20.08.2023
Leben in der Wissenschaft - Interview mit Prof. Zierau
Hallo Prof. Zierau, stellen Sie sich gern vor und erzählen Sie uns kurz von Ihrem Forschungsgebiet.
Mein Name ist Oliver Zierau. Ich habe Veterinärmedizin studiert, arbeite jedoch seit mehr als 20 Jahren im Bereich der Biologie. Mein Forschungsthema ist Tierphysiologie, genauer gesagt Endokrinologie bei Säugetieren und Physiologie der Nahrungsaufnahme. Ein Teil meiner Forschung befasst sich auch mit Aspekten des Tierschutzes.
Welche neue Entdeckung haben Sie mit Ihrer Forschung gemacht?
Wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen, dass Wissenschaft heutzutage fast immer Teamarbeit ist. Das bedeutet zum Beispiel, dass meiner Meinung nach Nobelpreise nicht mehr an Einzelpersonen verliehen werden sollten, sondern nur an eine gesamte Forschungsgruppe. Aber ich vermute das war nicht eure Frage. Ich bin ziemlich zufrieden mit einer Studie, an der ich beteiligt war. Wir haben herausgefunden, dass die Aktivierung des Östrogenrezeptors-ß dazu führt, dass die Skelettmuskulatur wächst und sich regeneriert. Das war zu dieser Zeit sehr überraschend. Wenn überhaupt hätten wir erwartet, dass die Aktivierung des Östrogenrezeptors-α diesen Effekt hat. Hormone wie Östrogen haben vielfältige Funktionen im Körper. Die Erkenntnis aus dieser Studie hat uns einen Schritt weitergebracht, um zu verstehen, welche Effekte durch Östrogen ausgelöst werden können und wie genau die Informationen von der Zelle verarbeitet werden. In einer anderen Studie, die noch nicht veröffentlicht ist, haben wir gezeigt, dass Menschenaffen im Gegensatz zu Menschen den Geschmack von Tanninen sehr mögen*. Daher nehme ich an, dass Gorillas im Restaurant einen Barrique Wein bestellen würden.
*Tannine sind Stoffe, die in Pflanzen in Holz, Rinde oder bei Trauben auch in Kernen und Stielen vorkommen.
Was gefällt Ihnen am besten an Ihrem Job?
Ich zitiere gerne Isaac Asimov, der einmal sagte: “The most exciting phrase to hear in science, the one that heralds new discoveries, is not 'Eureka!' but 'That's funny…'” („Der aufregendste Satz, den man in der Wissenschaft hören kann, der neue Entdeckungen ankündigt, lautet nicht 'Eureka!' sondern 'Das ist komisch...'").
Mir gefällt der Spaß und die Spannung, neue Dinge zu erforschen, neue Erkenntnisse zu gewinnen und die Möglichkeit die mir meine Arbeit gibt, das zu tun. Ich mag auch das Unterrichten und die Diskussionen mit den Studierenden.
Gibt es etwas, das Ihnen an der Forschung/Wissenschaft nicht gefällt?
Das ist leicht: Die ganze administrative Arbeit, die jedes Jahr zunimmt und immer weniger Zeit für die Forschung übriglässt.
Sie wurden kürzlich zum außerordentlichen Professor am Fachbereich für Biochemie der Stellenbosch Universität in Südafrika ernannt. Warum haben Sie diese Position erhalten und welche Aufgaben sind damit verbunden?
Ich arbeite seit fast 15 Jahren mit einer Gruppe von Stellenbosch zusammen. Aufgrund dieser Verbindung wurde ich gefragt, ob ich bereit wäre, Studierende zu unterrichten und eine jüngere südafrikanische Forscherin zu betreuen. Da ich großes Potenzial in ihr sehe, habe ich diese Herausforderung gerne angenommen. Deshalb habe ich diese Position verliehen bekommen, es handelt sich dabei aber um eine rein ehrenamtliche Arbeit.
Wenn Sie kein Professor sein könnten, welchen Beruf würden Sie gerne ausüben (außerhalb der Wissenschaft)?
Wo fange ich an? Wie gesagt, ich habe Veterinärmedizin studiert und mein Plan war es, Tierarzt für Wildtiere zu werden. Allerdings wollte ich als Kind immer Künstler werden, genauer gesagt Maler. Das wäre immer noch etwas, was ich gerne tun würde.
Was ist Ihr Lieblingsbuch?
Fiktiv, immer noch "Der Herr der Ringe", das ich vor 40 Jahren zum ersten Mal gelesen habe. Nicht-fiktiv sind es "Das egoistische Gen" von Richard Dawkins oder "Der dritte Schimpanse" von Jared Diamond.
Welches Buch würden Sie empfehlen?
Neben den oben genannten würde ich sagen: "Illusion Fortschritt: die vielfältigen Wege der Evolution" des Biologen Stephen Jay Gould.
Gibt es etwas Neues, was Sie gern lernen würden?
Segeln. Vielleicht finde ich irgendwann in Zukunft Zeit dafür.
Issue 8 (PDF)