18.11.2023
Facktencheck: Elotrans® – Ein Heilmittel gegen den Kater?
Liken, Teilen und Scrollen auf sozialen Medien gehören zum Alltag vieler Menschen, vor allem aus der jungen Generation. Wenn Beiträge sehr schnell und sehr oft geliked, geteilt oder kommentiert werden können daraus Trends entstehen, welche die Plattformen in kürzester Zeit dominieren. Diese Trends beeinflussen dann auch das Leben außerhalb des Online-Universums. So auch im Sommer 2021 in Deutschland:
Ein Trend auf der Videoplattform TikTok führte zur Knappheit des Durchfallmedikaments Elotrans®. Mehrere TikTok-Nutzer*innen empfahlen Elotrans®, weil sie behaupteten dadurch weniger starke alkoholbedingte Katersymptome verspürt zu haben1,2,3. Das hatte einen großen Nachahmungseffekt. Elotrans® ist rezeptfrei erhältlich und das Medikament war schnell ausverkauft. Der Hersteller STADA kam mit der Produktion nicht hinterher 1,2.
Elotrans® ist ein Zucker-Elektrolyt-Gemisch, das angeblich einem Kater vorbeugt, indem es den Elektrolythaushalt ausgleicht. Durch Alkoholkonsum kann dieser nämlich gestört werden. Ist an der angeblich katerheilenden Wirkung etwas dran? Helfen die Elektrolyte dem Körper, sich von starkem Alkoholkonsum zu erholen? Liegt der versprochene Heileffekt doch in der extra Flüssigkeit, die man neben dem Medikament zu sich nimmt oder ist die positive Wirkung nur ein Mythos?
Alkohol hat toxische Auswirkungen auf unseren Körper, die zu einem Kater beitragen. Der medizinische Fachausdruck für den vorübergehenden Katerzustand lautet Veisalgia. Art und Intensität der Katersymptome hängen von individuellen Faktoren wie der körperlichen Verfassung ab. In der Regel spricht man bei einem Kater aber vor allem von Müdigkeit, Kopf- und Muskelschmerzen, Schwindel, Erbrechen und Stimmungsschwankungen4. Ein Kater tritt üblicherweise dann auf, wenn die Alkoholkonzentration im Blut wieder abnimmt. Die Symptome sind also am stärksten, wenn die Person wieder nüchtern ist bzw. nüchtern wird4.
Bekanntermaßen spielt Elektrolytverlust bei chronischen, akuten Alkoholikern eine wichtige Rolle5. Aber wie sieht es bei Menschen aus, die nicht alkoholabhängig sind? Um herauszufinden, ob ergänzte Elektrolyte, anstelle der zusätzliche Flüssigkeitszufuhr, zur Linderung der Kater-Symptome beiträgt, müssen wir uns die Frage stellen: Warum kommt es zu einem Kater?
Alkohol wirkt harntreibend. Die Nieren nehmen weniger Wasser auf, der Körper produziert daher mehr Urin4. Mit dem Urin scheiden wir neben Wasser immer auch Elektrolyte aus5. Bei Nicht-Alkoholikern wird der Elektrolythaushalt bei mäßigen Alkoholkonsum eher nicht beeinträchtigt. Darauf deuten die Ergebnisse zweier Studien hin6,7. Eine der Studien untersuchte außerdem, ob sich Katersymptome unterscheiden, wenn Teilnehmende ein Elektrolytgemisch oder nur ein Zuckerwassergemisch zu sich nehmen bevor sie Alkohol trinken. Kurz gesagt - es macht keinen Unterschied7. Der Kater bei Nichtsüchtigen müsste also andere Ursachen haben als ein Elektrolyt-Ungleichgewicht, das Elotrans® ausgleichen könnte.
Wenn es unwahrscheinlich ist, dass durchschnittliche Alkoholkonsumenten von Elektrolytverlusten betroffen sind, welche anderen Gründe gibt es dann für einen Kater? Die Antwort könnte erhöhter oxidativer Stress sein, also das Auftreten besonders vieler reaktiver Sauerstoffverbindungen in den Zellen des Körpers8. Oxidativer Stress kann auftreten, wenn bestimmte physiologische Prozesse aus dem Gleichgewicht geraten, zum Beispiel durch Alkohol. Das führt zu Zell- und Gewebeschäden und möglicherweise zu Krankheiten9. Katersymptome wie z.B. Müdigkeit und Leistungsabfall können also durch oxidativen Stress ausgelöst sein. Als andere Katerursache wird in einigen Studien auch Dehydrierung genannt5. Der einzige Grund, warum Elotrans® die Nachwirkungen von starkem Alkoholkonsum zu lindern scheint, ist eine erhöhte Wasseraufnahme als Nebenprodukt der Elotrans® Einnahme. Vermutlich könnte auch ein nicht zu vernachlässigender Placebo-Effekt wirken. Wissenschaftliche Beweise für die im Internet verbreitete Behauptung, dass Elotrans® einem Kater entgegenwirkt, konnten wir nicht finden.
Das Gerücht führte dennoch zu einem großen Elotrans®-Lieferengpass. Für Menschen, die ein Medikament gegen Durchfall benötigen stellte das ein akutes, aber zum Glück kein tödliches Problem dar.
Dieser Vorfall zeigt, dass hinter individuellen Tipps auf Social Media nicht unbedingt eine wissenschaftlich bewiesene Wahrheit steht. Was im ersten Moment ein harmloser Selbstversuch ist, um die spaßige Nacht am Morgen danach nicht so sehr in den eigenen Knochen spüren zu müssen, kann im großen Stile ernsthafte Folgen haben. Es ist nicht undenkbar, dass Lifestyle Trends auf Social Media zu Lieferengpässe bei anderen, essenziellen Medikamenten oder Waren führen könnten, die schwerwiegendere Folgen haben. Aussagen und Quellen sollten wir auf Social Media kritisch bewerten, um sicherzustellen, dass nur gegengeprüfte Fakten weiterverbreitet werden.
Issue 10 (PDF)
Cosima Sagurna, Hedda Wern, Jana Skrobanek, Leonie Hobohm; Übersetzung Helen Rothfuß, Nele Kheim