Physiologie im Kontext der Medizin – die Anfänge
Ἀλλ´ οὐ λέγουσιν τὸ διἀ τί περὶ οὐδενός·
οἶον διὰ τί θερμὸν τὸ πῦρ ·
ἀλλὰ μόνον ὃτι ϑερμόν.
Aber sie kennen niemals das Weswegen,
beispielsweise weswegen das Feuer heiß [ist],
nur, dass es heiß [ist].
Aristoteles, Metaphysik I.1 (9)
Asklepios, die Göttin Demeter und ihre Tochter Persephone empfangen eine Schar berühmter Ärzte: Theodorides, Sohn des Polykrates; Sostratos, Sohn des Epikrates; Epeuches, Sohn des Dieuchos; Diakritos, Sohn des Dieuchos; Mnesitheos, Sohn des Mnesitheos (ca. 4 Jhdt. v.u.Z., Akropolis Museum Athen)
Die Physiologie ist eine zentrale Grundlagenwissenschaft der heutigen Medizin. In der Beziehung zwischen Physiologie und Medizin stellen sich mehrere Fragen. Zunächst ist von Interesse, ab wann sich eine Funktion der Physiologie als Grundlagenwissenschaft der Medizin nachweisen lässt? Nachfolgend ergibt sich die Frage, wie sich die Beziehung zwischen praktischer Medizin und Physiologie in der Geschichte gestaltete? Und schließlich stellt sich die Frage, welche grundlegenden Merkmale die heutige Physiologie in Bezug auf die praktische Medizin charakterisieren?
Hier soll der ersten Frage nachgegangen und untersucht werden, ab wann sich eine Begleitung der Medizin durch die Physiologie nachweisen lässt. Man kann sich dieser Frage von zwei Seiten nähern. Zum einen kann dies über den Begriff (das Prädikat) erfolgen, zum anderen über inhaltliche Aspekte. Der Weg über das Prädikat erscheint direkter und es soll daher zunächst untersucht werden, wann die Prädikate „Physiologie“ oder „Physiologe“ erstmalig in der Wissenschaftsgeschichte nachweisbar sind.
Andreas Deußen, Institut für Physiologie der TU Dresden
Vollständiges Skriptum zur Abschlussvorlesung am 5. Juli 2022 als Leiter des Instituts für Physiologie: