Ziel: Reisen als Changemaker
(interviewt im Jahr 2024)
Dagmar Möbius
Lilith Diringer ist 24 Jahre jung. Nach ihrem Bachelor-Studium Internationale Beziehungen an der TU Dresden absolvierte sie in zwei Jahren zwei Masterabschlüsse in den USA. Erst vor kurzem kehrte sie in die Heimat zurück und führt ihr im Studium gegründetes Start-up für nachhaltiges Reisen weiter. Auch als Sängerin ist sie aktiv.
Als Lilith Diringer 2019 aus dem Schwarzwald zum Studium nach Dresden kam, wusste sie noch nicht ganz genau, wohin sie später beruflich einmal möchte. Die junge sportliche Frau hat zahlreiche Talente und ist vielseitig interessiert: Sie veröffentlichte als Neunjährige ihr erstes Buch, sie singt, betreibt Akrobatik und Cheerleading, tritt im Zirkus auf, und, und, und.
Einzigartig durch drei Brillen
Nach einigen selbst organisierten Schnuppertagen in der sächsischen Landeshauptstadt war sie überzeugt, dass das Bachelor-Studium „Internationale Beziehungen“ an der TUD genau richtig für sie ist. Reizvoll und einzigartig. „Mir sagte insbesondere die Vielseitigkeit zu, während gleichzeitig die Tiefe nicht verloren geht“ / oder: nicht leidet, sagt sie. „Man kratzt nicht an der Oberfläche, sondern steigt tiefgehend in die einzelnen Disziplinen ein, insbesondere in deren internationale Komponente, und erfährt viel über verschiedene Länder weltweit.“ Zudem konnten das Freizeitangebot der Universität und viele Möglichkeiten der Selbstverwirklichung punkten. Interdisziplinär an Problemlösungen heranzugehen und globale komplexe Sachverhalte nicht nur mit einer der drei Brillen Jura, Wirtschaft, Politik zu betrachten, war eine wichtige Erkenntnis für sie.
Sprachfaible und Statistikfan
Der ins Studium integrierte Spracherwerb begeisterte Lilith Diringer. Sie lernte Russisch und erreichte in kurzer Zeit ein sprachlich sehr hohes Niveau, sodass sie ihr verpflichtendes Auslandsemester an der Staatlichen Universität St. Petersburg absolvierte. Parallel sammelte sie im Freiwilligendienst im Programm Humanitäre Geste zwischen dem Außenministerium Deutschland und dem deutsch-russischen Begegnungszentrum in Sankt Petersburg Erfahrungen. Als naturwissenschaftlich Interessierte gefiel ihr die datenbasierte Lehre, speziell quantitative und qualitative Datenerhebung: „So ließ sich nachvollziehen, wie wichtige Entscheidungen auf handfesten Daten und anspruchsvollen Analysen getroffen werden.“ Kritisches Denken, strategische Entwicklung bei hochkomplexen Themenfeldern, Teamarbeit sowie methodisches, interdisziplinäres und sozial verantwortungsvolles Arbeiten nahm sie aus dem Bachelor-Studium mit.
Gründerin aus Überzeugung
„Nachhaltiges Reisen soll bequem und inspirierend sein“, meint Lilith Diringer. Mitten in der Corona-Pandemie gründete sie ein Start-up für nachhaltiges Reisen. „Interkulturelle Beziehungen sind immer mit Reisen verbunden“, sagt die Reisebegeisterte. „Ich möchte das nicht verteufeln.“ Ihre Passion für Nachhaltigkeit bestand schon während ihrer Schulzeit, in der sie sich unter anderem in einer fairtrade-AG und dem WWF-Jugendrat engagierte. „Im Studium wurden diese Themen für mich noch einmal wichtiger. Ich war stark in die Dresdner Gründerszene, auch in Zusammenarbeit mit der TUD involviert.“ Die Baden-Württembergerin war auch bei der studentischen Unternehmensberatung PAUL Consultants aktiv. Als Vorstandsmitglied leitete sie das Ressort Externes und baute das Nachhaltigkeitsteam auf. Ihr Purpose-Startup ChargeHorizons soll gesamtgesellschaftlich wertvoll sein, nicht der monetären Gewinnmaximierung dienen.
Zwei US-Master in zwei Jahren
Mit dem Bachelorabschluss 2022 ging Lilith Diringer in die USA. An der University of Denver absolvierte sie zwei Master-Studiengänge in zwei Jahren: in Public Policy und in Jazz-Gesang. „Ich hatte mehrere Stipendien bekommen, unter anderem vom DAAD und der Studienstiftung. Ein voll finanziertes Studium konnte ich nicht ablehnen“, lacht sie. Ihr Unternehmen führte sie aus der Ferne weiter.
Reisen als Changemaker
Seit Juni 2024 ist Lilith Diringer zurück in Deutschland und arbeitet Vollzeit für ihr Start-up. Im Dreier-Team. „Es laufen Bewerbungen für Förderprogramme und wir haben Einnahmen über unsere App“, sagt sie. Die vermittelt nachhaltige Unterkünfte. „Für Zertifizierung nehmen wir kein Geld“, betont die Geschäftsführerin, „weil es sich auch kleinere Beherbergungsbetriebe leisten können sollen.“ 130 Fragen sind dafür zu beantworten. Zur Einordnung: „Es gibt über 150 Nachhaltigkeitssiegel, nicht alle sind transparent, und man weiß nie, wieviel Green Washing hinter ihnen steckt.“ Zurzeit listet ChargeHorizons 10.000 Unterkünfte weltweit. Diese Zahl soll sich erhöhen. „Über 70 Prozent der Reisenden wollen nachhaltig unterwegs sein, aber das Thema ist noch nicht die Nummer 1. Es ist noch nicht genug Druck da.“ Ideen, das Bewusstsein zu schärfen, hat Lilith Diringer viele. Auch dazu hat sie ein Buch veröffentlicht. „Reisen als Changemaker“, das ist ihr Ziel. Sie möchte gute Beispiele verbreiten und damit inspirieren. Ihr Unternehmen unterstützt auch Geflüchtete während ihrer Ausbildung in der Hotellerie. „Dort herrscht ein Arbeitskräftemangel – 2022/2023 konnten 42 Prozent der Ausbildungsplätze nicht besetzt werden – und Personal wird oft nicht gut behandelt.“ Bezüglich Work-Life Balance und Mental Health am Arbeitsplatz hat der Reisesektor Aufholpotential“, begründet Lilith Diringer. Sie möchte nichts weniger als „den systemischen Wandel hinkriegen“.
Kooperationen und Nachhaltigkeitsdetektivklub
Mit der TUD (und einigen Hochschulen weltweit) steht sie in Verbindung. So strebt sie eine Kooperation an, die es Lehrenden und Mitarbeitenden ermöglicht, das nachhaltige Reiseplanungstool zu nutzen, die Emissionen zu minimieren und einen angemessenen Klimabeitrag zu leisten. Auch Studierende können ihr Auslandssemester bequem, komfortabel und nachhaltig planen. Über die Initiative Native Narratives sollen internationale Studierende authentisch über ihre Heimatregion berichten und Stereotype abbauen. Im Rahmen des Projektes Travelucation mit Studierenden des Bereiches Lehramt / Bildungswissenschaften der TUD entwickelte Lilith Diringer einen Nachhaltigkeitsdetektivklub für Kinder. Mit unterhaltsamem Lernen soll so die frühe Bildung für nachhaltiges Reisen gefördert werden.
To-do-Listen und der Jazz
Wie passt ihr Pensum in einen 24-Stunden-Tag? „Ich schlafe gut und bin fit. Und ich habe einige To-do-Listen“, verrät Lilith Diringer, „aber ich halte mich nicht strikt daran.“ Als Ausgleich musiziert sie. Mit Schlagzeug, Klavier und Gesang ist sie insbesondere in den Genres Musical und Jazz aktiv. „Ich orientiere mich musikalisch gerade in meiner neuen Heimat in Hamburg und habe schon in einigen Jazzclubs der Stadt mit beeindruckenden Musikerinnen und Musikern jammen dürfen“, so die Schwarzwälderin. Sicher ist, von dieser jungen Frau wird man noch lesen und hören.
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Lilith Diringer