Hochofentechnologie und biomimetische Oberflächen
Hochöfen, die Roheisen aus Eisenerz gewinnen, sowie Stahl- und Walzwerke, die dieses verarbeiten, bilden in der Regel eine eng verzahnte wie energieintensive Produktionskette. Fällt ein Glied dieser Kette aus, werden enorme Mengen Energie und Ressourcen (z. B. Koks) verbraucht, ohne einen Nutzen in Form von Produkten zu erzielen.
Da Hochöfen die Basis der Produktionskette bilden, entfalten Hochofenstillstände eine enorme Hebelwirkung. Die häufigste Ursache dafür sind durchgebrannte Blasformen. Diese sind wassergekühlte Durchführungen aus Kupfer, durch die große Mengen etwa 1.200°C heißer Luft in den Hochofen eingeblasen werden, um die Prozesse in Gang zu halten, die (zumeist oxidisches) Eisenerz zu metallischem Eisen reduzieren. Gerät eine Blasform in direkten Kontakt mit flüssigem Eisen, reicht die Kühlung oftmals nicht aus, die Blasform wird zerstört und muss – zeitraubend – ausgetauscht werden. Der gesamte jährliche Energieverlust durch Blasformschäden liegt deutschlandweit bei etwa 1.600 TJ. Überschlägig entspricht dies einem – prinzipiell vermeidbaren – CO2-Ausstoss von 200 000 t (also etwa 0.2‰ des gesamten deutschen CO2-Ausstoßes des Jahres 2013).
Im Projekt „Steigerung der Energieeffizienz beim Hochofenbetrieb durch Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit mittels neuartiger Longlife-Blasformen“ (gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)) wurden Blasformoberflächen entwickelt, deren Oberflächenstrukturen Luftpolster beherbergen, welche den Wärmeeintrag in die Blasformen drastisch reduzieren und dadurch ein Durchbrennen verhindern. Ausgangspunkt für die theoretische Durchdringung der Fragestellung war die Hautstruktur von Springschwänzen (Collembolen), deren Körperoberfläche dank eines Netzes von Luft einschließenden Löchern und Vertiefungen extrem wasserabstoßend ist. Die Vorhersagen der resultierenden Theorie erwies sich als sehr zuverlässig, was den experimentellen Aufwand in der Erprobungsphase stark reduzierte.
Ein auf drei Jahre ausgelegtes Projekt mit ähnlicher Zielrichtung – die Optimierung von Energie- und Ressourceneinsatz bei bestimmten Herstellungprozessen in der Schwerindustrie – hat am 1. Februar 2019 begonnen.
Kontakt
Kooperationspartner
- VDEh-Betriebsforschungsinstitut GmbH, Sohnstraße 65, 40237 Düsseldorf
- Lebronce Alloys GmbH - Hundt & Weber, Birlenbacher Straße1, 57078 Siegen
- ArcelorMittal Eisenhüttenstadt GmbH (AMEH), Werkstraße 1, 15872 Eisenhüttenstadt
- Buchwald Stahl-und Metallbau (BW), Industriestr. 5, 41564 Kaarst
- PRAXAIR Surface Technologies GmbH (PST), Robert-Zapp-Strasse 7, 40880 Ratingen
Sonstiges
Im Jahr 2017 wurde das Projekt mit dem Materialica Gold Award im Bereich „Surface and Technology“ ausgezeichnet.
Ausgewählte Publikationen
Wilfried Konrad, Jörg Adam, Siegfried Konietzko, Christoph Neinhuis: When Lotus Leaves Prevent Metal From Melting - Biomimetic Surfaces for High Temperature Applications.
Journal of Bionic Engineering (im Januar 2019 zur Veröffentlichung angenommen)
Nickerl, J., Helbig, R., Schulz, HJ., Werner, C., Neinhuis, C. Diversity and potential correlations to the function of Collembola cuticle structures. Zoomorphology (2013) 132: 183. DOI: 10.1007/s00435-012-0181-0
W. Barthlott, M. Mail, C. Neinhuis. Superhydrophobic hierarchically structured surfaces in biology: evolution, structural principles and biomimetic applications. Phil. Trans. R. Soc. A (2016) 374: 20160191. DOI: 10.1098/rsta.2016.0191