt stelle ich mir mal vor, es gibt ein neues Gesetz zum Thema Verkehr. Sie müssen bei Rot anhalten, aber ab dem 01.04.2023, falls Sie es noch nicht wussten, müssen Sie auch bei Gelb anhalten. Und dann überlegen Sie sich mal, wie lange eine Übergangszeit ist, wo die, die bei Gelb nicht anhalten, sondern rüberfahren, keine Strafe bekommen. Im Medizinerleben ist es so, dass es eine gewisse Vorgabe gibt. Seit über zehn Jahren. Aber ob die gelebt wird oder nicht gelebt wird und ob ein Krankenhaus sie nutzt oder nicht nutzt, das hat keinerlei Konsequenzen. Das würden wir uns in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens in Deutschland nicht erlauben.
Anne Röhle: Ich würde gerne noch, ich muss unbedingt unterbrechen, weil ich finde die anonymen Fehlermeldesysteme finde ich super. Ich habe 2011 in der Klinik, wo ich damals gearbeitet habe, tatsächlich einen Vortrag dazu gehalten. Danach Der Chef hat kopfschüttelnd dagesessen. Der leitende Oberarzt kam nachher zu mir, meinte Frau Röhle ist hier noch nicht so weit. Mach mal 2 bis 3 Jahre. Es kam dann auch in zwei, drei Jahren. Ich wünsche mir nicht unbedingt mehr anonyme Fehlermeldesysteme. Ich wünsche mir eine offene Kultur, wo ich einen Fehler direkt ansprechen kann. Was? Das ist das, was Frau Eberlein Gonska sagt. Was bringt mir denn das Meldesystem, wenn das ewig dauert, bis es dann umgesetzt ist, dass vielleicht das Hautdesinfektionsmittel nicht mehr neben dem Schleimhautdesinfektionsmittel steht, wenn ich so was anonym melden muss? Wieso kann ich das nicht vis a vis melden und sagen Mensch, Chef, das ist total ungünstig. Können wir die bitte 2 Meter getrennt hinstellen oder auf das eine ein rotes Pflaster kleben? Bin ich viel schneller.
Konstantin Willkommen: Das ist auch so ein Punkt, der mir jetzt hier im Gespräch auch immer wieder auffällt, dass wir sehr häufig davon sprechen. Es bedarf Mut, so was zu melden. Man muss schauen. Und das ist auch das, was in dieser Umfrage vom Marburger Bund auch noch mal aufgezeigt wurde, dass 49 % der Befragten sagen, es gibt keine offene Fehlerkultur bei ihnen in der Krankenhauseinrichtung. Und das ist irgendwie so die Frage Woran liegt das? Warum können wir nicht sagen Hier, da ist was schiefgelaufen, wir wollen das doch besser machen.
Dr. Ruth Hecker: Ja. Ich würde, wenn Herr Dr. Reinhardt der Bundesärztekammer einmal laut sagen würde ‚Ich bin Arzt, ich mache Fehler und manchmal passieren Patientenschäden.‘ Also, wenn er meint, sich drehen würde. Ich glaube, dann würden wir sehr viel erreichen. Wir reden aber hier nicht nur von Ärzten, sondern von allen Berufsgruppen. Nichtsdestotrotz ist diese führende Berufsgruppe, nach der sich immer alles richtet, trotzdem die Ärztinnen und Ärzte. Und solange dort in den Institutionen, in den Führungskräften kein Umdenken stattfindet es gibt ja mittlerweile tatsächlich Klinikdirektoren und Führungskräfte. Deshalb sagen ja auch nur noch 48 % Bei uns gibt es keine Sicherheitskultur. Also wir haben da schon etwas erreicht, ob wir viel erreicht haben, da können wir uns jetzt darüber streiten. Aber wir wünschen uns natürlich, dass 100 % sagen, wir können Fehler offen zugeben, und wir brauchen das anonyme Meldesystem vielleicht nicht mehr so häufig. Wobei wir brauchen schon, weil wir können nur so durch die Menge der Meldung systematische Fehler kennenlernen. Es bleibt also kein Einzelfehler irgendwo in der Abteilung, sondern wir wissen, der ganze Fehler zieht sich überall durch und wir müssen insgesamt am Prozess was ändern. Deshalb sind die schon auch wichtig. Ob die dann anonym sein müssen, ist eine andere Frage. Also das Thema Sicherheitskultur. Wir haben alle Methoden und Instrumente in Deutschland etabliert M&M Konferenzen, ob Checklisten, Speakup, Kommunikationstrainings, Room of Horror. Wir haben alles Mögliche gemacht, aber die Führungskräfte müssen das auch einfordern. Und es müssen auch Ressourcen dafür da sein, diese Trainings durchzuführen, Ressourcen dafür da sein, Schadensfallbearbeitung zu machen, Fehler begünstigende Faktoren aufzudecken und die abzustellen. Das muss man als Führungskraft wollen. Und wenn man das nicht will und nicht fordert, auch von seinen Mitarbeitern und fördert. Zum Beispiel kann ich ja als Chefarzt in einer Visite sagen ‚Ich möchte gerne, dass Ihr Speakup macht.‘ Also das auch Fordern von den Mitarbeitenden. Ich kann das auch vor einer OP sagen und sagen ‚wir sind hier im OP Saal. Ich bin jetzt der leitende Chirurg heute bei der OP. Ich möchte aber, wenn irgendjemandem was auffällt, ob es die Putzfrau ist, der Springer oder die Assistenz oder dem Assistenzarzt oder dem PJler, ich möchte, dass ihr Speakup macht.‘ Also das kann ich auch einfordern von meinen Mitarbeitern. Wenn ich so eine Führungskraft bin, dann kann ich auch eine Veränderung erzielen. Und dann kommen wir vielleicht auf 70 oder 80 % Sicherheitskultur in Deutschland. Das Problem sind nicht mehr die Methoden und Instrumente. Das Problem ist eine Kulturfrage ‚Wie ist meine Haltung? Will ich das anerkennen, dass Fehler passieren? Will ich meine Mitarbeiter unterstützen, dass sie das melden können?‘ Weil wir haben das Second Victim Problem ja auch noch. Das heißt, wenn Fehler durchschlagen. Frau Eberlein Gonska hatte das eben mal ganz kurz angemerkt. Die Mitarbeiter selber, die einen Fehler gemacht haben, der zu einem Patientenschaden führt, die gehen ja nicht feiernd nach Hause. Die leiden unter Burn out, unter Depression, können nachts nicht schlafen, melden sich krank, steigen aus dem Berufsleben aus. Das ist die Wirklichkeit, wenn wir nicht erlauben, über Fehler zu reden.
Professor Eberlein-Gonska: Es ist, denke ich, auch nicht nur die Aufgabe eines Einzelnen, einer Führungskraft, einzelner Berufsgruppen. Es ist ein gesamtgesellschaftliches Thema. Und wenn Sie mal in der Industrie schauen, wenn dort Prozesse entwickelt werden, sind die Sicherheitsprozesse immer auch dort integriert. Das heißt, sie werden geplant. Es ist selbstverständlich der Sicherheitsaspekt integraler Bestandteil des Prozesses, der dann am Band oder wo auch immer läuft. In der Medizin sind das extra Prozesse und für diese extra Prozesse gibt es kein Zeitbudget und gibt es auch kein finanzielles Budget. Und das ist ein großes Problem, was man nur gesamtgesellschaftlich, gesamtpolitisch auch lösen kann. Gleichwohl kann jeder Einzelne einen kleinen…
Konstantin Willkommen: (...) Wir haben da jetzt schon ein paar sehr schöne Aspekte zum Umgang mit Fehlern angebracht. Wir haben dabei auch verschiedene Seiten. Also im Sinne von Personen jetzt gerade betrachtet. Also die Akteure im Gesundheitswesen als die Behandelnden, auch die als, wie Sie es sagten, Frau Hacker als Second Victim, also auch die Personen, die Schaden davon nehmen. Ich würde jetzt noch mal eine andere Perspektive, nämlich einnehmen die der Patientinnen vielleicht, die ja zum einen die Geschädigten sind. Und da kam nämlich auch eine Frage zu uns ‚Wie kann ich erkennen, dass meine behandelnde Ärztin einen Fehler gemacht hat?‘ Und wenn man sich nach dem, was wir vielleicht schon besprochen haben, diese Frage liest, denkt man sich Das ist unmöglich, wahrscheinlich. Aber gerade deswegen finde ich die Frage so spannend, weil wir sind ja heute hier, um auch Fragen zu stellen, die sich dann vielleicht ein Patient nicht traut, in der Praxis zu stellen. Haben Sie da gerade was falsch gemacht?
Professor Eberlein-Gonska: Entschuldigung, wenn ich zurückfrage. Also ich käme nie auf die Idee, wenn ich zum Arzt gehe und Hilfe brauche zu überlegen, woran kann ich erkennen, dass der was falsch macht? Also das ist ein schwieriger Ansatz, weil ja auch das Arzt-Patienten-Verhältnis, wie ich vorhin sagte, ein Vertrauensverhältnis ist. Der Patient gibt sich vertrauensvoll in die Hand des Arztes. Natürlich entwickelt sich da auch in den letzten Jahren einiges, in dem sich die Patienten auch informieren über andere Medien, über Zeitschriften etc.. Ich würde eher es umdrehen und sagen, wenn mir als Patient etwas auffiele, was ich glaube, was jetzt nicht richtig gelaufen ist, dann möchte ich die Patient*in ermuntern, das zu sagen. Das kann man ganz leicht als Patient feststellen, wenn man Blut abgenommen bekommt und derjenige oder diejenige, die das tun, eben nicht zweimal desinfizieren. Dann ist das ein Hygienefehler. Und auf den kann ich aufmerksam machen. Na klar, ob das der andere so toll findet, ist die Frage. Aber wir haben ja gesagt, wir müssen mutig sein. Und der Mut heißt ja nur Wir verbünden uns damit etwas richtig gemacht wird. Ich glaube, wir müssen immer in den Vordergrund stellen: Es geht um eine hochwertige Behandlung der Patienten. Und dann darf ich auch sagen, wenn etwas nicht gut läuft, dann bin ich dazu geradezu berechtigt und aufgefordert. Es geht gar nicht darum, den anderen anzuklagen. Also jetzt der Ärztin zu sagen, Sie haben was falsch gemacht. Nein, es geht prinzipiell darum Wir wollen Patienten gut behandeln, wir wollen die Leiden lindern oder gar heilen. Und wenn uns hier was auffällt, dann dürfen wir das sagen. Und das ist, glaube ich, das Wesentliche.
Konstantin Willkommen: Sehen die anderen noch andere Aspekte? Also ich finde das sehr interessant, diesen Moment aus Sicht des Patienten, also auch daran teilzuhaben, an der Behandlung auch mitzuschauen, was passiert hier gerade? Welche Aufgaben könnten wir auch der Patientenseite mitzurechnen.
Dr. Ruth Hecker: Die medizinische Behandlung an sich ist ja sehr komplex oder kann sehr komplex sein und Patientinnen und Patienten können eine Menge tun, mit zu sorgen für Patientensicherheit. Am Uniklinikum Essen zum Beispiel ist es so, dass die Patienten einen Hinweisgeber bekommen, dass sie darauf achten sollen, ob und wie sich das medizinische Personal die Hände desinfiziert hat und erlaubt sind, das medizinische Personal anzusprechen. Dass, wenn ihnen auffällt, dass die Arzneimittel irgendwie anders sind, als sie sie sonst bekommen, dass sie aktiv aufgefordert werden, danach zu fragen. Die werden aufgefordert, darauf zu achten, dass sie selber ein Patientenarmband haben. Und wenn das mal entfernt worden ist, dass sie sofort ein neues bekommen. Also die Patientinnen und Patienten werden in diese Sicherheitsmaßnahmen, die in Deutschland normal sind, aktiv mit einbezogen und es wird Ihnen erlaubt, medizinisches Personal darauf anzusprechen. Das ist eine Möglichkeit. Zum Beispiel, wie man das machen kann. Patientinnen und Patienten wissen auch heute, wenn sie in eine OP gehen und das Bein operiert wird, dass sie eine Seitenmarkierung bekommen. Das wissen die mittlerweile. Und wenn das nicht geschieht, dann sollen sie bitte das medizinische Personal darauf ansprechen. Es kann mal einen Schichtwechsel stattgefunden haben. Der Kollege denkt, dass der andere Kollege das gemacht hat. Wie das so im Leben so ist. Und dann sollen wir auch die Patientinnen und Patienten ermutigen, das Personal darauf anzusprechen. Vielleicht kann ich vom Aktionsbündnis Patientensicherheit sagen, wir haben tatsächlich jetzt, 2023, das Motto des Welttages der Patientensicherheit zum Thema Patients for Patient Safety. Also was können Patienten tun, um selber Patientensicherheit auch mitzugestalten? Und das wird sicherlich thematisch ein spannendes Jahr auch für uns, für das Aktionsbündnis Patientensicherheit und unsere Mitglieder. Das heißt ja nicht, dass die Verantwortung übernehmen sollen, die sonst das medizinische Personal tragen, sondern die sollen einfach mit unterstützen, mit aufmerksam machen, wenn was nicht gut funktioniert hat.
Anne Röhle: Sie sind Teil des Prozesses und sie tragen auch einen Teil Verantwortung. Also ein Patient, der eine Gehstörung hat, weil er aus welchen Gründen auch immer, aber der unsicher auf den Beinen ist, Wenn der mit Schlappen kommt, dann muss ich sagen Mensch, lieber Patient, du kannst was für deine eigene Sicherheit tun. Oder bei den Medikamenten, die wir so verordnen, bei den Orthesen, bei den Hilfsmitteln, ja, wenn der Physiotherapeut kommt und sagt Mensch, hier mit dem Bandscheibenvorfall, du musst Bauchmuskeltraining machen oder du musst die Orthese tragen, damit du nicht wieder umknickst. Lieber Patient, bitte setz deine Medikamente nicht ab ohne Arztrücksprache. Wie oft haben wir da Fehler, wo der Patient einfach, also einfach in Anführungsstrichen. Ich weiß, dass es nicht einfach ist, aber wo er Verantwortung für sich und seinen Körper übernehmen muss.
Professor Eberlein-Gonska: Das ist übrigens gar nicht gar nicht jung, das ist ganz alt. Also wir kommen ja vom Uniklinikum Carl Gustav Carus und Carus war ein großer Verfechter, dass Patienten mitmachen müssen, also auch Teil des Sicherheitssystems sind. Warum denn nicht? Der Patient liegt auch in Position, also ich liege normalerweise nicht im Klinikum herum, sondern der Patient hat ganz andere Perspektiven, wo er was entdecken kann, wo etwas nicht sauber ist, was er dann melden kann. Und ich glaube, dass diesen Welttag der Patientensicherheit finde ich eine sehr gute Idee, weil da ist noch großer Spielraum.
Dr. Ruth Hecker: Patienten mit einzubinden, ja. Das darf aber nicht als Abgabe der Verantwortung des medizinischen Personals gegeben sein, sondern es bedeutet, den Patienten zu beteiligen. Und das medizinische Personal ist dann natürlich auch in der Pflicht zu hören, was der Patient sagt. Und das auch anzunehmen und kritisch für sich zu bewerten. Hat er recht? Hat das nicht gepasst? Hat das nicht gestimmt? Ist uns da ein Fehler passiert? Das ist natürlich wichtig. Das bedeutet auch, den Patienten auf Augenhöhe zu begegnen. Der darf seine Kritik, seine Wahrnehmung auch äußern.
Konstantin Willkommen: Also bedarf es auch da in gewisser Weise eines kulturellen Wandels. Die Patienten brauchen natürlich das Vertrauen in die medizinische Behandlung, die sie erfahren. Aber gleichzeitig müssen sie vielleicht ein bisschen diese Ehrfurcht vor der Medizin ablegen in dem Sinne, dass sie nicht nur ‚Was um mich geschieht, ist Verantwortung von anderen‘, sondern ‚ich kann auch selber darauf Einfluss nehmen.‘
Professor Eberlein-Gonska: Und vielleicht auch, weil Sie haben ja selbst die Verantwortung für sich. Letztlich hat der Patient immer die Verantwortung für sich und entscheidet für sich. Und ich denke, das gehört in diesen Kreis hinein. Also er kann ja auch sich gegen eine Behandlung entscheiden. Und insofern können wir doch beide Sicherheitssysteme vom Patienten, vom Gesundheitsversorgungsbereich, ob das jetzt Krankenhaus, Reha oder niedergelassener Bereich ist, können wir doch beide stärken. Ich bin immer dafür, die Kräfte zu ergänzen, weil sie sich dann bündeln. Da können wir doch nur dankbar sein, wenn einer sagt ‚Da vorne ist eine Stolperfalle, da könnte ich drüber fallen.‘
Konstantin Willkommen: Also auch, dass Patienten in gewisser Weise ein Speak up sich aneignen.
Dr. Ruth Hecker: Genau das muss erfordert eben auch wieder Mut. Da sind wir wieder beim Mut. Ich war ja auch schon mal Patientin. Letzten Sommer habe ich selber mal drei Tage im Krankenhaus gelegen. Und dann kam tatsächlich am dritten Abend die Fachpflegekraft und fragte mich, ich würde ja am nächsten Tag entlassen, ob ich die Heparinspritze noch haben wollen würde. Die ist für die Blutverdünnung zuständig, damit man keine Thrombose bekommt. Da habe ich gesagt, ich habe hier drei Abende keine Heparinspritzen bekommen. Es war am dritten Tag und da steht aber so dokumentiert und steht auch in der Akte. Und dann habe ich sie gebeten, das mal ins System einzutragen des jeweiligen Krankenhauses, weil das wäre jetzt irgendwie komisch gelaufen. Also ist mir erst nichts passiert. Das ist ein Fehler ohne Schaden. Nichtsdestotrotz kann es beim nächsten Patienten ja auch dazu führen, dass auch ein Schaden auftritt. Also ich hätte natürlich auch sagen können ich sage nichts. Ja, also Patienten können mitmachen, aber es erfordert.
Konstantin Willkommen: (...) Also wir haben jetzt dieses Spannungsfeld von verschiedenen Seiten aus beobachtet und gemerkt, wir brauchen Kulturwandel innerhalb der Tätigen, im Gesundheitssystem. Und mit Tätigen, meine ich, beziehe ich jetzt alle ein, also die Patientinnen und die Arbeitenden. Wollen wir das vielleicht noch ein bisschen konkreter ausformulieren? Was gibt es denn jetzt tatsächlich gerade für Maßnahmen, um eben die Fehlerkultur weiterzuentwickeln und eben auch im Krankenhaus für mehr Patientensicherheit zu sorgen? Was können Sie uns da als Ausblick vielleicht geben?
Anne Röhle: Also ganz aktuell können wir ja aus der Medizinischen Fakultät und dem Uniklinikum in Dresden vom Room of Horror, den wir schon angesprochen haben, also der an das verpflichtende Reanimationstraining, das ja alle Berufsgruppen durchlaufen, angeschlossen wird. Also da ist der Plan, dass die eben nicht nur das Reanimationstraining durchlaufen, sondern eben auch den Room of Horror. Und da eben nicht mit dem Finger drauf gezeigt wird, der Patient oder der Fehler oder die Akte, sondern dass man dort ins Gespräch kommt und einfach merkt ja, die Dinge können passieren, aber wenn ich sie, wenn ich einfach sensibel dafür bin, wenn ich sie wahrnehme, dann kann ich sie beheben, bevor es zum Schaden kommt. Und dieses Training also nicht nur für die Tätigen am Uniklinikum, sondern wir erweitern es auch für die Praxisanleiter*innen. Das ist geplant von der Carus Akademie. Die kommen, hospitieren bei uns. Also das ist ein wahnsinnig großer Schritt.
Professor Eberlein-Gonska: Also Frau Hecker hat vorhin schon eine Aufzählung vorgenommen, was es alles gibt. Ja und heute ist im OP Bereich des sogenannte Team Time Out, wo die alle am OP Tisch stehenden erst noch mal innehalten, genau geprüft wird Ist es der richtige Patient? Ist es die richtige Seite? Hängen die Röntgenbilder auf? Das hat es vor Jahren vor Gründung des Aktionsbündnis Patientensicherheit nicht gegeben. Also ich muss schon sagen, Frau Hecker, seit dem APS, seit 2005, hat sich da enorm viel getan, was für die hunderte von Jahren dauernde Entwicklung in der Medizin wirklich sehr schnell ist. Also die Instrumente haben sich sehr schnell etabliert. Nehmen Sie ein PatientenIdentifikationsbändchen: vor 2005 hat es das in Deutschland nicht gegeben. Nur ich möchte auch darauf hinweisen Man darf sich nicht hinter diesen Methoden und Techniken zu sehr sicher glauben. Es ist auch immer noch besser, den Patienten direkt zu fragen ‚Sind Sie Frau Ruth Hecker?‘ Und sich das noch mal zu bestätigen, als zu glauben, das Bändchen was jetzt am Arm ist, das wird schon, das wird schon alles richten. Also die individuelle Aufmerksamkeit, die individuelle Haltung. Ich lasse mich jetzt nicht drängen. Ich mache das, was ich jetzt angefangen habe, erst fertig. Ich habe das jetzt noch nicht verstanden. Ich muss noch mal nachfragen. Ich fühle mich da nicht sicher. Ich möchte hier noch mal eine Erklärung oder eine Begleitung. Ich glaube, das ist auch noch mal ein Punkt, der hier nicht untergehen soll. Ich verstehe Patientensicherheit nicht als Sammelsurium von Techniken, sondern es ist eben die Bereitschaft, sich mit dem Thema zu beschäftigen und sich da auch ganz individuell darauf einzulassen und natürlich auch gewisse Techniken zu beherrschen. Aber es ist nicht einfach ein Kurs, wo ich hingehe, zurückkomme, ein Zertifikat hochhalte. So, jetzt bin ich Patientensicherheitsexperte.
Konstantin Willkommen: Jetzt mache ich keine Fehler mehr.
Dr. Ruth Hecker: Genau. Also ich gebe ja auch Vorlesungen für Studierende. Und dann ist der Tenor immer ‚Was kann ich tun? Was kann ich als Einzelner tun, um Schäden von Patientinnen und Patienten fernzuhalten?‘ Denn ich habe keinen Einfluss auf die politischen Rahmenbedingungen. Ich habe sehr, sehr wenig Einfluss auf die Organisation, die mir den Arbeitsplatz zur Verfügung stellt. Und manchmal habe ich auch keinen Einfluss auf meine Führungskraft. Also das heißt, was kann ich tun? Und da gibt es halt einige Prinzipien Fehler melden, versuchen Drei Wege Kommunikation in der Abteilung im Team zu etablieren. Händehygiene zum Beispiel. Es gibt immer noch viel zu viele nosokomiale Infektionen. Hände Hygiene, Hygienisch arbeiten. Sich Zeit dafür zu nehmen. Einarbeitung ein wichtiges Thema die einzufordern also auch zu sagen, ich kann diese Aufgabe noch gar nicht übernehmen, weil ich mich noch unsicher fühle. Es gibt viele, viele Dinge, die ich als Einzelner tun kann, um Fehler zu vermeiden und Schäden von Patienten fernzuhalten. Und ich glaube, darauf muss man sich auch als Einzelner fokussieren, weil man wie gesagt, die politischen Rahmenbedingungen und die Organisationsrahmenbedingungen in der Regel als einziger, wenn man nicht in einer konkreten hohen Verantwortungsfunktion ist, nicht beeinflussen kann. Deshalb muss man sich darauf konzentrieren Was kann ich als Einzelner tun? Und ich kann als Einzelner im OP sagen Stopp, wir haben hier noch kein Team Time-out gemacht. Ich stehe hier mit am Tisch, ich fühle mich mitverantwortlich. Ich möchte jetzt ein Team Time Out haben.
Konstantin Willkommen: Also auch das Einfordern jeder einzelnen Person, dass sie in dem Setting, in dem man sich gerade befindet, das Beachten der Patientensicherheit eben einfordert, dass das dass das jetzt hier in meiner Situation, in der ich mich befinde, gelebt wird und getan wird. Und neben diesen sehr spezifischen Systemen, die Sie gerade angesprochen haben, also eine Variante, die ich jetzt daraus zusammenfassen kann so ein bisschen ist, dass wir uns eine zukünftige Generation an Mitarbeitenden im Gesundheitssystem ausbilden. Vielleicht einfach so, die einfach ein stärkeres Bewusstsein für eine offene Fehlerkultur, eine positive Fehlerkultur und ein Bewusstsein für die Bedeutung der Patientensicherheit haben.
Professor Eberlein-Gonska: Ich würde mir wünschen, dass in der Ausbildung es nicht ein extra Modul gibt Patientensicherheit, sondern in jedem, in jedem Fachvortrag, in der Orthopädie, in der Anästhesie, in der Pflege, im Hebammenkurs diese Themen integriert werden. Das ist nicht immer was extra, was wie so eine Appendix, so was Angeklebtes ist, sondern dass in jede Fachdisziplin dieses Thema selbstverständlich gelehrt wird. Ich glaube, dann können wir noch mehr, noch besser bewegen.
Anne Röhle: Und es kommt ja langsam also klar, wir würden uns das irgendwie alle ein bisschen schneller und schon gestern wünschen. Aber gerade gibt es ja die große Überarbeitung des nationalen Lernzielkatalogs der neuen ärztlichen Approbationsordnung. Da gibt es ein riesengroßes Feld, was sich mit Patientensicherheit beschäftigt, ja, was vielleicht an der einen oder anderen Stelle noch ein bisschen unstrukturiert ist. Und ja, für die Studis ist vielleicht auch noch sehr viel ist, wo vielleicht auch das ein oder andere Lernziel wieder raus muss. Aber prinzipiell tut sich was auf dem Feld und ich meine das Wahlfach, was wir jetzt diese Woche haben für die Studis. Ich meine, das gibt es dieses Jahr, das neunte Jahr. Wir gehen nächstes Jahr ins 10-jährige Jubiläum und ich habe vor drei Jahren an der medizinischen Fakultät angefangen und kann sagen, in diesen drei Jahren hat sich schon ganz viel bewegt. Vor drei Jahren haben die Studis zu mir im Room of Horror gesagt Wie sollen wir das ansprechen? Und es hört ja eh keiner. Das habe ich vor drei Jahren zweimal am Tag gehört. Das höre ich jetzt vielleicht noch zweimal im Jahr. Unsere Studis sind mutiger geworden und es findet ein Wandel statt. Doch da freue ich mich auf meine, auf meine zukünftigen Behandelnden.
Konstantin Willkommen: Das Publikum nickt auch zustimmend, fröhlich und motiviert und zukunftsorientiert. Ich denke, damit können wir eigentlich den heutigen Nachmittag auch schließen. Sie waren jetzt hier eine ganze lange Zeit meinen Fragen ausgesetzt, bzw. den Fragen, die uns das Publikum zugesendet hat. Auch hier gerne noch mal der Appell für die Zukunft: Alle Interessierten können gerne im Internet. YOU ASK we explain suchen und werden dort finden eine Möglichkeit, Fragen für zukünftige Sendungen und Podcasts einzusenden. Und jetzt für meine Expertenrunde möchte ich Ihnen gerne die Möglichkeit geben. Nachdem Sie die ganze Zeit Fragen beantworten durften, dürfen Sie nun eine Frage stellen, die alle Zuhörenden dann mit nach Hause nehmen dürfen. Es gibt keine Antwort. Vielleicht findet ihr auf dem Heimweg eine und dann gebe ich Ihnen das Wort.
Professor Eberlein-Gonska: Mir kam jetzt die Frage auf: Alle, die diesen Podcast hören, habe ich die Frage, was jeder Einzelne dafür selbst tut, dass die Patientensicherheit etwas sicherer wird. Und zwar ab dem Zeitpunkt, wo er es gehört hat. Ich wünsche mir, dass derjenige 1 bis 3 Dinge aufschreibt, was er ab sofort tun wird, damit er die Patientensicherheit noch verstärkt. Vielen Dank.
Dr. Ruth Hecker: Ich frage mich wann kommt die Bewegung der Generation der jungen Gesundheitsberufler*innen, die das einfordert von ihren Führungskräften? Danke.
Anne Röhle: Und ich würde gerne das Beispiel mit nach Hause geben, wenn sie im Flugzeug sitzen, sofern sie noch fliegen. Und sie hören den Piloten die Durchsage machen ‚Oh, wir haben ein technisches Problem. Es verzögert sich.‘ Dass Sie einmal kurz überlegen, wie Sie da reagieren. Im Vergleich dazu, wenn Sie im ICE sitzen. Und der Schaffner macht die Durchsage Die Abfahrt verzögert sich wegen einem technischen Problem. Was da so Ihre Gedanken und Ihre Gefühle sind im Vergleich dazu, wenn Sie in der Arztpraxis oder in der Notaufnahme sitzen, vielleicht schon die 2., 3., 4. Stunde. Was Ihnen da durch den Kopf geht und ob Sie wie Sie da reagieren wollen. Zukünftig.
Konstantin Willkommen: Danke. Und damit schließen wir den Podcast für unsere zweite Folge von YOU ASK Me explain. Ich war‘s nicht. Fehler in der Medizin. Ich danke allen, die Fragen eingesendet haben. Ich danke allen, die die Fragen beantwortet haben. Und mein Name ist Konstantin Willkommen. Und bei Fragen einfach fragen.
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Hier ein paar Eindrücke unserer Veranstaltung.

Referentin Maria Eberlein-Gonska © André Wirsig

v.l.n.r. Moderator: Konstantin Willkommen, Referentin Anne Röhle, Ruth Hecker und Maria Eberlein-Gonska © André Wirsig

Moderator Konstantin Willkommen und Referentin Anne Röhle © André Wirsig

v.l.n.r. Moderator: Konstantin Willkommen, Referentin Anne Röhle, Ruth Hecker und Maria Eberlein-Gonska © André Wirsig

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Referentin Ruth Hecker © André Wirsig

Referentin Maria Eberlein-Gonska © André Wirsig

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v.l.n.r. Moderator: Konstantin Willkommen, Referentin Anne Röhle, Ruth Hecker und Maria Eberlein-Gonska © André Wirsig

Musikalische Unterstützung durch Patrick Neumann © André Wirsig

Musikalische Unterstützung durch Adam Gräbner © André Wirsig

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Referentin Anne Röhle © André Wirsig

Referentin Anne Röhle und Ruth Hecker © André Wirsig

Referentin Ruth Hecker © André Wirsig

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Referentin Maria Eberlein-Gonska © André Wirsig

Referentin Maria Eberlein-Gonska © André Wirsig

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Musikalische Unterstützung durch Adam Gräbner © André Wirsig

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Referentin Ruth Hecker © André Wirsig

Moderator Konstantin Willkommen © André Wirsig

Moderator Konstantin Willkommen © André Wirsig

Musikalische Unterstützung durch Adam Gräbner © André Wirsig
Unsere Referent:innen:
Prof. Dr. med. habil. Maria Eberlein-Gonska - Leiterin des Zentralbereichs Qualitäts- und Medizinisches Risikomanagement, Universitätsklinikum Dresden
© TUD
Anne Röhle - Ärztin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Medizinisch-Interprofessionellen Trainingszentrum, Medizinische Fakultät Dresden
© TUD
Dr. Ruth Hecker - Vorsitzende Aktionsbündnis Patientensicherheit
Moderator:
© TUD
Konstantin Willkommen - Absolvent der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus
Musikalische Begleitung:
- Patrick Neumann & Adam Gräbner
Dieses Vorhaben wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung
und Forschung (BMBF) und dem Freistaat Sachsen im Rahmen der Exzellenzstrategie von
Bund und Ländern.