27.02.2023
Tierisch Reich: Seeotter, Seeigel und der Klimawandel – Das Ökosystem Kelpwald
Die Tang- bzw. Kelpwälder an der Pazifikküste Nordamerikas sind ein wichtiger mariner Lebensraum. Die riesigen Algen binden CO2 aus der Luft und stellen für viele Arten sowohl Lebensraum als auch Nahrungsgrundlage dar1. Allerdings sind Kelpwälder bedroht und schwinden kontinuierlich2. Der Grund dafür sind Seeigel, die in großer Zahl über die Algenwälder herfallen und sie abfressen2,3,4. In Kalifornien ist der Seetangbestand (Nereocystis luetkeana) im Jahr 2014 im Vergleich zum Vorjahr um 90% zurück gegangen1. Übrig bleiben lediglich Seeigelkolonien, eine marine Ödnis verglichen mit den artenreichen Kelpwäldern. Man könnte nun glauben, dass wir Menschen mit dem Überfall der Seeigel auf die Kelpwälder nichts zu tun haben. Aber das ist nicht wahr. Der Bestand an Seeigeln hat angefangen sich rapide zu vergrößern, nachdem der in den Kelpwäldern lebende Seeotter (Enhydra lutris) nahezu ausgerottet wurde. Dass der Otter kurz vorm Aussterben war, lag vor allem am Fellhandel des 18. Und 19. Jahrhunderts5. Mit Seeigeln als bevorzugte Beute, sind Seeotter also unverzichtbar für den Erhalt der Kelpwälder, da sie die Population der Seeigel klein halten, und die Kelpwälder damit vor der Rodung bewahren2. Eine Möglichkeit die Tangwälder zu schützen, wäre somit die Vergrößerung der Seeotterpopulation2,3. In diesem Text möchte ich die wirtschaftliche Bedeutung der Seeotter (Enhydra lutris) erläutern.
Wo Seeotter vorkommen, sind die Kelpwälder deutlich bessere CO2- Senken. Das heißt sie binden laut einer Studie zwischen 4,4-8,7 mio Tonnen mehr CO2, als Kelpwälder, in denen keine Seeottter leben6. Eine Tonne Kohlenstoff kostete 2012 im Europäischen CO2 Zertifikathandel 47 US$. Das heißt, dass das Vorkommen der Otter zu einer CO2 Fixierung im Wert von 205 mio- 408 mio US$ führt6. Die Autor*innen der Studie schätzen, dass Kelpwälder mit Seeottern 243-875g Kohlenstoff pro m2 pro Jahr mehr binden, als Kelpwälder ohne Seeotter. Sie vermuten, dass ein Teil dieses Kohlenstoffs auf den Meeresgrund als Sediment absinkt und dort für viele Jahrzehnte gespeichert werden kann. Wenn nur 1% dieses Kohlenstoffs jährlich so gespeichert würde, hätte das laut Europäischen Zertifikathandel einen Wert von 6 mio - 21 mio US$6.
Um die wirtschaftliche Bedeutung der Seeotter zu erfassen, muss deren Fressverhalten ebenso in Betracht gezogen werde. Seeotter fressen wirbellose Tiere wie Seeigel und Muscheln und reduzieren somit deren Bestand. Dadurch fangen Fischereien weniger Tiere aus dem Beuteschema der Seeotter und büßen bis zu 7,3 mio kanadische Dollar (CA$) pro Jahr (5.7 mio US$/Jahr) ein5. Gleichzeitig erhöhen Seeotter die Biomasse im Ökosystem um 37%, da mehr Fische in den gesunden, großen Kelpwäldern ohne Seeigelplage leben können. Das steigert die Erfolge der Fischfangindustrie um 9,4 mio CA$ im Jahr (7,3 mio US$/Jahr)5.Zusätzlich wird geschätzt, dass Ökosysteme mit Seeottern Einnahmen durch Tourismus von bis zu 41,5 million CA$ pro Jahr (32,2 mio US$/Jahr) generieren können5. Nun kann man die durch Seeotter bedingten wirtschaftlichen Potenziale für die Tourismusindustrie, den erhöhten Fischfang und die Verluste im Fang von wirbellosen Tieren zusammenrechnen. Es wird deutlich, dass das wirtschaftliche Potenzial in Ökosystemen mit Seeottern um 43,6 mio CA$ (33,9 mio US$) höher ist als in Ökosystemen ohne Seeotter5.
Der Einfluss der Kelpwälder auf den Klimawandel und damit auch die genaue wirtschaftliche Bedeutung der Seeotter ist schwer vorherzusagen. Trotzdem ist es zumindest wahrscheinlich, dass das Schützen und Stabilisieren der Seeotterpopulation die Kelpwälder stärkt. Dies würde weitere positive Effekte nach sich ziehen. Große Kelpwälder sind zum Beispiel in der Lage Wellen abzuschwächen2 und dadurch Küsten vor Erosion zu schützen oder sind auch wichtig, um Heringpopulationen zu stabilisieren, die ihr Laich in Kelp ablegen2. Es scheint, dass Seeotter bedeutende Vorteile mit sich bringen, weshalb Wiederansiedlungsprojekte eine wichtige Maßnahme darstellen.
Issue 4
Leonard Kurzweg, Übersetzung Nele Kheim