01.09.2025
Forschung: Quantenmagnetismus unter Strain?: Neue Methode erlaubt präzise Kontrolle geometrischer Frustration

Schematische Darstellung des Dreiecksgitters mit frustrierten Spins im Material κ-(ET)₂Cu₂(CN)₃. Durch gezielte anisotrope Verzerrung kann die geometrische Frustration kontrolliert und die magnetische Ordnung beeinflusst werden.
Im Alltag beschreibt „Frustration“ das gleichzeitige Streben nach widersprüchlichen Zielen. In der Quantenphysik entsteht eine ähnliche Situation, wenn sich die Elektronenspins in einem Material aufgrund geometrischer Zwänge nicht energetisch günstig anordnen können. Besonders anschaulich zeigt sich dies in einem Dreiecksgitter, wo sich nicht alle Spins gleichzeitig antiparallel ausrichten können – die sogenannte magnetische Frustation. Solche Systeme gelten als Nährboden für exotische Quantenzustände wie die Quantum Spin Flüssigkeit.
Weil Frustration eng mit der Geometrie des Kristallgitters verknüpft ist, bietet die gezielte Beeinflussung dieser Geometrie einen vielversprechenden Ansatz. Genau hier setzt die neue Studie an: Mit feinjustierten, gerichteten Verzerrungen des Kristallgitters konnten die Forschenden die magnetischen Wechselwirkungen im Material gezielt verändern. Diese Wechselwirkungen hängen empfindlich vom Abstand der Spins ab – anisotrope Verzerrungen verändern jedoch nur ausgewählte Abstände und stören damit die empfindliche Balance der konkurrierenden Wechselwirkungen. Die ursprünglich geometrisch bedingte Frustration wird so zu einem gezielt steuerbaren Parameter.
Zur experimentellen Erfassung dieser einstellbaren Frustration nutzte das Team hochpräzise thermodynamische Messungen des elastokalorischen Effekts – einer neuartigen Methode, bei der Temperaturänderungen unter mechanischer Belastung detektiert werden. So gelang es, ein detailliertes Temperatur-Verzerrungs-Phasendiagramm für das organische Material κ-(ET)₂Cu₂(CN)₃ zu erstellen, das ein leicht verzerrtes Dreiecksgitter bildet. Dieses Phasendiagramm umfasst sowohl den ideal frustrierten Zustand als auch einen schwächer frustrierten Vergleichszustand und liefert somit erstmals eine vollständige experimentelle Karte der Frustrationsabhängigkeit.
Die Studie unterstreicht das große Potenzial von „Lattice Engineering“ – der gezielten Gittermanipulation – als strategisches Werkzeug zur Kontrolle neuartiger Quantenphasen in stark korrelierten Elektronensystemen.
F. Lieberich, Y. Saito, Y. Agarmani, T. Sasaki, Naoki Yoneyama, S. M. Winter, M. Lang, E. Gati,
Probing and tuning geometric frustration in an organic quantum magnet via elastocaloric measurements under strain,
Sci. Adv. 11, 33 (2025)