11.08.2025
Forschung: Neuartige experimentelle Methode misst die Higgs-Mode in Hochtemperatursupraleitern

Eine NEARS Messung am Supraleiter charakterisiert dessen Higgs Mode wie einen Fingerabdruck. Dazu wird die Higgs Mode mit einem Quench-Puls (rot) zu Schwingungen angeregt. Diese können dann durch anti-Stokes Raman Streuung (blau) vollständig in unterschiedlichen Symmetriekanälen charakterisiert werden.
Ein internationales Forschungsteam um Tomke Glier (Universität Hamburg), Stefan Kaiser (TU Dresden), Dirk Manske (Max-Planck-Institut Stuttgart), und Michael Rübhausen (Universität Hamburg) hat mit einer bahnbrechenden experimentellen Methode einen Weg gefunden, die Higgs-Mode in Supraleitern direkt zu messen.
In Supraleitern können sich Elektronen auf bemerkenswerte Weise zusammenschließen: Sie bewegen sich kollektiv in einem gemeinsamen Quantenzustand, in dem elektrischer Strom völlig verlustfrei fließt. Forschende können diesen Zustand mit ultrakurzen Laserpulsen gezielt anregen und dadurch ins Schwingen bringen.
So entstehen sogenannte Higgs-Moden – kollektive Schwingungen des supraleitenden Zustands selbst. Dabei erinnert der Begriff „Higgs-Moden“ nicht zufällig an das berühmte Higgs-Boson aus der Teilchenphysik: Auch hier geht es um die Schwingung eines Feldes, basierend auf den gleichen physikalischen Prinzipien der Symmetriebrechung. Im Fall der Supraleiter liefert die Higgs-Mode wertvolle Einblicke in die verborgenen Symmetrien und die innere Struktur dieses besonderen Zustands. Man kann sich das Schwingungsspektrum der Higgs-Moden wie den Fingerabdruck eines Supraleiters vorstellen – eine Art charakteristisches Echo, das dessen Eigenschaften sichtbar macht.
Die nun neu entwickelte spektroskopische Methode erlaubt es, Higgs-Moden direkt und gezielt zu beobachten. „Terahertz-Laser haben in den letzten zehn Jahren große Fortschritte in der experimentellen Higgs-Spektroskopie ermöglicht“, erklärt Stefan Kaiser, Professor an der TU Dresden. „Was bisher jedoch fehlte, war ein präzises Werkzeug zur Untersuchung der Symmetrieeigenschaften dieser Anregungen – genau hier setzt die Raman-Spektroskopie an.“
Das Team entwickelte dazu Non-Equilibrium Anti-Stokes Raman Scattering (NEARS). Dabei wird ein gezielter „Soft Quench“ des sogenannten Mexican-Hat-Potenzials ausgelöst, was zu einer kontrollierten Anregung metastabiler Higgs-Zustände führt. „Durch diese Anregung entsteht eine charakteristische Populationsinversion, die sich im Spektrum als zusätzliches Anti-Stokes-Raman-Signal zeigt“, erläutert Tomke Glier, Erstautorin der Studie. „Diese polarisationsabhängige Raman-Spektroskopie ermöglicht es erstmals, die Symmetrie der Higgs-Moden experimentell zu bestimmen.
T. E. Glier, S. Tian, M. Rerrer, L. Westphlas, G. Lüllau, L. Feng, J. Dolgner, R. Haenel, M. Zonno, H. Eisaki, M. Greven, A. Damascelli, S. Kaiser, D. Manske, M. Rübhausen,
Non-equilibrium anti-Stokes Raman spectroscopy for investigating Higgs modes in superconductors,
Nat. Commun. 16, 7027 (2025)