19.04.2018
Chemie-Nobelpreisträger Ben Feringa bringt die Schönheit der kleinen Natur ins Dresdner HSZ
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Nobelpreisträger zu Gast an der TU Dresden" gab Chemiker Ben Feringa Einblicke in "The Art of Building Small"
Schwerfällig stapft der Molekülmotor – der aussieht wie eine klebrige Gottesanbeterin – über die Autobahn des Muskelinneren. Raunen und Lachen im Audimax, die rund tausend Hörer verfolgen amüsiert die Animation: eines von vielen anschaulichen Beispielen im Vortrag des Nobelpreisträgers Ben Feringa. „The Art of Building Small“, so das Vortrags- und Forschungsthema des Chemikers, ist eine Hommage und eine Anlehnung an die Schöpfungskraft von „Mutter Natur“, wie er selbst gern titelt. Bei den Nanobestandteilen unserer Welt beginnend schöpft der Forscher neue Steine für den Baukasten des Lebens: darunter Molekülmotoren und -autos, wofür er 2016 den Nobelpreis erhielt. Die applaudierenden Zuschauer konnten sie gestern in lebhaften Modellanimationen beobachten, im Rahmen seines öffentlichen Vortrags in der Reihe „Nobelpreisträger zu Gast an der TU Dresden“. Zum zweiten Mal hat die Veranstaltungsserie des Bereichs Mathematik und Naturwissenschaften der TU Dresden in diesem Jahr den Audimax voll gefüllt, vor einer Woche im Vortrag von Physik-Nobelpreisträger Klaus von Klitzing über "Ein neues Kilogramm im nächsten Jahr".
„Die Schönheit der Wissenschaft“ treibt Feringa an, er schöpft sie aus der Schönheit der Natur im Kleinsten: zum Beispiel aus dem ersten Molekül, das er je gebaut hatte. „Es war absolut nutzlos“, lacht er gern, „Aber es hatte vor mir noch niemand gebaut, und es war das schönste Molekül der Welt!“ Im Vortrag wie auch in seiner Lehrtätigkeit in den Niederlanden fachte er leidenschaftlich diese Begeisterung für die wissenschaftliche Arbeit an. Die Universität müsse eine Spielwiese sein, zum Ausprobieren, und um ungeahnten Entdeckungen nebenbei nachzugehen.
Eine kleine Spielwiese ist auch Feringas Forschungsfeld der molekularen Motoren und Maschinen. Der Chemie-Nobelpreisträger hebt und senkt seinen Arm: „Wir bewegen uns dank molekularer Motoren. Sie sind überall in uns.“ Und nach seinem ersten künstlichen Molekül, das der Forscher mit 20 Jahren baute, stellte er bald die Frage, wie dieses sich bewegen könnte. Die Antwort fand er im Licht – und baute chemische Verbindungen, die mit Lichtimpulsen ihre Ausrichtung wechseln. So wie die „Räder“ – oder eher: rotierende Paddel – des lichtbetriebenen Molekülautos, das sein Team konstruiert hat und das vielleicht irgendwann Informationen oder gar Medizin durch den Körper transportieren könnte. Noch jedoch ist das Labor eben mehr theoretische Spielwiese als molekulare Mechanikerwerkstatt. „Wir sollten ein gutes Fundament in der Grundlagenforschung haben: Fragen stellen, die wir nicht wissen. Natürlich sind Anwendungen wichtig – aber es ist schwer vorauszusagen, was morgen wichtig sein wird, oder in zehn Jahren.“
Was ein Forscher vor allem brauche? „Einen offenen Verstand“, so Feringas Plädoyer, „neugierig sein, erforschen, wissen wollen, nicht alles hinnehmen, versuchen, Dinge zu entdecken und zu erforschen“. Und für inspirierte Forscher bedürfe es inspirierender Mentoren: So wie Feringas Chemielehrer in der Highschool, der ihn für diese Welt im Kleinen fasziniert habe, so wie sein amerikanischer Chemieprofessor, der ihn zu schier unmöglichen Projekten animiert habe. Es werde immer Momente geben, in denen man durch einen Fehler zurückgeworfen werde – „aber man lernt, man lernt so vieles. Und das ist die Schönheit der Wissenschaft.“
Die Leidenschaft, die der Niederländer auch seinen Studierenden für die Wissenschaft mit auf den Weg zu geben versucht, schenkte er im gestrigen Vortrag einem breiten Publikum aus Experten und Laien, von Jung bis Alt. Leidenschaft insbesondere für die kreative Entfaltung und die pure Erkenntnis, die in der Grundlagenforschung liegt, wie in seinem Grußwort auch der Prorektor für Bildung und Internationales, Professor Hans Georg Krauthäuser, betonte. Mit der „Notwendigkeit, in Grundlagenforschung zu investieren“, ebenso wie in den Wissenstransfer, vereine der Nobelpreisträger essenzielle Werte der TU Dresden: „In seiner Forschung lebt Professor Feringa unser Motto: ‚Wissen schafft Brücken‘“.
Der nächste Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Nobelpreisträger zu Gast an der TU Dresden" findet am 27. Juni 2018 um 19 Uhr im Hörsaalzentrum statt. Anmeldung und weitere Informationen unter: tu-dresden.de/mn/nobel