Sep 23, 2025
„Lehrforschung ist mehr als Fragebögen auswerten“ – Ein Interview mit Dr. Kristina Schick
Lehrforschung – was bringt das eigentlich? Reicht es nicht, wenn am Ende gute Noten bei den Studierenden herauskommen? Wir haben mit Frau Dr. Kristina Schick, Postdoc am Institut für Didaktik und Lehrforschung in der Medizin über Denkfehler, falsche Erwartungen und den tatsächlichen Mehrwert von Lehrforschung gesprochen.
Doreen Pretze (DP): Frau Dr. Schick, Hand aufs Herz: Was machen Sie eigentlich den ganzen Tag? Viele stellen sich unter Lehrforschung doch vor allem Statistik-Nachhilfe mit Evaluationsbögen vor.
Kristina Schick (KS): Das ist tatsächlich ein weitverbreitetes Missverständnis. Lehrforschung ist viel mehr, als nur auszuwerten, ob Studierende mit Vorlesungen oder Seminaren zufrieden sind. Unser Ziel ist es, herauszufinden: Welche Lehrmethoden funktionieren wirklich? Unter welchen Voraussetzungen lernen Studierende nicht nur Fakten, sondern auch komplexe Inhalte oder Handlungsfertigkeiten?
Darüber hinaus untersuchen wir auch psychologische Faktoren wie Empathiefähigkeit, emotionale Intelligenz oder das Stresserleben. Wir fragen uns zum Beispiel: Wie beeinflusst Stress die Lernleistung? Oder: Welche Rolle spielen Einstellungen in der Arzt-Patienten-Beziehung? Das alles gehört zu unserem Forschungsfeld – die klassische Evaluation ist dabei nur ein kleiner Teil.
DP: Das klingt sehr vielschichtig. Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?
KS: Gerne. Nehmen wir das Thema Stress. Im letzten Wintersemester haben wir ein Projekt namens SP-Rea durchgeführt. Darin ging es um den Zusammenhang zwischen Stresserleben und Leistung im Reanimationstraining. Wir haben untersucht, welche Stressoren – etwa Dunkelheit, laute Geräusche, Menschenmengen oder sogar Gerüche – die Belastung erhöhen. Gleichzeitig haben wir gemessen, wie sich diese Faktoren auf die Reanimationsleistung auswirken. Der nächste Schritt ist dann die Frage: Wie können wir Studierende dabei unterstützen, besser mit solchen Stresssituationen umzugehen? Am Ende profitieren davon nicht nur die angehenden Ärztinnen und Ärzte, sondern auch die Patientensicherheit insgesamt.
DP: Man kann also sagen: Lehrforschung ist eine eigene Wissenschaft?
KS: Ja, auf jeden Fall. Ich würde es als eine Subdisziplin der Bildungswissenschaften bezeichnen – nur eben angewandt auf ein spezielles Feld, wie in unserem Fall die medizinische Ausbildung.
DP: Welche Voraussetzungen braucht man, um in der Lehrforschung tätig zu werden? Muss man Medizin studiert haben?
KS: Ärztinnen und Ärzte können natürlich auch in der Lehrforschung arbeiten, doch der klassische Weg führt eher über Psychologie, Pädagogik oder Bildungswissenschaften. Ich selbst habe einen Abschluss in empirischer Bildungsforschung und mich später auf Medizindidaktik spezialisiert. Auch ein Hintergrund in Pflegewissenschaft kann hilfreich sein. Wichtig ist vor allem, dass man Methodenkompetenz erwirbt – also weiß, wie man Forschungsfragen empirisch untersucht.
DP: Zum Abschluss: Wie würden Sie den Nutzen von Lehrforschung in einem Satz zusammenfassen?
KS: Lehrforschung zeigt uns nicht nur, ob Studierende mit einer Lehrveranstaltung zufrieden sind. Sie hilft uns zu verstehen, wie Studierende effektiver lernen können – und ob die Lehre tatsächlich zu einem Kompetenzgewinn oder zu einer Einstellungsveränderung führt.
DP: Vielen Dank für das Gespräch. Wir sind gespannt, welche Projekte als Nächstes folgen!