REKONSTRUKTION DER NAIVEN THEORIE DES SELBST
gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Projektleitung: Prof. Dr. Bernhard Hommel, Prof. Dr. Arvid Kappas (Jacobs University Bremen), Prof. Dr. Francesco Maurelli (Jacobs University Bremen)
Unabhängig von der wissenschaftlichen Frage, ob man das Konzept eines „Selbst“ für die Erklärung menschlichen Verhaltens benötigt, ist dessen Rolle im menschlichen Alltag doch offensichtlich: Laien schreiben anderen Personen, manchmal aber auch Tieren oder technischen Systemen ein „Selbst“ zu und verhalten sich dementsprechend. So werden Agent:innen, denen ein Selbst zugesprochen wird, fürsorglicher und höflicher behandelt, und sie erfahren mehr Empathie. Was aber sind die Kriterien für die Zuschreibung eines Selbst?
Dieser Frage geht unser Projekt mithilfe eines „synthetischen“ Ansatzes nach. Wir programmieren kleine, sehr simpel konstruierte Roboter so, dass ihr Verhalten Eigenschaften widerspiegelt, die der Zuschreibung eines Selbst zugrunde liegen könnten—wie z.B. Kausalität, menschenähnliche Bewegungsschnelligkeit, verhaltensmäßige Effizienz, Lernfähigkeit und soziale Sensibilität. Versuchspersonen werden mit Videos des Verhaltens von ansonsten identischen Robotern konfrontiert, die diese Eigenschaften entweder zeigen oder nicht zeigen, und sie sollen beide hinsichtlich einer Reihe von Selbst-relevanten Eigenschaften einschätzen.
Die Verhaltenseigenschaften, die zu einer signifikanten Erhöhung der Zuschreibung eines Selbst führen, werden anschließend miteinander kombiniert; d.h., wir programmieren einen autonomen Roboter, der alle diese relevanten Verhaltenseigenschaften zeigt. Versuchspersonen werden mit dem Verhalten dieses Roboters konfrontiert und dem Verhalten eines ansonsten identischen Roboters, der aber durch einen anderen Menschen gesteuert wird. In dem Maße, in dem Versuchspersonen nicht mehr in der Lage sind, die Verhaltensweisen dieser beiden Roboter zu unterscheiden, gehen wir davon aus, die Kriterien für die Zuschreibung eines menschenähnlichen Selbst identifiziert zu haben.
In einem weiteren Schritt untersuchen wir, in welcher Weise die Zuschreibung eines menschenähnlichen Selbst den sozialen Umgang mit dem Roboter verändert: ob sie ihm Empathie zuschreiben, ihm mehr vertrauen, sich konform mit seinem Verhalten zeigen und ihn weniger aggressiv behandeln. In einem abschließenden Kooperationsexperiment werden wir alle relevanten Verhaltenseigenschaften in einem humanoiden Roboter implementieren, um einem künstlichen, aber doch „menschlichen“ Selbst so nahe wie möglich zu kommen.